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BERICHT
Hidradenitis suppurativa/Acne inversa
Schamhaft versteckte Hautkrankheit früh diagnostizieren und behandeln
Die Hidradenitis suppurativa/Acne inversa (HS/AI) ist mit einer Prävalenz von etwa 1 Prozent keineswegs eine seltene Erkrankung, wurde aber bis vor Kurzem zu wenig beachtet und oft erst mit grosser zeitlicher Verzögerung diagnostiziert. Betroffene leiden intensiv unter den Auswirkungen dieser schmerzhaften, chronisch intermittierend verlaufenden, nicht ansteckenden Entzündungskrankheit der Haut, die in Arealen mit apokrinen Schweissdrüsen (z.B. Axillen, Inguinal-, Anogenitalregion) von den Haarfollikeln ausgeht. Betroffene Patienten profitieren von einer frühzeitig gestellten, korrekten Diagnose und der kompetenten Behandlung durch HS/AI-Experten.
Die Hidradenitis suppurativa/Acne inversa (HS/AI) betrifft als gravierende chronische Hautkrankheit die grossen Hautfalten und wird manchmal mit einer rezidivierenden Furunkulose verwechselt. Zum klinischen Bild gehören typische Mehrfachkomedonen (mit Follikelöffnungen, die unter der Haut verbunden sind), entzündliche Knoten, Abszesse, Fisteln und Vernarbungen. Tief in der Dermis und in der Subkutis bilden sich schmerzhafte Abszesse, und es entstehen persistierende, durch Keratinozyten epithelialisierte Gänge («Sinustrakte»). Entzündungsschübe breiten sich durch diese Fistelgänge, in denen sich Eiter und nekrotisches Material ansammelt, rasch im gesamten betroffenen Gebiet aus.
Topische, systemische und kombinierte medikamentös-chirurgische Therapie
Zur topischen Therapie werden Antiseptika/antiseptische Waschlösungen (z.B. Triclosan), topische Antibiotika (z.B. Clindamycin) und intraläsionale Kortikosteroidinjektionen in entzündete Knoten verwendet. Wenn die topische Therapie nicht ausreiche, würden systemische Behandlungen mit Antibiotika (z.B. Doxycyclin oder die Kombination Clinda-
Diagnosefragebogen
www.rosenfluh.ch/qr/ai
Mit einem einfachen Fragebogen, der von www.acneinversa.ch in Zusammenarbeit mit der Firma AbbVie den Arztpraxen zur Verfügung gestellt wird, können Personen mit wiederkehrenden, schmerzhaften Abszessen herausfinden, ob sie möglicherweise an HS/AI leiden und deshalb die Zuweisung an einen HS/AI-Experten angebracht ist. Auf der genannten Website sind unter dem Menüpunkt «Arztsuche» auch Adressen spezialisierter HS/AI-Sprechstunden zu finden.
mycin/Rifampicin) und mit Retinoiden (z.B. Acitretin) empfohlen, berichtete Dr. Brian Kirby, Dublin, Irland*. Weil die meisten Patienten mit HS/AI an erheblichen Schmerzen leiden, stelle das Schmerzmanagement eine wichtige therapeutische Aufgabe dar. Überdies gelte es, Superinfektionen zu behandeln, übergewichtige Patienten zur Gewichtsreduktion und Raucher zum Rauchstopp zu bewegen. In allen drei Stadien der Erkrankung (Hurley I–III) gehören in der Regel auch chirurgische Eingriffe zum individuellen Behandlungsplan (lokal auf persistierende Einzelläsionen beschränkte oder weit ausgedehnte Exzisionen).
Antientzündliche Behandlung mit Adalimumab
Das Anti-TNF-Biologikum Adalimumab ist in korrekter Dosierung bei Patienten mit aktiver mittelschwerer bis schwerer HS/AI nach unzureichendem Ansprechen auf eine Antibiotikatherapie indiziert. Es sei wichtig, dass Adalimumab nach der Therapieeinleitung jede Woche injiziert werde, betonte Brian Kirby. Für die Wirksamkeit der Adalimumabtherapie gibt es Evidenz aus randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudien. In den Studien PIONEER I beziehungsweise II erreichten in 12 Wochen 41,8 Prozent der Patienten (mit Plazebo 26,0%, p = 0,003) beziehungsweise 58,9 Prozent (mit Plazebo 27,6%, p = 0,001) eine mindestens 50-prozentige Besserung im HiSCR-Score (Hidradenitis-Suppurativa-Clinical-Response-Score: Abnahme der summierten Anzahl von Abszessen und entzündlichen Knoten, keine Zunahme der Zahl von Abszessen allein, keine Zunahme der Zahl der drainierenden Fisteln) (1).
Frühzeitige Diagnose und kompetente Behandlung
PD Dr. Ahmad Jalili aus Obbürgen (Schweiz) wies darauf hin, dass Frauen häufiger als Männer an HS/AI erkrankten**. Im Vergleich zu anderen dermatologischen Erkrankungen beeinträchtige HS/AI die Lebensqualität besonders stark, deutlich mehr als zum Beispiel die ebenfalls belastende Psoriasis. Bei Patienten mit Hurley-Stadium II sei in einer Studie
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BERICHT
KURZ & BÜNDIG
HS/AI ist eine chronisch-rezidivierende, schmerzhafte, entzündliche, eitrige und vernarbende Hauterkrankung, die von Haarfollikeln ausgeht, meist lokalisiert in den Achselhöhlen, an der Leiste, an den Genitalien, in der Gesässfalte, perianal, unter den Brüsten.
