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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Gesundheitswesen
Kleider machen Ärzte
In den USA ist es bereits heute so, dass für die Vergütung von Leistungen durch Kostenträger wie Medicare oder Medicaid zum Teil auch die Patientenzufriedenheit eine Rolle spielt, welche die Spitäler mittels Umfragen dokumentieren müssen. Darum sei auch die Kleiderordnung für
Ärztinnen und Ärzte durchaus eine wichtige Frage, und man solle darüber nachdenken, diese entsprechend zu regeln, rät Prof. Dr. med. Christopher Petrilli von der University of Michigan Medical School, der vor seiner medizinischen Karriere im Finanzbusiness gearbeitet hat, wo der Dresscode bekanntermassen besonders streng ist. Petrilli und sein Team befragten 4062 Patienten an 10 akademischen Spitälern in den USA. Sie legten ihnen Fotos unterschiedlich gekleideter Ärztinnen und Ärzte vor und baten darum, deren Wissen, Vertrauenswürdigkeit, Fürsorge, Ansprechbarkeit und Sympathie zu bewerten sowie, in einem zweiten Schritt, welches Outfit in welcher Situation am besten passt. Zur Wahl standen: leger (Polohemd, Jeans, Turnschuhe), OP-Kleidung, formell (blaues Hemd mit Kra-
watte für Herren, Bluse für Damen, dun-
kelblaue Hose, Lederschuhe) – alle Vari-
anten mit und ohne weissen Kittel sowie
Businesskleidung (formell plus Jackett,
kein Kittel).
Im Allgemeinen beurteilten die Patienten
Ärztinnen und Ärzte in formeller Klei-
dung, die darüber einen weissen Kittel
trugen, am besten. Es kam allerdings
auch darauf an, in welchem Zusammen-
hang gefragt wurde. So erwartete man
beispielsweise, dass ein Chirurg OP-Out-
fit trägt und der weisse Kittel eher auf der
Station im Spital als in der Ambulanz
dazugehört.
RBO L
Petrilli CM et al.: Understanding patient preference for physician attire: a cross-sectional observational study of 10 academic medical centres in the USA. BMJ Open 2018;8:e021239. doi:10.1136/bmjopen-2017-021239.
Hämatologie
Künstliches Knochenmark im Brutschrank
Unter dem Rasterelektronenmikroskop zeigt sich die Ablagerung einer extrazellulären Matrix, in welche Zellen eingebettet sind – vermutlich sowohl Stromazellen als auch blutbildende Zellen (Foto: Universität Basel).
Forscher haben ein künstliches Gewebe entwickelt, in dem menschliche Blutstammzellen über längere Zeit funktionsfähig bleiben. Das berichten Wissenschaftler von Universität und Universitätsspital Basel sowie der ETH Zürich. Bereits seit mehreren Jahren versucht man, natürliches Knochenmark im Labor nachzubauen, um die Mechanismen der Blutbildung besser zu verstehen und neue Therapien, beispielsweise zur Behand-
lung von Leukämiepatienten, zu entwickeln. Dies hat sich als äusserst schwierig erwiesen, da die Blutstammzellen in herkömmlichen In-vitro-Systemen ihre Eigenschaften verlieren, sich zu vermehren und in verschiedenen Arten von Blutzellen zu differenzieren. Die Schweizer Forscher haben nun ein künstliches Knochenmarkgewebe entwickelt, in dem sich die hämatologischen Stamm- und Vorläuferzellen über mehrere Tage vermehren konnten. Dafür kombinierten sie menschliche mesenchymale Stromazellen mit einem knochenähnlichen, porösen, dreidimensionalen Gerüst aus Keramik in einem sogenannten Perfusionsbioreaktor, in dem sich biologische und synthetische Materialien verbinden lassen. So entstand eine Struktur, die von einer extrazellulären Matrix überzogen ist, in die sich Zellen einfügen können (s. Foto). Das neue Verfahren eigne sich auch dafür, massgeschneiderte Knochenmarknischen
herzustellen, die spezifische molekulare Eigenschaften aufwiesen und bei denen sich einzelne Proteine einfügen oder entfernen liessen. Das eröffne vielfältige Perspektiven, heisst es in einer Pressemitteilung der Universität Basel: für die Erforschung von Faktoren, welche die Blutbildung beim Menschen beeinflussen, bis hin zum Screening von Medikamenten mit dem Ziel, die Reaktion einzelner Patienten auf eine bestimmte Behandlung vorherzusagen. Universität Basel/red L
Bourgine PE et al.: In vitro biomimetic engineering of a human hematopoietic niche with functional properties. PNAS 2018; online 4. Juni 2018.
