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Chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen
Eine immunologische Erkrankung mit vielen Gesichtern
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Die chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (CRSwNP) wird zunehmend als heterogene Erkrankung charakterisiert mit mehreren immunologischen Entzündungsmustern, die sich durch verschiedene assoziierte Komorbiditäten wieder verändern können. Diese Entzündungsformen bilden auch die Grundlage für neue Therapiestrategien wie monoklonale Antikörper, die sich gezielt gegen Entzündungsmediatoren richten. Auf dem gemeinsamen Allergiekongress der American Academy of Allergology, Asthma & Immunology (AAAAI) und der World Allergy Association (WAO) in Orlando wurden neue Erkenntnisse aus der immunologischen Forschung bei der CRSwNP präsentiert.
Die chronische Rhinosinusitis (CRS) ist durch eine mehr als 12 Wochen anhaltende Entzündung der Nasenschleimhaut und der Nasennebenhöhlen charakterisiert. Klinisch werden zwei Phänotypen unterschieden: CRS ohne und mit Nasenpolypen (CRSsNP, CRSwNP). Weitergehend lassen sich innerhalb dieser Phänotypen nach pathomechanistischen Entzündungsformen sogenannte Endotypen charakterisieren. So ist die CRSwNP durch eine überwiegend eosinophile, polarisierte Entzündung von TH2 (T-Helfer-Zellen vom Typ 2) gekennzeichnet, wobei regelhaft auch eine neutrophile Komponente vorliegt.
Pathomechanismen der therapierefraktären CRSwNP
Ein Teil der Patienten mit CRSwNP entwickelt nach der Sinus-Chirurgie ein Rezidiv und muss erneut operiert werden. Die pathophysiologischen und immunologischen Mechanismen der Rezidivneigung sind noch weitgehend unklar. Dong-Kyu Kim aus Seoul (Südkorea) und Kollegen untersuchten, ob sich Patienten mit und ohne Rezidiv anhand des Immunprofils differenzieren lassen. Dazu verglichen sie 21 Entzündungs- und Autoimmunmarker im Polypengewebe von 86 Patienten mit und 20 Patienten ohne Rezidiv sowie 7 Kontrollen (1). Rezidivierte NP zeigten einen Shift in Richtung neutrophile TH17-polarisierte Entzündung mit Überexpression von Myeloperoxidase (MPO), IL-8 und TH17-Zytokinen im Vergleich zu primären (nicht rezidivierten) NP oder Kontrollen. Dieser Shift bestand in eosinophilen und in stärkerem Masse auch in nicht eosinophilen Rezidivpolypen. Eosinophile Entzündungsmarker wie ECP (eosinophiles kationisches Protein) und Eotaxin 1 und 2 waren hingegen in primären und rezidivierten NP ähnlich stark hochreguliert. In rezidivierten NP waren zusätzlich die Autoimmunmarker BAFF (B-Zellaktivierender Faktor der TNF-Familie) und Anti-dsDNA (Antikörper gegen doppelsträngige DNA) erhöht, am deutlichsten bei nicht eosinophilen NP. Dabei korrelierte die BAFF-Expression gut mit den TH17/TH1-assoziierten Zyto-
kinen wie IL-17A, IL-23 und IFN-γ. Zur Bestätigung der aktiven BAFF/TH17/Neutrophilen-Achse in der nasalen Entzündung wurde im CRS-Mausmodell ein Anti-BAFF-Antikörper zur BAFF-Blockade eingesetzt. Damit konnte die Expression von CXCL1, IL-23p19, IL-6, Anti-ds-DNA-IgG und die Neutrophileninfiltration effektiv inhibiert werden. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine BAFF-Hochregulierung und eine neutrophile TH1-/TH17-Polarisierung bei der Refraktärität von NP eine wichtige Rolle spielen.