Bei den Behandlungskonzepten wurden Fortschritte erzielt, doch sind noch Bemühungen um frühzeitige Erkennung der HS/AI und Überweisung zum Spezialisten nötig.
lange zu verstecken, denn die durchschnittliche Verzögerung, bis sie einen Arzt aufsuchen, betrage 2,3 Jahre, so Jalili. Bis die korrekte Diagnose gestellt wird, verstreichen im Durchschnitt sogar 7,2 Jahre, und 3,9 Ärzte werden konsultiert. Der Referent vermutete, dass Hausärzte noch zu wenig mit dem Krankheitsbild vertraut seien, sodass Betroffene erst nach sehr langer Zeit den Weg zum Spezialisten finden. s
Alfred Lienhard
Referenz: 1. Kimball AB et al.: Two phase 3 trials of adalimumab for hidradenitis
suppurativa. N Engl J Med 2016; 375: 422–434.
ein durchschnittlicher DLQI-Wert (Dermatology Life Quality Index) von 13,1 und bei Patienten mit schwerer HS/AI im Hurley-Stadium III ein sehr hoher Durchschnittswert von 20,4 festgestellt worden. Wer als Arzt nicht in einem Zentrum arbeite, dem HS/AI-Patienten zugewiesen werden, treffe allerdings in der Praxis nicht oft auf diese schwer leidenden Patienten. Betroffene scheinen ihre Erkrankung oft
Quellen: * «Meet the experts: A discussion on best approaches for your challenging hidradenitis suppurativa cases», Satellitensymposium der Firma AbbVie im Rahmen des 26. EADV-Kongresses, 15. September 2017 in Genf. ** DACH Evening «Hidradenitis suppurativa and psoriasis: Clinical cases from Germany and Switzerland», Veranstaltung der Firma AbbVie anlässlich des 26. EADV-Kongresses, 14. September 2017 in Genf.
Breite Palette von der Fototherapie bis zu innovativen Fixkombinationen
Plaquepsoriasis – topische Therapie im Schatten der Biologika
Brauchen wir die «altmodischen» topischen Therapien mit zeitaufwendigem täglichem Eincremen zur Behandlung der Psoriasis überhaupt noch, wo doch heute hocheffektive systemische Behandlungen verfügbar sind? Diese provokative Frage stellte Prim. PD Dr. Wolfram Hötzenecker, Linz (A), an den Anfang seines Vortrags über den aktuellen Stand topischer Behandlungen und Fototherapien.
Heute ist mit Biologikatherapien sogar eine PASI-Verbesserung von 100 Prozent Realität geworden. Aber trotz der grossen Erfolge moderner systemischer Therapien würden topische Behandlungen und Fototherapien auch weiterhin benötigt, so der Referent. Mit diesen Behandlungsformen könne bei den meisten Patienten mit leichter bis moderater Psoriasis eine ausreichende Kontrolle der Krankheit erreicht werden. Die überwiegende Zahl der Psoriasispatienten weist aufgrund der Zehnerregel (BSA < 10, PASI < 10, DLQI < 10) eine leichte bis moderate Psoriasis auf. Es gilt auch zu bedenken, dass systemische Therapien Limitationen haben, zum Beispiel aktive oder anamnestische Krebserkrankung, aktive Tuberkulose, Leberschaden. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis von topischen Behandlungen und Fototherapien ist bei Patienten mit leichter bis moderater Psoriasis günstiger im Vergleich zu systemischen Therapien. Topische Therapien und Fototherapien können auch in Kombination mit systemischen Therapien genutzt werden. Topische Therapie mit Kortikosteroiden und Vitamin-D-Analoga Neben dem altbekannten Dithranol haben sich topische Kortikosteroide und Vitamin-D-Analoga bei leichter bis moderater Psoriasis als gut wirksam erwiesen. Der Referent empfahl, topische Kortikosteroide (potente der Klasse 3 und sehr potente der Klasse 4) nur auf einer kleinen Hautfläche von weniger als 10 Prozent BSA (body surface area) in einer Menge von maximal 30 g pro Woche anzuwenden. Während 4 Wochen kann täglich und anschliessend als Erhaltungstherapie 2-mal pro Woche behandelt werden. Besondere Vorsicht ist nötig bei der Behandlung von Gesicht, Körperfalten und Genitalregion. Bei richtiger Verwendung topischer Kortikosteroide ist das Nebenwirkungs- und Infektionsrisiko sehr gering. Topische Vitamin-D-Analoga haben ein sehr gutes Sicherheitsprofil. Sie können als Nebenwirkung leichte Hautreizungen auslösen. Als Kombinationstherapie mit Kortikosteroiden sind sie hochwirksam. Als Monotherapie eignen sie 360 ARS MEDICI 9 | 2018