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Pädiatrie
Ingwer hilft gegen Erbrechen bei Gastroenteritis
Ingwertropfen haben sich in einer plazebokontrollierten Studie als wirksam gegen das Erbrechen bei Gastroenteritis im Kindesalter erwiesen. Dr. med. Berni Canini, Universität Neapel, stellte die Studienresultate am Jahreskongress der ESPGHAN (European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition) in Genf vor. In die Studie wurden 150 Kinder im Alter von 1 bis 10 Jahre aufgenommen. Sie litten seit etwa vier Stunden unter Erbrechen mit Verdacht auf akute Gastroenteritis, wiesen eine leichte Dehydratation auf, waren ansonsten jedoch gesund; keines der Kinder war gegen Rotavirus oder Influenza geimpft. Je die Hälfte von ihnen erhielt entweder 20 Tropfen Ingwerlösung (10 mg Ingwer) oder 20 Tropfen Plazebo, eine halbe Stunde später wurde die orale Rehydratation gemäss der üblichen Guidelines begonnen.
Die Tropfen wurden, so lange wie nötig, weiter-
hin alle 8 Stunden gegeben.
Bereits nach der ersten Gabe der Tropfen sank
die Rate der Kinder, die danach noch ein- oder
mehrmals erbrechen mussten, im Vergleich mit
Plazebo um 20 Prozent (66,7% vs. 86,7%). Die
Dauer der Diarrhö war in der Verum- und der
Plazebogruppe zwar vergleichbar, aber die mit
Ingwer behandelten Kinder verloren trotzdem
weniger Schultage. Keines der Kinder, weder in
der Ingwer- noch in der Plazebogruppe, musste
stationär behandelt werden. Nebenwirkungen
waren keine zu verzeichnen.
RBO L
Canani RB et al.: Therapeutic efficacy of ginger on vomiting in children with acute gastroenteritis. Gastroenterology 2018; 66 (Suppl 2): 72.
Onkologie
Mit Ultraschall mehr Mammakarzinome entdecken
Die Ultraschalldiagnostik solle die Mammografie ergänzen, weil man damit bis zu 45 Prozent mehr Tumoren entdecken könne, fordern einige deutsche Gynäkologen sowie Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM). Der grosse Nutzen der Sonografie zur Krebsfrüherkennung sei viel zu wenig bekannt, heisst es in einer Pressemitteilung der DEGUM anlässlich ihrer Jahrestagung im Juni. Man kritisiert vor allem auch, dass die Krankenkassen den Nutzen der Ultraschalluntersuchung der Brust zum Zweck der Krebsfrüherkennung als «unklar» eingestuft haben. Durch die Ultraschalluntersuchung der Brust werde das Drüsen- und Bindegewebe mit hellen Echos dargestellt, Karzinome hingegen oft mit dunklen Echos. Somit entstehe ein gut sichtbarer Echokontrast. Im Gegensatz dazu zeigten sich in der Mammografie mitunter keine so klaren Kontraste zwischen dem Tumor und dem
gesunden Gewebe, weil dort die Karzinome hell
oder weiss erschienen.
Besonders bei Frauen mit dichtem Gewebe
könnten Karzinome in der Mammografieauf-
nahme durch Drüsen- und Bindegewebe verbor-
gen werden; dies betreffe fast die Hälfte aller
über 50-Jährigen. Darum sollten diese Frauen
dringend auch per Ultraschall untersucht wer-
den. Man benötige letztlich ein risikoadaptier-
tes, optimiertes Screening-Programm, in wel-
chem die Mammografie zwingend durch die
Ultraschalldiagnostik der Brust ergänzt werde,
fordert die DEGUM.
DEGUM/red L
Pressemitteilung der DEGUM vom 28. Mai 2018.
Rückspiegel
Vor 10 Jahren
Osteoporose-Gene
Forscher am King’s College in London identifizieren mehrere Genabschnitte, die mit einem erhöhten Osteoporose- und Frakturrisiko verbunden sind. Da für dieses Risiko jedoch noch zahlreiche weitere Faktoren sowie vermutlich auch noch unentdeckte Genvarianten eine Rolle spielen, erhöht sich das individuelle Osteoporose- und Frakturrisiko der Genträger nur um 10 Prozent.
Vor 50 Jahren
Schottischer Infarkt
Nach Angaben der Universität Edinburgh leidet die schottische Bevölkerung unter der weltweit höchsten Letalität von Koronarthrombosen. Trotz aller ärztlichen Kunst sterbe ein Drittel der zum Teil noch sehr jungen Herzinfarktpatienten, so der Dekan der medizinischen Fakultät. Heutzutage liegt das Vereinigte Königreich inklusive Schottland etwa im europäischen Durchschnitt, während vor allem osteuropäische Länder eine besonders hohe Rate an Herzinfarkten und kardiovaskulären Erkrankungen aufweisen.
Vor 100 Jahren
Magenschwindel
Patienten mit schmerzhaften Magenleiden
haben möglicherweise ein höheres Risiko
für Schwindel. Grund hierfür sei die Vaga-
tonie, welche die Entstehung von Ulzera
begünstige und gleichzeitig für Schwindel
prädisponiere. Das Ulkus reize die viszeralen
Vagusendigungen, was sich auf die Vestibu-
lariskerne im Gehirn übertrage.
RBO L
ARS MEDICI 12 | 2018