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FORTBILDUNG
Pausieren oder weiterbehandeln?
Antirheumatische Therapie bei Rheumapatienten vor und nach Gelenkersatzoperationen
Viele Patienten mit rheumatischen Erkrankungen benötigen im Krankheitsverlauf einen Hüft- oder Kniegelenkersatz. Sollen Antirheumatika vor der Operation abgesetzt oder weiter gegeben werden? Eine aktuelle Leitlinie liefert Entscheidungshilfen.
Journal of Arthroplasty
Zwar hat der breite Einsatz von krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (disease-modifying antirheumatic drugs, DMARD) und Biologika die Lebensqualität von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), Spondyloarthritis (SpA), juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) und systemischem Lupus erythematodes (SLE) verbessert, dennoch erhalten sie häufig eine Totalendoprothese (TEP) des Hüft- oder Kniegelenks. Patienten mit rheumatischen Erkrankungen berichten über signifikante Besserungen von Schmerz und Funktion nach einer Hüft- oder Knie-TEP, doch werden bei Patienten mit RA, SpA oder SLE häufiger ungünstige Ergebnisse wie Infektion, Dislokation oder erneute Klinikeinweisung berichtet als bei Arthrosepatienten.
Infektionsrisiko möglichst niedrig halten
Zum Zeitpunkt der Gelenkersatzoperation erhielten in einer grossen orthopädischen Klinik 46 Prozent der RA-Patienten Biologika, 67 Prozent nicht biologische DMARD und 25 Prozent Glukokortikosteroide. Von den SLE-Patienten wurden 75 Prozent mit Immunsuppressiva und 15 Prozent mit Glukokortikosteroiden behandelt. Der optimale Umgang
MERKSÄTZE
ACR und AAHKS haben eine evidenzbasierte Leitlinie veröffentlicht zum perioperativen Management von Antirheumatika bei Erwachsenen mit rheumatoider Arthritis, Spondyloarthritis (inkl. ankylosierende Spondylitis und Psoriasisarthritis), juveniler idiopathischer Arthritis oder systemischem Lupus erythematodes, die sich elektiv eine Hüft- oder Knie-Totalendoprothese (TEP) einsetzen lassen.
Das optimale Management einer immunsuppressiven Therapie um den Zeitpunkt der Endoprothesenoperation bietet eventuell die Chance, das Infektionsrisiko zu reduzieren.
Zum Einsatz von Antirheumatika in der Zeit um eine Hüftoder Knie-TEP müssen künftig weitere, qualitativ hochwertige randomisierte, kontrollierte Studien durchgeführt werden.
mit diesen Medikamenten in der perioperativen Phase ist nicht bekannt. Inhärente Risikofaktoren für eine Infektion wie etwa Behinderung oder Aktivität beziehungsweise Schweregrad der Erkrankung lassen sich nicht modifizieren, doch das optimale Management einer immunsuppressiven Therapie um den Zeitpunkt der Endoprothesenoperation bietet vielleicht eine Chance, das Risiko zu reduzieren.
Evidenzlage eher mässig
In diesem Setting benötigen Ärzte eine Leitlinie zum perioperativen Management der antirheumatischen Therapie. Jedoch gibt es kaum direkte Evidenz zu dieser Frage. Derzeit existieren keine randomisierten, kontrollierten Studien zum Pausieren von Biologika bei einer Hüft- oder Knie-TEP-Operation. Dennoch erarbeitete das American College of Rheumatology (ACR) zusammen mit der American Association of Hip and Knee Surgeons (AAHKS) eine evidenzbasierte Leitlinie zum perioperativen Management von Antirheumatika bei Erwachsenen mit bestimmten rheumatischen Erkrankungen. Diese Guideline bezieht sich auf erwachsene Patienten mit RA, SpA (inkl. ankylosierende Spondylitis [AS] und Psoriasisarthritis [PsA]), JIA oder SLE, die sich elektiv eine Hüftoder Knie-TEP einsetzen lassen. In der Leitlinie wurden auch die Präferenzen von Patienten berücksichtigt. Als relevante Outcomes für diese Guideline definierten die Autoren die potenzielle Erhöhung des Infektionsrisikos durch eine kontinuierliche Medikation und das Risiko einer Exazerbation der Erkrankung, wenn die Medikation abgesetzt wurde. Ein Gremium aus Rheumatologen, operativ tätigen Orthopäden und Methodologen erarbeitete Empfehlungen zum perioperativen Einsatz von Antirheumatika, wobei traditionelle DMARD, Biologika, Tofacitinib und Glukokortikoide berücksichtigt wurden. Insgesamt formulierten die Experten sieben Empfehlungen, die jedoch alle auf Evidenz von geringer bis mässiger Qualität basieren.
