Transkript
Neue Daten in der Dyslipidämiebehandlung
Konzeptwechsel gefordert
SGAIM
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In den letzten Jahren haben neue Studien gezeigt, dass eine frühe und aggressive Behandlung von erhöhten LDL-Cholesterin-Werten kardiovaskulär mehr Vorteile als Nachteile bringt. Prof. François Mach, Kardiologie, Hôpitaux Universitaires Genève, forderte deshalb am SGAIM-Kongress ein Umdenken. Das LDL-Cholesterin solle möglichst früh, aggressiv und tief gesenkt werden.
Das LDL-Cholesterin ist unbestritten die Ursa-
che der Atheroskleroseentwicklung (1). Ein-
flüsse wie Rauchen, Diabetes mellitus, Hyper-
tonie, männliches Geschlecht, erhöhte Plasma-
glukose und tiefes HDL-Cholesterin mögen die
Atherosklerose verschlimmern, ursächlich sind
sie aber nicht (2). Das LDL-Cholesterin ist
sowohl kausal als auch kumulativ für den An-
stieg des kardiovaskulären Risikos verantwort-
Prof. François Mach
lich. Den erhöhten LDL-Cholesterin-Spiegel zu senken, stellt demnach die kausale Therapie
der Atherosklerose dar, was zu einer Risikoreduktion von
kardiovaskulären Ereignissen führt (1).
Die länderspezifischen Fachgesellschaften sind sich jedoch
nicht einig, ab wann ein Patient eine lipidsenkende Therapie
erhalten sollte. In einer Beobachtungsstudie über 10 Jahre
mit dänischen Bürgern zwischen 40 und 75 Jahren, die zu die-
sem Zeitpunkt noch keine Statine eingenommen hatten und
auch keine kardiovaskuläre Atherosklerose hatten, wurden
anhand der verschiedenen Richtlinien die Kriterien für eine
Therapie und die damit verhinderten kardiovaskulären
Ereignisse ermittelt. Während die kanadischen (CCS), die
amerikanischen (AHA/ACC) und die britischen (NICE)
Richtlinien eine Statintherapie ab einem LDL-Wert von 4,9
bis 5 mmol/l vorsehen, schreiben die europäischen Richt-
linien (ESC/EAS) erst ab 6,0 mmol/l eine Behandlung vor.
Demzufolge würden mit den europäischen Richtlinien über
10 Jahre, verglichen mit den anderen, nur etwa ein Drittel (13
vs. 32–34%) der kardiovaskulären Ereignisse verhindert (3).
Es besteht also ein klarer Handlungsbedarf.
Drei Forderungen
Aufgrund dieser Erkenntnisse sei ein Konzeptwechsel notwendig, fordert Mach und stellt drei Forderungen: 1. Eine Lipidsenkertherapie soll von Beginn an aus einer Kom-
bination aus verschiedenen Lipidsenkern bestehen, um das erhöhte LDL-Cholesterin möglichst schnell möglichst tief zu senken. 2. Die Therapie soll möglichst früh einsetzen, um die über die Jahre kumulative LDL-Last zu reduzieren. Eine Studie mit Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie zeigte, dass Patienten, die schon seit Kindheit behandelt wurden, im Vergleich zu ihren Eltern, deren Behandlung erst später einsetzte, länger ohne vaskuläres Ereignis lebten (5). 3. Die LDL-Senkung soll aggressiver sein. In der randomisierten kontrollierten FOURIER-Studie (n = 25982) mit dem PCSK-9-Hemmer Evolocumab als Zusatz zur Statintherapie versus Plazebo plus Statine erreichten 2669 Teilnehmer unter Evolocumab nach 4 Wochen bereits einen LDL-Wert von 0,5 mmol/l, 8003 Patienten erreichten Werte zwischen 0,5 und 1,3 mmol/l, 3444 Patienten zwischen 1,3 und 1,8 mmol/l, 741 Patienten 2,6 mmol/l oder höher. Aus der Analyse ging hervor, dass zwischen den LDL-Werten und der Ereignisrate eine fast lineare Beziehung bestand: je tiefer die Werte, desto seltener die Ereignisse. Sicherheitsrelevante schwere oder leichte Nebenwirkungen traten in der Zeitspanne von 2,2 Jahren nicht signifikant häufiger auf, weder bei Werten von ≥ 2,6 und von < 0,26 mmol/l (6). «Das bedeutet, dass man das Cholesterin in den Arterien nicht nur senken, sondern entfernen muss, denn dort richtet es nur Schaden an», so das Plädoyer von Mach.
Therapie mit Kombinationen beginnen
Eine neue Metaanalyse von randomisierten Lipidsenkerstudien mit Statinen und Nichtstatinen hat gezeigt, dass die Reduktion von grösseren vaskulären Ereignissen, wie Tod, kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Hirnschlag und Koronarrevaskularisation, proportional zur LDL-Senkung verläuft. Pro 1,0 mmol/l LDL-Reduktion erfolgt eine relative Risikoreduktion von 19 Prozent, egal ob mit Statinen, Ezetimib oder PCSK-9-Hemmern. Eine Intensivierung der Statintherapie mit Ezetimib oder PCSK9-Hemmern schlägt sich demnach bei Hochrisikopatienten in der Sekundärprävention mit einem grösseren Nutzen nieder (4).