Einfluss von Komorbiditäten mit Assoziation zur CRSwNP
Die CRSwNP ist als Typ-2-Entzündung häufig mit Asthma und Analgetikaunverträglichkeit (ASS/NSAR) assoziiert (2). Dupilumab ist ein monoklonaler IL-4Rα-Antikörper, der bei Asthma und atopischer Dermatitis die Typ-2-Entzündung effektiv hemmen kann. In einer Phase-II-Studie mit 60 Patienten wurde Dupilumab (300 mg subkutan 1 x wöchentlich) zur Behandlung einer therapierefraktären CRSwNP zusätzlich zur intranasalen Kortikosteroidbehandlung für 16 Wochen eingesetzt und verminderte die Polypenmasse sowie die Hauptsymptome, nasale Obstruktion und Sekretion sowie Riech- und Schlafeinschränkungen signifikant gegenüber Plazebo (p < 0,001) (3). Claus Bachert aus Gent (Belgien) präsentierte nun eine Biomarkeranalyse der Studie zur Frage des Wechselspiels zwischen CRSwNP und CRS-assoziierten Typ-2-Komorbiditäten auf immunologischer Ebene (2). In dieser Patientenkohorte mit schwerer CRSwNP war Asthma mit 58,3 Prozent die häufigste Komorbidität, danach folgten allergische Rhinitis (56,7%), Analgetikaintoleranz (31,7%) und allergische Konjunktivitis (28,3%). Der Vergleich von Patienten mit und ohne assoziierte Atopie/Typ-2-Komorbidität ergab, dass Patienten mit Assoziation höhere Baselinespiegel der Typ-2Entzündungsmarker in Blut und Nasensekret aufwiesen. Daraus könne man zwei wichtige Erkenntnisse ableiten, resümierte Bachert: Erstens hätten CRS-assoziierte Komorbiditäten einen Effekt auf die Biomarker, und zweitens sollte
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Abbildung: Natürlicher Verlauf der chronischen Sinusitis und Risikofaktoren in der Kindheit (adaptiert nach [7])
man Patienten mit CRSwNP in der Anamnese immer nach Atopie und Typ-2-Komorbiditäten fragen.
Kurzkettige Fettsäuren zur Behandlung von Nasenpolypen
Bei CRS kommt es zu einer übermässigen Fibrinablagerung, die eine entscheidende Rolle bei der Bildung der NP spielt (4). Die Freisetzung von Gewebe-Plasminogen-Aktivator (tPA: tissue plasminogen activator) aus nasalen Epithelzellen zur Initiierung der körpereigenen Fibrinolyse ist jedoch in NP herunterreguliert (5). Die medikamentöse Steigerung der tPA-Freisetzung könnte sich daher als potenzielle neue Strategie zur Behandlung von NP eignen. Zu den möglichen Kandidaten zählen unter anderem kurzkettige Fettsäuren (6). Bekannt ist, dass kurzkettige Fettsäuren über die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren GPR 41 und 43 einen Einfluss auf die Darmflora, auf den Zucker- und Fettstoffwechsel, auf Zellen des Immunsystems und auf die Krebsentstehung haben. Yoshimasa Imoto aus Fukui (Japan) und Kollegen konnten nun zeigen, dass in den nasalen Epithelzellen sowohl GPR 41 als auch GPR 43 in vitro und in vivo exprimiert werden. In weiterer Folge konnten sie anhand normaler respiratorischer Epithelzelllinien nachweisen, dass die kurzkettigen Fettsäuren Propionat, Valeriat und Butyrat die tPA-Expression besonders stark induzieren können. Dabei war der Effekt vom Vorhandensein beider Rezeptoren (GPR 41 und 43) abhängig, was mittels Gen-Silencing untersucht wurde. Damit könnten potente Wirkstoffe, die spezifisch diese Rezeptoren aktivieren, über die Förderung der Fibrinolyse zur Reduktion der Fibrinablagerung und Verkleinerung von NP wirksam sein.
Welche Faktoren führen zur Chronifizierung der Sinusitis?
Um gezielte Therapien zur Prävention von CRS beziehungsweise gegen die Chronifizierung entwickeln zu können, ist ein besseres Verständnis des natürlichen Verlaufs der Erkrankung unerlässlich. Zur Untersuchung der Ursprünge beziehungsweise der Risikofaktoren von CRS wurden 1246 gesunde Babys im Rahmen der Tucson Children’s Respiratory Study (TCRS) seit den frühen 1980er-Jahren regelmässig bis ins Erwachsenenalter untersucht (7). Zurzeit läuft der 36Jahre-Follow-up; präsentiert wurden die Daten zum 32-JahreFollow-up. Die Kohorte wurde in vier Subtypen unterteilt: keine Sinusitis (n = 621), Sinusitis nur im Kindesalter (n = 57),
Sinusitis mit Beginn im Erwachsenenalter (n = 68) und chronische Sinusitis im Kindes- und Erwachsenenalter (n = 26). Die Inzidenz der Sinusitis betrug im Kindesalter 10,8 Prozent und im Erwachsenenalter 12,2 Prozent. Eine Sinusitisdiagnose in der frühen Kindheit (0–6 Jahre) war der stärkste unabhängige Risikofaktor für eine Sinusitis im Erwachsenenalter (4,2-fache Risikoerhöhung; p < 0,0001). Nach Bereinigung um das Risiko durch frühkindliches Asthma war das Risiko immer noch um das 3,2-Fache erhöht (p = 0,001). Weitere, aber deutlich weniger starke Risikofaktoren waren Atopie (positiver Pricktest) und pfeifende Atmung (Wheezing). Die wichtigsten Risikofaktoren für chronische Sinusitis im Kindes- und Erwachsenenalter waren allergischer TH2Phänotyp (Atopie, allergische Rhinitis, Wheezing/Asthma, Ekzem) und häufige virale Infekte (≥ 4 Erkältungen pro Jahr). Dieser Phänotyp war auch stark mit der Entwicklung eines Asthmas assoziiert. Risikofaktoren für Sinusitis nur im Kindesalter waren Ekzem und allergische Rhinitis. Keine Assoziation bestand zwischen den untersuchten Risikofaktoren in der frühen Kindheit und einer Sinusitis mit Beginn im Erwachsenenalter. Die Abbildung gibt eine Übersicht zum natürlichen Verlauf der CRS und zu den frühen Risikofaktoren. Zusammenfassend scheinen eine erbliche beziehungsweise epigenetische Komponente und Umwelteinflüsse (hohe Rate von Allergien und viele virale Infekte) wichtige Faktoren für eine Chronifizierung einer Sinusitis zu sein.