Empfehlung 1
Patienten mit RA, SpA (inkl. AS und PsA), JIA und SLE, die nicht biologische DMARD erhalten Die aktuelle Dosis an Methotrexat, Leflunomid, Hydroxychloroquin und/oder Sulfasalazin sollte bei Patienten, die sich
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Kasten:
Formen des systemischen Lupus erythematodes (SLE)
Schwerer SLE Der Patient wird aktuell aufgrund schwerer Organmanifestationen behandelt (Induktions- oder Erhaltungstherapie): Lupusnephritis, zentralnervöser Lupus, schwere hämolytische Anämie (Hämoglobin < 9,9), Thrombozyten < 50 000/ml, Vaskulitis (ausser milde kutane Vaskulitis), einschliesslich pulmonaler Blutung, Myokarditis, Lupuspneumonitis, schwere Myositis (mit Muskelschwäche, nicht nur Enzymerhöhung), Lupusenteritis (Vaskulitis), Lupuspankreatitis, Cholezystitis, Lupushepatitis, Enteropathie mit Proteinverlust, Malabsorption, Inflammation/Myositis der Orbita, schwere Keratitis, schwere posteriore Uveitis/Netzhautvaskulitis, schwere Skleritis, Optikusneuritis, anteriore ischämische Optikusneuropathie.
Nicht schwerer SLE Patienten, die aktuell nicht aufgrund der oben aufgelisteten Manifestationen behandelt werden.
einer elektiven totalen Hüft- oder Knieendoprothesenoperation unterziehen, beibehalten werden. L Randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) ergaben, dass
eine Weiterbehandlung mit DMARD zum Zeitpunkt der Operation im Vergleich zu einem Absetzen der Therapie das Infektionsrisiko nicht erhöhte, sondern reduzierte (relatives Risiko [RR]: 0,39; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,17–0,91). L Häufig kommt es nach einer Operation zu einer Exazerbation der Erkrankung, und eine Weiterbehandlung mit DMARD senkt dieses Risiko. Für das Patientenpanel waren Exazerbationen jedoch signifikant weniger wichtig als Infektionen.
Empfehlung 2
RA, SpA (inkl. AS und PsA), JIA oder SLE Alle aktuell eingesetzten Biologika sollten bei Patienten, die sich einer elektiven totalen Hüft- oder Knieendoprothesenoperation unterziehen, vor der Operation abgesetzt werden. Die Operation sollte am Ende des Dosierungszyklus des spezifischen Medikaments geplant werden. L RCT (im nicht chirurgischen Setting) ergaben eine Erhö-
hung des Infektionsrisikos unter allen Biologika. L Die Vermeidung von Infektionen war Patienten mit RA
und JIA signifikant wichtiger als Exazerbationen. L Die Halbwertszeit im Serum korrespondiert möglicher-
weise nicht mit dem immunsuppressiven Effekt, daher wurde der Dosierungszyklus als Determinante für das Pausierungsintervall als relevanter angesehen.
Empfehlung 3
RA, SpA (inkl. AS und PsA) oder JIA Tofacitinib sollte bei Patienten mit RA, SpA (inkl. AS und PsA) oder JIA, die sich einer totalen Hüft- oder Knieendoprothesenoperation unterziehen, mindestens sieben Tage vor der Operation abgesetzt werden.
L Indirekte Evidenz aus systematischen Übersichtsarbeiten und Metaanalysen zu Tofacitinib versus Plazebo (oder Komparatorsubstanzen), an denen nicht chirurgische Patienten teilnahmen, ergaben unter Tofacitinib ein erhöhtes Risiko für schwere Infektionen und für Infektionen allgemein.
L Obwohl diese Substanz eine extrem kurze Serumhalbwertszeit hat, ist über die Dauer der Immunsuppression nach Absetzen des Medikaments wenig bekannt.
Empfehlung 4
Schwerer SLE (Definition siehe Kasten) Die aktuelle Dosis an Methotrexat, Mycophenolatmofetil, Azathioprin, Cyclosporin oder Tacrolimus sollte in der operativen Phase bei allen Patienten, die sich einer totalen Hüftoder Knieendoprothesenoperation unterziehen, beibehalten werden. L Das Expertenpanel stellte fest, dass hier grosse Unsicher-
heit besteht und dass es nur wenige veröffentlichte Erfahrungen hinsichtlich der Risiken gibt, die mit dem perioperativen Medikationsmanagement bei Patienten mit schwerem SLE assoziiert sind. L Entscheidungen im Hinblick auf eine elektive Operation bei schwerem SLE sollten individuell und zusammen mit dem Rheumatologen des Patienten getroffen werden.
