Transkript
KONGRESSBERICHT
AAD
Acne vulgaris
Wie sieht eine zeitgemässe Antibiotikatherapie aus?
Gemäss Leitlinien sollte gerade die Monotherapie mit Antibiotika vermieden werden. Ein speziell für die Aknetherapie entwickeltes neues Antibiotikum ist Sarecyclin, ein Tetrazyklin ohne negative Einflüsse auf das Darmmikrobiom.
«Dermatologen setzen mehr Antibiotika ein als jede andere medizinische Fachrichtung, hauptsächlich zur Therapie der Akne», dies kritisierte Dr. Neal Bhatia aus San Diego (USA) (1): Zwar unterstützt die Mehrheit der publizierten Guidelines und Konsensusempfehlungen den Gebrauch von Antibiotika zur Behandlung der inflammatorischen Akne, um die Ausbreitung von P. acnes auf der Haut zu reduzieren, sie werden jedoch nach Ansicht von Bhatia viel zu unkritisch eingesetzt. Tetrazykline werden nach wie vor als Erstlinientherapie empfohlen. Allerdings sollten ihr Einsatz und die Dauer der Verabreichung möglichst limitiert erfolgen, um die Ausbildung von Resistenzen zu vermeiden (2). «Systemische Antibiotika werden ausschliesslich zur Behandlung der mittelschweren bis schweren Akne sowie zur Behandlung der inflammatorischen Akne empfohlen, die nicht auf topische Behandlungen anspricht», erklärte Bhatia. So lauten auch die Empfehlungen in den Behandlungsrichtlinien (2). Zudem ist eine Monotherapie absolut zu vermeiden, Antibiotika sollten immer gemeinsam mit einer geeigneten topischen Behandlung, zum Beispiel mit Retinoiden oder Benzoylperoxid, eingesetzt werden. Auch eine aktuelle Publikation beschäftigt sich mit Massnahmen, um die Ausbildung von Resistenzen bei der Behandlung der Akne zu vermeiden. Die Autoren empfehlen, auf orale Antibiotika möglichst zu verzichten, solange noch andere Massnahmen ergriffen werden können. Zudem soll der Gebrauch von systemischen Antibiotika auf 3 bis 4 Monate begrenzt werden. Im Fall von Doxycyclin ist die Verabreichung subantimikrobieller Dosen empfehlenswert, die immer noch eine antiinflammatorische Wirkung aufweisen (3).
Sarecyclin: Ein neues Schmalbandantibiotikum
Sarecyclin ist ein einmal täglich oral einzunehmendes Tetrazyklin-abgeleitetes Schmalbandantibiotikum mit entzündungshemmenden Eigenschaften für die Behandlung von moderater bis schwerer Akne. Es erscheint für die Behandlung von Akne besonders geeignet, da es ein relativ enges mikrobielles Spektrum abdeckt und sich dadurch – so die Hoffnung – weniger Resistenzen entwickeln können. Eine Studie, die in der Late-Breaker-Sitzung beim Kongress vorgestellt wurde, zeigt, dass die Substanz hocheffektiv bei
mittelschwerer bis schwerer Akne ist (4). «Eine vielversprechende Eigenschaft von Sarecyclin ist die Tatsache, dass die Substanz nur eine begrenzte Aktivität gegen enterale gramnegative Bakterien aufweist. Im Gegensatz zu den traditionellen Mitgliedern der Klasse der Tetrazykline hat Sarecyclin daher keine Auswirkungen auf das Darmmikrobiom», erklärte Dr. Leon Kricik aus Indianapolis (USA). Dies könnte bedeuten, dass das neue Antibiotikum eine bessere gastrointestinale Verträglichkeit aufweist. Kricik präsentierte gepoolte Studiendaten von zwei randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Phase-III-Studien. Insgesamt wurden in diese Studien 2002 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Akne im Gesicht (mittleres Alter 19,9 Jahre) eingeschlossen. Alle