Transkript
ESC
ESC-Guidelines
Updates zu fünf verschiedenen Themen
Am ESC-Kongress wurden Updates von fünf Guidelines vorgestellt. Allen voran die neue europäische Hypertonie-Guideline, die schon vor ihrer Publikation zu reden gab, weil man sich fragte, ob sie der neuen amerikanischen Guideline mit der Herabsetzung des Cut-off-Wertes folgen würde. Sie tat es nicht. Weitere Neuerungen gibt es zur Diagnose des Myokardinfarktes, zur Wahl der Revaskularisationsmethode, zum Umgang mit Herzerkrankung in der Schwangerschaft und zum richtigen Erkennen von Synkopen.
In der ESC-Guideline 2018 zur arteriellen Hypertonie ist der wichtigste Punkt die Definition der Hypertonie. Sie bleibt unverändert: > 140/90 mmHg. Wichtigste Änderung in der Therapie: Die Therapie soll von Anfang an mit einer Fixkombination aus zwei Antihypertensiva (z.B. ACE-Hemmer oder Sartan mit einem Kalziumantagonisten oder Diuretikum) durchgeführt und bei noch immer mangelnder Blutdruckkontrolle mit einer Dreierfixkombination weitergeführt werden (1).
Myokardinfarkt oder nicht?
Die zweite neue Guideline betrifft die Definition eines Myokardinfarktes. Damit soll es mehr Sicherheit in dessen Diagnose geben. Denn vielerorts würde nicht verstanden, dass erhöhte Troponinspiegel für eine Diagnose nicht ausreichend
Guideline Definition Myokardinfarkt
https://www.rosenfluh.ch/qr/myokard-definition-guideline
Guideline arterielle Hypertonie
https://www.rosenfluh.ch/qr/arterielle-hypertonie-guideline
Guideline Revaskularisation
https://www.rosenfluh.ch/qr/revaskularisation-guideline
seien, so Mitautor Prof. Thygesen, Aarhus University Hospital, Aarhus (DK). Troponin wird zwar ins Blut freigesetzt, wenn eine Herzmuskelschädigung vorliegt, eine solche kann aber auch als Folge von Infektion, Sepsis, Nierenerkrankung, Herzchirurgie oder übermässigem Training eintreten. Daher ist ein Myokardinfarkt definiert als Ischämie, im EKG detektierbar, mit Schmerzen in Brust, Armen und Kiefer sowie Dyspnoe und Müdigkeit. Ursachen dafür können eine Plaqueruptur (Typ 1), Atemversagen oder auch eine Blutdruckkrise (Typ 2) sein, die jeweils eine spezifische Therapie erfordern (2).
Herzerkrankung in der Schwangerschaft
Die dritte Guideline betrifft schwangere Frauen mit kardiovaskulären Erkrankungen. Demnach sollten Frauen mit Herzerkrankungen nach 40 Wochen ihr Kind gebären. Denn nach 40 Wochen habe die Schwangerschaft für das Kind keinen zusätzlichen Nutzen mehr, eventuell könnte es sogar schädlich sein. Schwangerschaft ist ein neun Monate langer Stresstest für Frauen mit Herzerkrankungen. In den westlichen Ländern sind Herzerkrankungen die Haupttodesursache für Frauen während der Geburt. Die Guidelines empfehlen daher einen Kaiserschnitt nach der 40. Schwangerschaftswoche. Die Anzahl der Frauen mit Herzerkrankungen in der Schwangerschaft steigt. Gründe dafür sind erhöhtes Alter in der Schwangerschaft, vermehrtes Vorhandensein von kardiovaskulären Risikofaktoren wie auch die verbesserte Versorgung von Frauen mit angeborenen Herzerkrankungen, dank der sie das Erwachsenenalter erreichen können. Die meisten Frauen mit Herzerkrankungen durchlaufen eine gesunde Schwangerschaft. Sie sollten sich aber bewusst sein, dass ihr Risiko für Schwangerschaftskomplikationen wie Frühgeburt, Präeklampsie und postpartale Blutungen erhöht ist. Von einer In-vitro-Fertilisation raten die Guidelines wegen des erhöhten Thromboserisikos aufgrund der hoch dosierten Hormonbehandlung ab sowie wegen der Gefahr von Mehr-
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lingsschwangerschaften, die eine hohe zusätzliche Belastung für das Herz darstellen. Frauen mit pulmonaler Hypertonie, starker Aortendilatation oder einer stark reduzierten Pumpfunktion sollten von einer Schwangerschaft ganz absehen (3).
Stent oder Bypass?
Die vierte Guideline widmet sich der Revaskularisation nach einem akuten ischämischen Myokardinfarkt oder bei chronisch stabiler Koronararterienerkrankung. In die Entscheidung, ob ein Bypass (coronary artery bypass grafting, CABG) oder ein Stent mittels perkutaner koronarer Intervention (PCI) zur Öffnung verschlossener Koronararterien eingesetzt werden soll, soll der Patient gemäss Guideline einbezogen werden. Denn je nach anatomischer Komplexität ist das Resultat mit den beiden Verfahren unterschiedlich. Bei einfacheren Erkrankungen ist das Langzeitresultat der beiden Verfahren etwa ähnlich. Bei komplexeren Situationen, zum Beispiel auch bei Vorliegen eines Diabetes, ist das Langzeitüberleben nach Bypass besser. Anhand des SYNTAX-Scores lässt sich der Outcome je nach Verfahren abschätzen. Bei stabiler Erkrankung soll die Methode gewählt werden, mit der eine annähernd komplette Revaskularisation erreicht werden kann. Fällt die Wahl auf eine PCI, sollen medikamentefreisetzende Stents (drug eluting stents) zur Anwendung kommen. Bioresorbierbare Stents sollten dem Einsatz in Studien vorbehalten bleiben (4).