Empfehlung 5
Nicht schwerer SLE (Definition siehe Kasten) Die aktuelle Dosis an Mycophenolat-Mofetil, Azathioprin, Cyclosporin oder Tacrolimus sollte bei allen Patienten, die sich einer totalen Hüft- oder Knieendoprothesenoperation unterziehen, eine Woche vor dem Eingriff abgesetzt werden. L Der Zeitverlauf bis zu Exazerbationen bei Patienten mit
nicht schwerem SLE ist nicht bekannt. L Die Morbidität einer Endoprotheseninfektion kann gra-
vierender sein als eine Exazerbation bei einem nicht schweren SLE. L Die genannten Medikamente können eine Woche vor der Operation abgesetzt werden, sodass sich die Immunfunktion etwas erholen kann. Wenn keine Wundheilungsstörungen und keine Infektion an der Wunde oder an anderer Stelle auftreten, kann die Medikation drei bis fünf Tage nach der Operation erneut gegeben werden.
Empfehlung 6
RA, SpA (inkl. AS und PsA), JIA oder SLE Die Biologikatherapie sollte bei allen Patienten, bei denen die Biologika vor einer totalen Hüft- oder Knieendoprothesenoperation abgesetzt wurden, erneut gegeben werden, sobald die Wunde Zeichen der Heilung zeigt (typischerweise nach etwa 14 Tagen) und alle Nähte/Klammern entfernt sind. Voraussetzung für eine Fortsetzung der Biologikatherapie ist auch, dass keine signifikante Schwellung oder Rötung vorliegt, dass keine Drainage liegt und dass es keine klinische Evidenz für eine nicht chirurgische lokale Infektion gibt. L Die Entscheidung, die antirheumatische Therapie erneut
zu geben, sollte auf einem sorgfältigen Assessment des Wundstatus basieren. Chirurgische und nicht chirurgische Infektionen im Bereich der Wunde sollten ausgeschlossen sein. Ein normaler Wundverschluss benötigt etwa 14 Tage.
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Empfehlung 7
RA, SpA (inkl. AS und PsA) oder SLE Bei erwachsenen Patienten mit RA, SpA (inkl. AS und PsA) oder SLE, die aufgrund ihrer rheumatischen Erkrankung Glukokortikoide erhalten und die sich einer totalen Hüftoder Knieendoprothesenoperation unterziehen, sollte die aktuelle Glukokortikoidtagesdosis beibehalten und perioperativ nicht auf supraphysiologische Glukokortikoiddosierungen umgestellt werden (sogenannte Stressdosierung). L Diese Empfehlung bezieht sich spezifisch auf Erwachsene
mit RA, AS und PsA oder SLE, die Glukokortikoide aufgrund ihrer rheumatischen Erkrankung erhalten. Sie bezieht sich nicht auf JIA-Patienten, die Glukokortikoide bekommen und die Glukokortikoide möglicherweise während kindlicher Entwicklungsstadien bekommen haben, oder auf Patienten, die Glukokortikoide zur Behandlung einer primären Nebennierenrindeninsuffizienz oder einer primären hypothalamischen Erkrankung erhalten haben. L Laut CDC (Centers for Disease Control and Prevention) liegt der Cut-off für eine Immunsuppression bei 20 mg Prednison/Tag über mindestens zwei Wochen. Beobachtungsstudien ergaben eine Zunahme des Risikos für Endoprotheseninfektionen bei einem langfristigen Steroideinsatz > 15 mg/Tag. L Zur optimalen Vorbereitung auf eine Hüft- oder KnieTEP-Operation sollte eine sorgfältige Reduktion der Glukokortikoiddosis vor der Operation auf < 20 mg/Tag gehören, sofern dies möglich ist.
Mehr Studien erforderlich
Die Autoren möchten ihre Guideline als Arbeitsdokument
für Ärzte und Patienten verstanden wissen, das Anhalts-
punkte dafür gibt, wie Antirheumatika in der Zeit um eine
elektive totale Hüft- oder Knieendoprothesenoperation ge-
handhabt werden können. Die Empfehlungen beruhen auf
der verfügbaren Literatur, klinischer Expertise und Erfah-
rung sowie auf Patientenwünschen und -präferenzen. Die
Tatsache, dass es auf diesem Gebiet keine qualitativ hoch-
wertige Evidenz gibt, sollte Anlass für zukünftige For-
schungsarbeiten sein.
L
Andrea Wülker
Quelle: Goodman SM et al.: 2017 American College of Rheumatology/American Association of Hip and Knee Surgeons Guideline for the Perioperative Management of Antirheumatic Medication in Patients With Rheumatic Diseases Undergoing Elective Total Hip or Total Knee Arthroplasty. J Arthroplasty 2017; 32: 2628–2638.
Interessenlage: Die referierte Originalarbeit wurde vom American College of Rheumatology und von der American Association of Hip and Knee Surgeons unterstützt. Ein Teil der Autoren hat Honorare oder Stipendien von verschiedenen Institutionen oder Pharmaunternehmen erhalten.