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Editorial
Eine weitere von Ökonomen angestossene Entwicklung kommt auf uns zu. Einige warnen bereits davor, andere habens noch kaum zur Kenntnis genommen: Im Jahr 2012 wird schweizweit die DRG-basierte Entschädigung von Spitalbehandlungen eingeführt. Die Spital- und die Gesundheitsdirektoren – beides nicht für die Medizin, sondern für die Ökonomie zuständige Berufsleute – haben längst begonnen, sich darauf einzustellen. Die Spitäler müssen kostengünstiger arbeiten, sonst bleibt ihr Defizit an den Steuerzahlern hängen. Wie aber werden Spitäler kostengünstiger? Indem sie Personal abbauen, nicht
ihre Wirkung entfalten. Kürzere Spitalaufenthalte (aus Spargründen) werden mehr Nachbehandlungskonsultationen bei den praktizierenden Ärzten auslösen, und vermutlich vermehrte Rehospitalisationen. Die Dummen sind die Hausärzte, denn mehr Arbeit heisst Mehrkosten, die letztlich
Und die Dummen sind …
gesetzlich vorgeschriebene unrentable Angebote streichen, günstiger einkaufen, Kosten an Dritte auslagern, kurz: indem sie ihre Dienstleistungen abbauen. Dem versucht man gegenzusteuern durch eine intensive ethische Begleitforschung (eine neue Dienstleistung, mit der sich neue Leute am gleich gross bleibenden Gesundheitskuchen neu ihren Teil abschneiden) und verstärkte Qualitätssicherungsmassnahmen (die leidige alte Geschichte). Es wird alles nichts helfen, Deutschland (von dem man das ganze System des DRG-Managements gekauft hat) machts vor: Geld regiert das Spital. Ärzte und Pflegende sind die einen, die Patienten die anderen Leidtragenden. Den einen mangelts zunehmend an Motivation, die anderen werden in mindestens zwei medizinische Klassen aufgeteilt. Manches wird ambulant erledigt, weils weniger kostet und mehr einbringt. Aus einer Diagnose und Behandlung werden drei Diagnosen und drei Behandlungen, weil so die Einzelfallkosten niedriger ausfallen. Aber auch ausserhalb des Spitals werden die DRG
am ambulanten System hängen bleiben. Was, wegen der faktischen Deckelung der ambulanten Kosten, zu einer Reduktion des Taxpunktwertes führen muss. Der Dumme ist zudem der Patient. Aber das spielt keine Rolle. Oder besser: In diesem System spielt der Patient kaum mehr eine Rolle, es sei denn als Kostenfaktor. Er wird, sofern nicht Privatpatient, möglichst früh aus dem Spital hinauskomplimentiert und findet dann – leider – keinen Hausarzt mehr vor, weils von denen immer weniger gibt. Macht aber alles nichts, Hauptsache, die Kosten für die Krankenversicherer werden nicht höher. Und die, die das Ganze eingefädelt haben, sind bis dann längst aus ihren Ämtern ausgeschieden und im Übrigen privat versichert. Aber wer weiss, vielleicht kommt ja alles ganz anders. Besser. Oder im Gegenteil.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 6 ■ 2009 217