Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Schild in deutscher Arztpraxis: «Patienten mit Diagnosen von Google werden gebeten, ihre Zweitmeinung nicht bei uns, sondern bei Yahoo einzuholen.»
sss
Zwei schwierige Abstimmungen: Geldspielgesetz und Vollgeld-Initiative. Mit dem Vollgeld ist das so eine Sache: So sympathisch die Idee ist (immerhin könnte man damit die ungeliebten Banker ganz schön ärgern) – vermutlich kann Vollgeld künftige Finanzkrisen nicht verhindern. Vermutlich ändert sich für den Konsumenten nichts. Vermutlich kriegt die Nationalbank einen andern Stellenwert. Vermutlich wird der Schweizer Franken in Krisenzeiten noch höher steigen. Vermutlich! Es scheint, «Vollgeld» ist ein zwar spannendes Experiment, vom dem aber – vermutlich – niemand weiss, was für Folgen es hat. Das heisst, es wäre – vermutlich – besser, darauf zu verzichten.
sss
Das Geldspielgesetz will die CasinoAbgaben im Land behalten und Süchtige schützen. Schon wieder: sympathisch. Erreichen will man das unter anderem mit dem Sperren ausländischer Geldspieleanbieter. Nur, leider ist das mit dem Sperren im Internet nicht so einfach beziehungsweise es ist fürchterlich einfach, Sperren zu umgehen. Ein Tipp: Wenn Sie viel im Ausland sind und sich dort geärgert haben, dass Zattoo, Wilmaa und andere TV-Anbieter Ihnen «aus rechtlichen Gründen» den Zugang zu «SRF bi de Lüüt» oder zum Fussballmatch auf SRF 2 verweigern, dann wissen Sie hoffentlich, was zu tun ist. Um auf die vollen SRF-Programme auch in Rom, Marbella oder London nicht verzichten zu müssen, installieren Sie HideMyAss oder ein anderes (kostenpflichtiges) VPN (Virtual Privat Network), wählen als Eintrittsort ins Internet ein geeignetes Land (z.B. die Schweiz), und schon merkt keiner, dass Sie gerade
etwas tun, was Sie eigentlich nicht dürfen. Über genau so ein VPN können Sie denn auch spielen, wo Sie wollen.
sss
Ein Internetbekannter, der glaubwürdig erzählt, dass Wasserbüffel gutmütig und ausgeglichen seien und, wie es heisst, kaum Stresshormone entwickelten: «Denen geht alles am Arsch vorbei. Die sind quasi dauergechilled. Wasserbüffel sind meine neuen Idole. Im nächsten Leben werde ich Wasserbüffel. Oder Faultier. Faultier geht auch.»
sss
Sie kennen Uber, den billigen Taxidienst? Mit der Uber-App können Sie einen Wagen anfordern und bezahlen nur die Hälfte des «normalen» Taxitarifs. Kein Wunder, kommen angesichts steigender Kosten einige Leute auf die Idee, die Medizin zu «uberisieren». Sie haben Schmerzen, Schwindel oder Fieber? Kein Problem, mit «Medizin-Uber» (Muber?) finden Sie rasch Hilfe. Und preiswerte dazu. Gut, es ist vielleicht nur ein Hobbyarzt mit Light-Ausbildung, der Sie berät. Ohne Versicherung, wenn etwas schiefgeht. Aber immerhin, in 95 Prozent der Fälle wird er Ihr Problem einigermassen zufriedenstellend lösen – oder zumindest nicht verschlimmern. In schwierigen Fällen … tja nun, man kann nicht alles haben. Dafür ist Muber wie gesagt äusserst kostengünstig.
sss
Sicher haben Sie von der DSGVO gehört. Besonders eifrige Newsletter-Versender verlangten letzte Woche Ihre Einwilligung für weitere Newsletter. Die weniger Eifrigen hatten bereits erkannt, dass das keine gute Idee war, weil sie damit mehr als die Hälfte der Adressaten verloren; sie beschränkten sich deshalb darauf, Sie zu informieren, dass man sich künftig auch an die DSGVO halte. Brav. Aber genau deswegen ist die
EU von Übel: Bürokraten denken sich praxisfremde Verordnungen aus, die in voreiligem Gehorsam selbstverständlich auch in der Schweiz gelten. Oft gut gemeint, meist aber kompliziert und teuer, nicht selten wirkungslos, dafür mit ungeahnten Nebenwirkungen und meist nur halbbatzig kommuniziert, weil ausser den sich selber beschäftigenden Brüsseler Beamten niemand begriffen hat, worum’s im Detail geht. Die neue Datenschutz-Grundverordnung soll unsere Daten schützen. Die Folge: Fluten von E-Mails füllten letzte Woche Cyberspace und Mailboxes. Obschon’s keinen der angeblich zu Schützenden interessierte. Wer einen Newsletter nicht mehr will, bestellt ihn ab. Basta. Wer seine Daten nicht im Netz wissen will, hält sich eh am besten davon fern. Das weiss jeder. Ärgerlich nur: Wer sich nicht an die neuen Richtlinien hält, kann gebüsst werden, auch wenn niemand genau weiss, wer für welches Versäumnis von wem weswegen angeklagt werden kann. Tja nun, IT-Leute und Juristen freut’s.
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Freund Fredi nimmt’s mit Humor: Sind eigentlich Grabsteine DSGVO-konform?
sss
Und ein Internet-User fragt besorgt: Wenn’s dank DSGVO keine Spam-Mails mehr gibt, wer sorgt sich dann um meine Karriere und um meine Potenz? Werde ich Nadja23 vom Datingportal also nie kennenlernen? Und wem schenken die Scheichs künftig ihr Erbe? Das ist doch alles nicht zu Ende gedacht!
sss
Und das meint Walti: Im Falle eines Falles ist richtig fallen alles.
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 11 | 2018