Studienteilnehmer wiesen nach Einschätzung des Prüfarztes einen Scorewert von ≥ 3 sowie 20 bis 50 inflammatorische Läsionen, ≤ 100 nicht inflammatorische Läsionen und ≤ 2 Akneknoten auf. Die Patienten wurden entweder mit 1,5 mg Sarecyclin/kg/Tag oder einem Plazebo 12 Wochen lang behandelt. Als therapeutischer Erfolg galt, wenn Patienten nach Ansicht der Prüfärzte (Investigator’s Global Assessment [IGA]) eine Verbesserung um ≥ 2 Grad und einen Scorewert von 0 (= abgeheilt) oder 1 (= fast abgeheilt) erreichten. Insgesamt verzeichneten 22,2 Prozent der Patienten, die mit Sarecyclin behandelt worden waren, einen therapeutischen Erfolg, im Vergleich zu 13 Prozent der Plazebopatienten (Abbildung). Darüber hinaus wurden entzündliche Läsionen in der Verumgruppe um 50,4 Prozent reduziert, bei Therapie mit Plazebo nur um 34,7 Prozent (p < 0,0001). Bereits nach einer Einnahmedauer von 3 Wochen war Sarecyclin dem Plazebo bei entzündlicher Akne überlegen. kurz & bündig L Antibiotika werden bei Akne immer noch zu unkritisch eingesetzt. L Sie sollten immer nur in Kombination mit einer topischen Therapie und möglichst kurz verordnet werden. L Sarecyclin ist ein innovatives Tetrazyklin mit hoher Wirksamkeit, aber besserer gastrointestinaler Verträglichkeit und einer geringeren Gefahr der Resistenzbildung als klassische Tetrazykline. L Künftig könnten cannabinoidhaltige Cremes die Aknetherapie bereichern. SZD 3/2018 13 KONGRESSBERICHT AAD Sarecyclin erhöht die Rate therapeutischer Erfolge 25 22,2% 20 15 13,0% 10 5 0 Sarecyclin Plazebo Abbildung: Signifikant mehr Patienten, die mit Sarecyclin behandelt werden, erzielen im Vergleich zu Plazebo einen therapeutischen Erfolg (eine ≥ 2-gra- dige Verbesserung im Investigator’s Global Assessment sowie einen Punktwert von 0/1). Quelle: Kircik et al. 2018 (4) Eine Post-hoc-Analyse von Patienten mit mehr als 10 nicht entzündlichen Läsionen zu Studienbeginn zeigte, dass diese Läsionen in der Sarecyclingruppe bis Studienende um 34,8 Prozent zurückgingen, im Vergleich zu 26,9 Prozent unter Plazebo (p < 0,0001). «Im Lauf der Zeit nimmt der Unterschied zwischen Sarecyclin und Plazebo sowohl bei entzündlichen als auch bei nicht entzündlichen Läsionen zu», erklärte Kircik. Die häufigsten Nebenwirkungen, die beobachtet wurden, waren Übelkeit, Kopfschmerz und Nasopharyngitis. «Uns hat besonders beeindruckt, dass Sarecyclin kaum gastrointestinale Nebenwirkungen verursacht», so Kircik. Typische Tetrazyklinnebenwirkungen wie Sonnenbrand, Photosensitivität, Schwindel und Urtikaria traten bei weniger als 1 Prozent der mit Sarecyclin behandelten Patienten auf. Ein weiterer Vorteil: Vulvovaginale Candidainfektionen, wie sie häufig bei Einnahme von systemischen Antibiotika vorkommen, wurden in der Studie ebenfalls nicht beobachtet. Cannabinoide zur topischen Behandlung Neue Behandlungsoptionen eröffnen sich auch im topischen Bereich. So ist eine topische Zubereitung von Cannabidiol (CBD) und Palmitoylethanolamid (PEA) für die Behandlung von Akne und Ekzemen geeignet. Nach Ausführung von Dr. Jeanett Jacknin aus Encinitas (USA) zeigte sich in Studien eine starke antiinflammatorische Wirkung dieser Cannabisderivate (5). Die Haut verfügt über ein endogenes Cannabinoidsystem, mit dessen Hilfe die Regulation verschiedener Hormone und Proteine, einschliesslich Zytokine, gesteuert