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Vitamin-D-Mangel: Verkannter Demenzmarker
In letzter Zeit haben eine Reihe von Studien die pleiotropen Effekte von Vitamin D und die Bedeutung eines Mangels bei einer Vielzahl von Störungen beschrieben, auch bei psychiatrischen Erkrankungen. Gezeigt wurde unter anderem, dass aktive Vitamin-D-Metaboliten die Expression von Neurotrophinen im Hippocampus fördern und die Kalziumhomöostase im zentralen Nervensystem regulieren; zudem reguliert Vitamin D die genetische Expression verschiedener Neurotransmitter (Dopamin, Serotonin). Auch eine Verbindung zwischen Vitamin-D-Mangel und Hirnatrophie sei beobachtet worden, berichten Forscher der polnischen Universität Bialystok. Sie untersuchten den möglichen Zusammenhang zwischen Vitamin D und kognitiver Funktion in einer Kohorte von 357 geriatrischen Patienten (mittleres Alter: 82,3 Jahre), die über Gedächtnisstörungen, Schwindel, Schwäche oder muskuloskeletale Schmerzen geklagt hatten. Bei allen Teilnehmern wurde der Vitamin-D-Status erhoben, und alle Teilnehmer unterzogen sich einer Untersuchung
zur Erhebung des Mini-Mental State (MMSE). Die klinische Diagnose einer Demenz wurde laut ICD-10-Kriterien gestellt. 51,5 Prozent der Patienten wiesen einen schweren Vitamin-D-Mangel auf (< 20 ng/ml), ein moderater oder leichter Mangel wurde bei insgesamt 43 Prozent festgestellt. Bei lediglich 5,6 Prozent der Patienten lagen die Serumwerte im normalen Bereich von ≥ 50 ng/ml. In univariaten Modellen war der MMSE-Score negativ assoziiert mit Patientenalter und Komorbiditäten; eine positive Korrelation zeigte sich mit Faktoren wie Bildungsniveau, Body-Mass-Index (BMI), Vitamin-D- und -B12-Wert sowie Geschwindigkeit der Durchführung des TUG-Tests («timed up and go»Test). Diese Faktoren sollten daher «als Marker eines guten körperlichen und Ernährungsstatus gesehen werden», betonen die Autoren. In den multivariaten Modellen verwiesen die folgenden, gemeinsamen signifikanten Variablen einen höheren MMSE-Score und ein niedrigeres Demenzrisiko: BMI, Vitamin-Dund -B12-Werte sowie die motorische Funktion laut TUG. Zudem zeigte sich eine starke Evidenz dafür, dass ein höheres Ausbildungsniveau, höhere Vitamin-D- sowie Vitamin-B12Werte unabhängig voneinander positiv mit dem MMSE-Score assoziiert sind. Aber gleichzeitig wurde auch bei zu hohen Vitamin-B12Werten eine negative Assoziation mit MMSEOutcomes beobachtet: Ab einem Cut-off-Wert von 800 pg/ml verwies das Bayes-Wahrscheinlichkeitsmodell auf eine Verschlechterung des MMSE-Status. Bei älteren Menschen stelle vor allem der Vitamin-D-Mangel einen unterschätzten Marker für schlechtere kognitive Leistung und Demenz dar, so die Autoren warnend. Sie empfehlen die kontinuierliche Überwachung des Vitamin-D-Status sowie gegebenenfalls eine entsprechende Supplementierung bei allen Personen im höheren Alter. Quelle: Łukaszyk E et al.: Cognitive Functioning of Geriatric Patients: Is Hypovitaminosis D the Next Marker of CognitiveDysfunction and Dementia? Nutrients 2018; 10; 1104, doi: 10.3390/nu10081104. Bipolare Störungen: Probiotika verbessern kognitive Dysfunktion Viele Patienten mit bipolaren Störungen (BD) leiden während depressiver und manischer Phasen an kognitiver Dysfunktion. Bei manchen Patienten persistierten die Störungen sogar in euthymischen Phasen, womit eine hohe Krankheitsbelastung und eine niedrige Lebensqualität verbunden seien, erklären Psychiater der Medizinischen Universität Graz (A). Nachdem Tier- und Humanstudien an gesunden Erwachsenen bereits über eine Beeinflussung kognitiver Vorgänge durch intestinale Mikrobiota (Darm-Hirn-Achse) berichtet hatten, analysierten die Forscher in der vorliegenden Pilotstudie nun den Einfluss probiotischer Ergänzungsmittel auf kognitive Parameter in einer Kohorte 20 euthymischer BD-Patienten. Die Teilnehmer nahmen über einen Zeitraum von drei Monaten täglich ein Probiotikum ein und unterzogen sich zu drei Zeitpunkten einer kognitiven Testbatterie: zu Baseline (t1) sowie jeweils nach einem (t2) und nach drei Monaten (t3). Die Autoren fanden sowohl zu t2 als auch zu t3 eine signifikante Verbesserung der Leistung in Bezug auf Aufmerksamkeit und Geschwindigkeit der psychomotorischen Verarbeitung (p < 0,01). Auch die Exekutivfunktion, gemessen mit dem Trail-Making-Test-B (TMT-B), verbesserte sich innerhalb von drei Monaten signifikant. Ein Nachteil der Studie sei sicher das Fehlen einer Randomisierung und Kontrollgruppe, so die Autoren in der Diskussion. Dennoch würden diese Ergebnisse einen wichtigen Hinweis darauf geben, dass Probiotika bei euthymischen BD-Patienten die kognitive Funktion verbessern könnten, was in weiterer Folge auch eine Verbesserung der psychosozialen und beruflichen Funktionen erlauben würde. Grundsätzlich, so die Autoren weiter, werde zunehmend evident, dass zwischen Darm und Gehirn eine «bidirektionale Kommunikation» vorliege, in deren Interaktionen dem intestinalen Mikrobiom eine wichtige Rolle zukomme. Dieses setze immunaktivierende und andere Signalmoleküle frei, die in der Regulierung von Gehirnfunktion und Verhalten von Bedeutung sein könnten. Das Konzept der DarmHirn-Achse stellte daher einen wichtigen Ansatz für die weitere Erforschung neuer Behandlungsstrategien bei Stimmungsstörungen und anderen psychiatrischen Erkrankungen dar. Quelle: Reininghaus EZ et al.: The Impact of Probiotic Supplements on Cognitive Parameters in Euthymic Individuals with Bipolar Disorder: A Pilot Study Neuropsychobiology, DOI: 10.1159/000492537 Dr. med. Lydia Unger-Hunt Freie Journalistin 14 Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 5|2018