Synkopen richtig erkennen
Die fünfte Guideline ist ein multidisziplinäres Werk, bei dem
Experten aus der inneren Medizin, der Neurologie, der Ger-
iatrie, der Kardiologie und der Pflege ihr Wissen zusammen-
getragen haben. Im Gegensatz zu älteren Versionen sind in
der neuen Guideline die «supplemetariy data» mit online he-
runterladbaren Grafiken und Videos ein integraler Bestand-
teil. Dies mit dem Ziel, unnötige Spitaleinweisungen, Tests
und Fehldiagnosen bei transienten Bewusstseinsverlusten zu
vermeiden (5).
L
Valérie Herzog
Referenzen: 1. Williams B et al.: 2018 ESC/ESH Guidelines for the management
of arterial hypertension. Eur Heart J 2018; doi: 10.1093/ eurheartj/ehy339. 2. Thygesen K et al.: Fourth universal definition of myocardial infarction (2018). Eur Heart J 2018; doi: 10.1093/eurheartj/ehy462. 3. Regitz-Zagrosek V et al.: 2018 ESC Guidelines for the management of cardiovascular diseases during pregnancy. Eur Heart J 2018; doi: 10.1093/eurheartj/ehy340. 4. Neumann FJ et al.: 2018 ESC/EACTS Guidelines on myocardial revascularization. Eur Heart J 2018; doi: 10.1093/eurheartj/ ehy394. 5. Brignole M et al.: 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope. Eur Heart J 2018; 39: 1883–1948.
Quelle: «New ESC-Guidelines», Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) 2018, 25. bis 29. August in München.
Auch zu viel HDL kann schädlich sein
Sehr hohe HDL-Spiegel könnten des Guten zu viel sein. Das
gute Image bekam HDL, weil es in den Abtransport von Cho-
lesterin aus den Blutgefässen via Leber aus dem Körper invol-
viert ist und es damit das Atheroskleroserisiko verringert.
Personen mit tiefen HDL-Werten haben ein erhöhtes kardio-
vaskuläres Risiko, der protektive Effekt von sehr hohen
HDL-Spiegeln war aber bislang unklar.
Die Beziehung zwischen HDL-Werten und Myokardinfarkt
und Tod wurden daher bei 5965 durchschnittlich 63-jährigen
Personen, darunter 35 Prozent Frauen, untersucht. Die meis-
ten von ihnen litten an einer kardiovaskulären Erkrankung.
Nach 4 Jahren zeigte sich, dass die Teilnehmer mit HDL-Wer-
ten von 1,1 bis 1,5 mmol/l das geringste Risiko für Herz-
infarkt und Tod hatten. Das Risiko bei jenen mit sehr tiefen
(< 1 mmol/l) Werten war erwartungsgemäss erhöht, bei jenen mit sehr hohen HDL-Spiegeln (> 1,5 mmol/l) aller-
dings auch: um 50 Prozent.
Dass sehr hohe HDL-Spiegel kardiovaskulär nicht protektiv
sind, habe sich in bevölkerungsbasierten Beobachtungsstu-
dien bereits abgezeichnet. Dass sie es bei kardiovaskulär vor-
erkrankten Personen auch nicht sind, habe sich nun in dieser
Studie gezeigt, so der Studienleiter Dr. Allard Ratick, Emory
University School of Medicine, Altlanta (USA).
vh
Quelle: «HDL cholesterol – a moving target», Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) 2018, 25. bis 29. August in München.
Tafamidis wirkt bei seltener Kardiomyopathie
Patienten mit Transthyretin-assoziierter familiärer Amyloid-
Kardiomyopathie (TTR-FAC) leiden an einer zwar seltenen,
jedoch progressiven und tödlichen Erkrankung, die auch ver-
erbbar ist. Bislang gab es keine Therapie, die das Überleben
dieser Patienten verlängerte. Am ESC-Kongress wurde nun
eine Studie mit Tafamidis, einem neuartigen, spezifischen
TTR-Stabilisator vorgestellt. In der Phase-3-ATTRACT-Stu-
die zu TTR-FAC hat Tafamidis in den Dosierungen von
20 mg und 80 mg oral versus Plazebo nach 30 Monaten die
Gesamtsterblichkeit um 29,5 Prozent (vs. 42,9%; HR: 0,7:
95%-KI: 0,51–0,96) und Hospitalisierungen um 32 Prozent
(95%-KI: 0,56–0,81) signifikant reduziert. Eine Erhöhung
der Lebensqualität sowie die Verlangsamung des Abfalls im
6-Minuten-Gehtest waren in der Verumgruppe ebenfalls zu
beobachten. «Der Nutzen von Tafamidis ist nicht nur statis-
tisch relevant, sondern auch klinisch. Bei Patienten mit TTR-
FAC kann diese Behandlung das Leben verändern», so der
Studienleiter Prof. Claudio Rapezzi, Universität Bologna (I).
Tafamidis ist in zahlreichen Ländern zur Behandlung der
TTR-FA-Polyneuropathie zugelassen, um die periphere neu-
rologische Beeinträchtigung hinauszuzögern.
vh
Quelle: «Hotline Session 3». Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) 2018, 25. bis 29. August in München.
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