wird. Dadurch nimmt dieses System Einfluss auf immunologische Vorgänge, zelluläre Proliferation, Differenzierung und Zelltod. «Ein Ungleichgewicht dieses Systems kann zum Beispiel zu einem Akneschub führen, und die Entwicklung von topischen Cannabinoiden könnte hier regulierend eingreifen», erklärte Jacknin. In menschlichem Gewebe kommen mindestens zwei Cannbinoidrezeptoren vor, CB1 und CB2. Der CB1-Rezeptor ist vor allem für die euphorische Wirkung verantwortlich, die mit dem Konsum von Tetrahydrocannabinol (THC) verbunden ist. Im Gegensatz dazu werden CB2-Rezeptoren in der Haut, auf Immunzellen und in anderen Organen gefunden und reagieren auf CBD und viele andere Cannabinoide. Müssen Eltern von Teenagern mit Akne befürchten, ihre Kinder würden «high» von der Aknecreme? Dies ist laut Jacknin nicht der Fall, da die Zubereitungen extrem wenig oder kein THC enthalten, das für die psychoaktiven Eigenschaften von Marihuana verantwortlich ist. Bis heute wurden rund 130 verschiedene Cannabinoide entdeckt, allerdings ist die Erforschung von CBD am weitesten fortgeschritten. Dieses Cannabinoid weist eine starke antiinflammatorische und schmerzstillende Wirkung auf. 3 Studien wurden bisher zur Behandlung der Akne mit dieser Substanz durchgeführt, davon eine einfachblinde Studie, in der eine 3-prozentige Cannabiscreme mit einer Plazebocreme an der Wangenhaut verglichen wurde (6). Senkung des Sebumgehalts – Abklingen von Rötungen Durch die Anwendung der Creme reduzierte sich der Sebumgehalt signifikant, auch Rötungen gingen im Vergleich zur Plazebocreme zurück (p < 0,05). Die Zubereitungen sind auch verträglich, lediglich eine Kontaktdermatitis wurde in Einzelfällen beobachtet, die nach Ansicht von Jacknin jedoch nicht auf das Cannbinoid, sondern auf andere Produktbestandteile zurückzuführen ist. Daher ist es wichtig, Zubereitungen von einer vertrauenerweckenden Quelle zu beziehen und sie zunächst an einer kleinen, nicht sichtbaren Hautstelle zu testen, ehe das ganze Gesicht eingecremt wird. «Natürlich brauchen wir jetzt dringend doppelblinde Studien, um die Wirkung und die Sicherheit der Cannabinoide zu prüfen, bis heute hat auch keines der Produkte eine Zulassung der FDA», erklärte Jacknin. L Susanne Kammerer Referenzen: 1. Bhatia N: Oral antibiotics for acne. Vortrag F140 beim AAD Annual Meeting 2018, San Diego (USA). 2. Zaenglein AL et al.: Guidelines of care for the management of acne vulgaris. J Am Acad Dermatol 2016; 74: 945–973. 3. Thiboutot D et al.: Practical management of acne for clinicians: An international con- sensus from the Global Alliance to Improve Outcomes in Acne. J Am Acad Dermatol 2018; 78: S1–S23. 4. Kircik L: Once-daily oral sarecycline 1.5 mg/kg/day for moderate to severe acne vulgaris: pooled data from two phase 3 pivotal studies, Abstract 6680 beim AAD Annual Meeting 2018, San Diego (USA). 5. Jacknin J: Scientific studies which support the topical use of hemp, CBD, and THC for anti-aging, psoriasis, eczema, and acne. Vortrag U34 beim AAD Annual Meeting 2018, San Diego (USA). 6. Ali A et al.: The safety and efficacy of 3% Cannabis seeds extract cream for reduction of human cheek skin sebum and erythema content. Pak J Pharm Sci 2015; 28: 1389–1395. Quelle: Jahrestreffen der American Academy of Dermatology (AAD), 16. bis 20. Februar 2018 in San Diego (USA). 14 SZD 3/2018