Rhinovireninfektionen im Kontext der CRS
Humane Rhinoviren (HRV) sind bei Kindern und Erwachse-
nen hauptverantwortlich für Infektionen der oberen Atem-
wege, die meistens binnen 10 Tagen selbstlimitierend sind. In
einigen Fällen entwickelt sich jedoch eine chronische Rhino-
sinusitis. Jaeden Calton aus Tucson (USA) und Kollegen un-
tersuchten das saisonale Auftreten der HRV-Subtypen (HRV
A–C), ob sich diese in Hinsicht auf die Schwere der Erkältung
unterscheiden und welchen Einfluss vorbestehende Atem-
wegserkrankungen wie CRS, Asthma und allergische Rhini-
tis auf die Erkältungssymptome haben (8).
351 Patienten wurden in die Studie eingebracht, 70 Prozent
mit CRS, 67 Prozent mit allergischer Rhinitis und 46 Prozent
mit Asthma. Von 678 Schleimhautabstrichen waren 15 Pro-
zent positiv für Rhinoviren. Das Auftreten der Rhinoviren
war relativ gleichmässig über das Jahr verteilt, was Calton
auf die konstant niedrige Luftfeuchtigkeit im Südwesten der
USA zurückführte. Der Subtyp HRV-C führte häufiger zu
stärkeren Symptomen (p = 0,004 vs. HRV-A) und zu einer
verstärkten Freisetzung von epithelialen Zytokinen. Patien-
ten mit vorbestehender Atemwegserkrankung hatten einen
höheren Symptomscore. Dabei war der Effekt bei allergi-
scher Rhinitis am stärksten (p = 0,017 vs. keine Atemwegser-
krankung), was auf die Symptomüberlappung zwischen un-
terer und oberer Atemwegsinfektion zurückgeführt wird.
Weitere Biomarkeranalysen werden folgen.
L
Gerhard Emrich
Quelle: Vorträge beim Jahreskongress der American Academy of Allergy, Asthma & Immunology (AAAAI), 2. bis 5. März 2018 in Orlando (Florida/USA).
Referenzen unter www.rosenfluh.ch
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Referenzen: 1. Dong-Kyu Kim: B-cell activating factor/Th17/Neutrophils axis
plays a role in refractory nasal polyposis. AAAAI/WAO 2018, oral presentation and Abstract 287. 2. Claus Bachert: Atopic Comorbidities and Biomarkers of Type 2 Inflammation in Patients With Chronic Rhinosinusitis With Nasal Polyposis (CRSwNP) Who Failed Intranasal Corticosteroids. AAAAI/WAO 2018, oral presentation and Abstract 288. 3. Bachert C et al.: Effect of Subcutaneous Dupilumab on Nasal Polyp Burden in Patients With Chronic Sinusitis and Nasal Polyposis: A Randomized Clinical Trial. JAMA 2016; 315: 469–479. 4. Takabayashi et al.: Excessive fibrin deposition in nasal polyps caused by fibrinolytic impairment through reduction of tissue plasminogen activator expression. Am J Respir Crit Care Med 2013; 187: 49–57. 5. Yoshimasa Imoto: Airway epithelial cells enhances tissue plasminogen activator by short chain fatty acids via G protein coupled receptor 41 and 43. AAAAI/WAO 2018, oral session, Abstract 289. 6. Kruithof EK und Dunoyer-Geindre S: Human tissue-type plasminogen activator. Thromb Haemost 2014; 112: 243–254. 7. Amanda Jenkins: Early-Life Risk Factors for Chronic Sinusitis: a Longitudinal Birth Cohort Study. AAAAI 2018, oral presentation and Abstract 291. 8. Jaeden T Calton: Symptom severity from RV infections are increased in those with unified airway disease. AAAAI 2018, oral presentation and Abstract 290.
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