Vorteile überwiegen
In einem von ihm als Erstautor verfassten, kürzlich publizierten Review über Nebenwirkungen der Statintherapie, insbesondere Störungen der Glukosehomöostase, der kognitiven, renalen, hepatischen Funktion, hämorrhagischen Hirnschlag und Katarakt, kam er zu dem Schluss, dass eine Langzeitbehandlung mit Statinen, sofern keine Muskelsymptome aufträten, sehr sicher sei und der kardiovaskuläre Nutzen die Risiken bei Weitem aufwiege. Die Autoren fanden in der Literatur zwischen 2000 und 2017 0,1 Prozent Neudiagnosen von Diabetes mellitus pro Jahr, vornehmlich bei Patienten mit metabolischem Syndrom. Die Statinbehandlung zeigte
CongressSelection Allgemeine Innere Medizin | August 2018
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SGAIM
des Weiteren keine negativen Auswirkungen auf die Kognition, auch nicht bei sehr tiefen Werten, die Nierenfunktion oder die Kataraktentwicklung. Vorübergehende Erhöhungen der Leberenzyme von 0,5 bis 2 Prozent traten bei den meisten Patienten unter Statinen auf, waren aber klinisch nicht relevant. Statinbedingte, klinisch relevante Leberfunktionsstörungen waren äussert selten. Bei Patienten ohne kardiovaskuläre Erkrankung besteht kein Risiko für einen hämorrhagischen Hirnschlag, bei solchen mit vormaligem Hirnschlag war das Risiko in einer Studie leicht erhöht, wurde aber durch andere Studien nicht bestätigt.
KURZ & BÜNDIG
Eine kombinierte Therapie senkt das kardiovaskuläre Risiko in höherem Mass.
Die Therapie früh und aggressiv starten, um die Cholesterinexposition in den Arterien möglichst rasch zu senken.
Eine Langzeitbehandlung mit Statinen bringt mehr Nutzen als Risiken.
All diese Daten dürften die nächsten Richtlinien der European Society of Cardiology von 2019 beeinflussen, so Mach abschliessend, selbst Mitglied dieses Richtlinienkommitees. L
Valérie Herzog
Referenzen 1. Ference BA et al.: Low-density lipoproteins cause atherosclerotic
cardiovascular disease. 1. Evidence from genetic, epidemiologic, and clinical studies. A consensus statement from the European Atherosclerosis Society Consensus Panel. Eur Heart J 2017; 38: 2459–2472. 2. Borén J et al.: The central role of arterial retention of cholesterol-rich apolipoprotein-B-containing lipoproteins in the pathogenesis of atherosclerosis: a triumph of simplicity. Curr Opin Lipidol 2016; 27: 473–483. 3. Mortensen MB et al.: Comparison of Five Major Guidelines for Statin Use in Primary Prevention in a Contemporary General Population. Ann Intern Med 2018; 168: 85. 4. Koskinas KC et al.: Effect of statins and non-statin LDL-lowering medications on cardiovascular outcomes in secondary prevention: a meta-analysis of randomized trials. Eur Heart J 2018; 39: 1172–1180. 5. Wiegman A et al.: Familial hypercholesterolaemia in children and adolescents: gaining decades of life by optimizing detection and treatment. Eur Heart J 2015; 36: 2425–2437. 6. Giulgliano RP et al.: Clinical efficacy and safety of achieving very low LDL-cholesterol concentrations with the PCSK9 inhibitor evolocumab: a prespecified secondary analysis of the FOURIER trial. Lancet 2017; 390: 1962–1971.
Quelle: «Dyslipidémie: nouvelles thérapies et valeurs de LDL à atteindre», Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine und Innere Medizin (SGAIM), 30. Mai bis 1. Juni 2018, Basel.
An ESC Update Meeting, Davos, 16 – 20 February 2019 23rd International Postgraduate Course on Cardiovascular Disease
Main Topics
Inflammation and atherosclerosis • Risk factors • Lifestyle modification • Diabetes and the heart • Hypertension • Lipid management • Cardiac imaging • Thrombocardiology • Coronary artery disease • Acute coronary syndromes • Cardiomyopathies • Cardio-oncology • Atrial fibrillation • Ventricular arrhythmias • Cardiogenic shock • Valve disease • Heart failure
Features
State of the art lectures • Clinical decision seminars • Video live presentations • Meet the expert sessions • Poster sessions • Webcasts
Course Directors
Thomas F. Lüscher, London, Zurich, Berne Bertram Pitt, Ann Arbor MI, USA François Mach, Geneva Stephan Windecker, Berne
Organisation
On behalf of Zurich Heart House: Medworld AG, CH-6312 Steinhausen Phone +41 41 478 23 00, registration@medworld.ch www.cardiologyupdate.ch