Transkript
AAAAI
Asthma bronchiale
Unkontrolliertes allergisches Asthma – eine Herausforderung für Diagnostik und Therapie
Im Rahmen des amerikanischen Allergiekongresses AAAAI 2018 diskutierte ein renommiertes Expertenpanel in einer interaktiven Falldiskussion einen schwierigen Fall aus der Praxis, um exemplarisch gemeinsam ein Konzept für eine erfolgreiche Behandlung zu entwickeln. Speziell für Patienten mit schwerem allergischem Asthma steht seit mehreren Jahren zusätzlich eine spezifische Anti-IgE-Therapie mit dem monoklonalen Antikörper Omalizumab (Xolair®) zur Verfügung. Im Folgenden die Quintessenz dieser Diskussion.
Asthma bronchiale ist eine heterogene, multifaktorielle Erkrankung, die durch eine chronische Entzündung der Bronchien und eine zumeist reversible Atemwegsobstruktion gekennzeichnet ist. Trotz medizinischer Fortschritte ist bei über der Hälfte der Patienten in Europa (53,5%) das Asthma nicht ausreichend kontrolliert (1), in etwa 60 Prozent aller Fälle liegt ein allergisches Asthma vor (2). Ein unkontrolliertes Asthma ist durch eine schlechte Symptomkontrolle, häufige beziehungsweise schwere Exazerbationen und Atemflusslimitationen gekennzeichnet. Aber nicht jeder Patient mit
schlecht kontrolliertem Asthma leidet tatsächlich unter schwerem Asthma. Häufig sind Faktoren wie mangelnde Therapieadhärenz, schlechte Inhalationstechnik, persistierende Trigger, noch unerkannte beziehungsweise nicht adäquat behandelte Komorbiditäten mit ähnlicher Symptomatik oder sogar eine «Falschdiagnose» für das unkontrollierte Asthma verantwortlich. Vor jeder Intensivierung einer medikamentösen Therapie beziehungsweise bei jeder Verschlechterung der Asthmakontrolle sollten daher unbedingt diese Faktoren geprüft und gegebenenfalls optimiert werden.
CongressSelection Allergologie | Juni 2018
35
AAAAI
ICS = inhalative Kortikosteroide; LABA = lang wirksame Beta-2-Agonisten; LTRA = Leukotrienantagonist; SABA = kurz wirksame Beta-2-Agonisten
Abbildung: Asthmastufentherapie bei Erwachsenen zum Erreichen der Asthmakontrolle (adaptiert nach GINA [3])
Diagnosesicherung, Adhärenz, Komorbiditäten und Trigger
Bei unkontrolliertem Asthma ist es immer wichtig, zunächst noch einmal die Diagnose zu überprüfen (Reversibilitätstestung) und mögliche Differenzialdiagnosen auszuschliessen, zum Beispiel eine COPD, Bronchiektasen oder eine Vocal Cord Dysfunction (VCD). Eine Verschlechterung der Asthmakontrolle ohne eine andere plausible Ursache kann auch an einer Schimmelpilzsensibilisierung liegen (allergische bronchopulmonale Aspergillose, ABPA). Neben der Inhalationstechnik sollte auch die Kortisonadhärenz geprüft werden. So kann unter hoch dosierten inhalativen Kortikosteroiden (ICS) ein erhöhtes FeNO (fraktioniertes exhaliertes Stickstoffmonoxid) als Biomarker der Atemwegsinflammation auf mangelnde Adhärenz hinweisen. Ferner ist zu bedenken, dass psychosoziale Faktoren und die bei unkontrolliertem Asthma oft erheblich eingeschränkte Lebensqualität sowie eine Depression die Erkrankung triggern, die Adhärenz vermindern und so den Therapieerfolg beeinträchtigen können. Insofern sind die Erfassung der Lebensqualität mithilfe von Fragebögen (z.B. Asthma Control Test, ACT) und ein Depressionsscreening wichtige Bestandteile der Diagnostik. Komorbiditäten wie eine gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD), Adipositas und obstruktive Schlafapnoe können Husten und Dyspnoe provozieren, vor allem während der Nachtruhe. Da Patienten mit allergischem Asthma zumeist auch an allergischer Rhinitis leiden, dürfen die sorgfältige Evaluierung und die adäquate Behandlung der nasalen Symptome nicht vergessen werden. Und schliesslich ist zu prüfen, ob alles getan wird, um Triggerfaktoren und die Exposition gegenüber auslösenden Allergenen und Umweltfaktoren effektiv zu vermeiden (v.a. Hausstaubmilben, Tierhaare, Schimmel, Pollen, Aktiv-/Passivrauchen, berufsbedingte Allergene, Luftverschmutzung, Schmerzmitteleinnahme).
Weiterführende Diagnostik und Therapie
Die allergologische Diagnostik mit Anamnese klinischer Beschwerden und Sensibilisierungstests (Pricktest, spezifischer IgE-Nachweis) hat auch bei fortgeschrittenem Asthma einen wichtigen Stellenwert, vor allem wenn sie bisher versäumt
wurde. Insbesondere bei schwerem und unkontrolliertem
Asthma scheint die Entzündung in den kleinen Atemwegen
(small airway disease) ein wesentlicher Zusatzaspekt zu sein.
Neben der spirometrischen Lungenfunktionsprüfung sollte
demnach eine erweiterte Lungenfunktionstestung der kleinen
Atemwege erfolgen. Hierfür kommen Bodyplethysmografie,
Impulsoszillometrie und Stickstoffauswaschtests sowie in
weiterer Folge gegebenenfalls ein Thorax-CT zum Einsatz.
Darüber hinaus ist bei Patienten mit schwerem, unkontrollier-
tem Asthma eine Sicherung des Asthmaphänotyps Vorausset-
zung für den Einsatz der gezielten spezifischen Therapie mit
Biologika – Anti-IgE-Antikörper bei allergischem Asthma mit
erhöhtem IgE oder Anti-IL-5-Antikörper bei nicht allergi-
schem Asthma mit eosinophiler Entzündung.
Die Behandlung richtet sich entsprechend der aktuellen Leit-
linien nach dem 5-stufigen Therapieschema der Global Ini-
tiative of Asthma (GINA), wobei je nach Asthmakontrolle
eskaliert oder deeskaliert wird (Abbildung) (3). Bei unkon-
trolliertem Asthma soll eine Intensivierung der Therapie dem
Stufenschema folgend empfohlen und die Asthmakontrolle
nach ein paar Monaten überprüft werden. Für Patienten mit
schwerem persistierendem Asthma, das trotz maximierter In-
halationstherapie auf Stufe 4 (ICS hoch dosiert + LABA ±
Tiotropium) nicht kontrolliert ist, stellt auf Stufe 5 die The-
rapie mit den genannten Antikörpern zusätzlich zur Basisthe-
rapie eine weitere Behandlungsoption dar. Eine systemische
Dauertherapie mit Prednison gilt aufgrund der zum Teil gra-
vierenden Nebenwirkungen heute nur noch als Alternative
zur nebenwirkungsarmen Antikörpertherapie (3). Eine spezi-
fische Immuntherapie (SIT) kann sich bei entsprechender In-
dikation ebenfalls positiv auf das Asthma auswirken – sie
braucht allerdings ihre Zeit.
Zum Schluss der Falldiskussion wiesen die Experten noch auf
die Wichtigkeit einer guten Patientenaufklärung über die Er-
krankung und deren entzündliche Komponente sowie über
die verschiedenen therapeutischen Optionen und deren Wir-
kungen hin. Definitiv müsse gemeinsam mit dem Patienten
ein Therapieplan erarbeitet werden. Besonders wichtig sei es,
dem Patienten Mut dahingehend zu machen, dass sich das
Asthma durch eine Maximierung der inhalativen Therapie
verbessern lasse und dass heute gegebenenfalls auch weitere
neue Therapien zur Verfügung stünden.
L
Gerhard Emrich
Referenzen: 1. Peters SP et al.: Real-world Evaluation of Asthma Control and
Treatment (REACT): findings from a national Web-based survey. J Allergy Clin Immunol 2007; 119(6): 1454–1461 2. Arbes SJ Jr et al.: Asthma cases attributable to atopy: results from the Third National Health and Nutrition Examination Survey. J Allergy Clin Immunol 2007; 120(5): 1139–1445 3. Global Initiative of Asthma: Global strategy for asthma management and prevention. URL: http://ginasthma.org/gina-reports/ Zugriff: 05.04.2018.
Quelle: Educational Session «New Perspectives in the Treatment of Uncontrolled Allergic Asthma: A Case-Based Discussion» (Sponsor: Genentech/Novartis) beim Jahreskongress der American Academy of Allergy, Asthma & Immunology (AAAAI), 3. März 2018 in Orlando (Florida/USA).
36 CongressSelection Allergologie | Juni 2018