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KONGRESSBERICHT
EADV-Kongress 2017
Neuausrichtung der Psoriasistherapie
Biologika schaffen oft komplette Abheilung der Psoriasis
Nach einem kurzen Überblick über die Entwicklung des pathogenetischen Konzeptes im Lauf der letzten 40 Jahre fokussierte Prof. Carle Paul aus Toulouse (F) auf die aktuelle Therapie der Psoriasis mit hochwirksamen Biologika. Dabei machte er auch auf mögliche paradoxe Reaktionen bei der Behandlung mit Biologika aufmerksam.
Die Psoriasis galt vor 1980 als Erkrankung der Keratinozyten mit Hyperproliferation. Dann wurde im Jahr 1980 das T-Zell-Infiltrat entdeckt, und die Psoriasis galt fortan als eine durch T-Zellen induzierte Erkrankung, gegen die sich Anti-T-Zell-Medikamente (z.B. Ciclosporin) als wirksam erwiesen. Im Jahr 1989 wurde IL-12 entdeckt als Zytokin, das die TH1-Differenzierung stimuliert. 5 Jahre später wurde in Psoriasisläsionen vermehrt TNF-alpha festgestellt, und im Jahr 2001 konnte gezeigt werden, dass TNF-alphaAntagonisten bei Psoriasis wirksam sind. 2 Jahre danach folgte die Entdeckung, dass IL-23 die Produktion von IL-17A durch T-Zellen stimuliert. Im Jahr 2008 wurden T-Zellen, die IL-17A produzieren, in Psoriasisläsionen gefunden. Im folgenden Jahr wurde
zudem festgestellt, dass der Serumspiegel von IL17A mit dem Schweregrad der Psoriasis korreliert. Im Jahr 2010 konnte gezeigt werden, dass IL-17A-Inhibitoren bei der Behandlung der Psoriasis wirksam sind. Seither gilt die Psoriasis als eine hauptsächlich durch Th17-Zellen vermittelte Erkrankung. Parallel zum raschen Fortschritt bei den Erkenntnissen zur Pathophysiologie wurden nach der Jahrtausendwende in rascher Folge innovative Medikamente entwickelt: zum Beispiel Infliximab, Etanercept, Adalimumab, Ustekinumab, Apremilast, Secukinumab, Ixekizumab, Brodalumab, Guselkumab, Tildrakizumab und Rizankizumab.
Pathogenetisch orientierte Therapie mit Biologika
Tabelle:
Welches Biologikum bei Psoriasis wählen: IL-17- oder IL-23-Blockade?
IL-17-Blockade Wenn eine rasche Wirkung benötigt wird Wenn der Patient adhärent ist (12 bis 24 Injektionen pro Jahr erforderlich)
Wenn eine Psoriasisarthritis als Komorbidität besteht Wenn keine chronisch entzündliche Darmerkrankung als Komorbidität vorhanden ist Wenn der Wunsch nach der potenziell in der Standarddosierung erreichbaren totalen oder fast totalen Abheilung im Vordergrund steht
IL-23-Blockade Wenn der Patient jung ist
Wenn wenige Injektionen erwünscht sind (30–40% der Patienten können mit lediglich 3 Injektionen pro Jahr kontrolliert werden) Wenn keine Psoriasisarthritis als Komorbidität besteht Wenn eine chronisch entzündliche Darmerkrankung als Komorbidität vorhanden ist Wenn der Wunsch nach der möglicherweise erreichbaren Krankheitsmodifizierung besteht
(nach Carle Paul)
Das zurzeit gültige Modell der Psoriasispathogenese geht davon aus, dass Trigger wie Autoantigene oder Infektionen die dendritischen Zellen zur Produktion von Zytokinen wie IL-23 und IL-12 anregen und dadurch das Startsignal für die Psoriasis geben. IL-23 treibt dann die Produktion von Th17-Zellen an, die ihrerseits die Zytokine IL-17 und TNF-alpha bereitstellen. Die Zytokine sind verantwortlich für die Keratinozytenaktivierung und -proliferation sowie für die Rekrutierung von Entzündungszellen. Die klinische Wirksamkeit der IL-17-Blockade bei Patienten mit Psoriasis ist beeindruckend. Von den drei IL-17-Hemmern Secukinumab, Ixekizumab und Brodalumab könne aufgrund von 12-Wochen-Studiendaten ein PASI75-Ansprechen bei 80 bis 90 Prozent der Patienten erwartet werden, so der Referent. Bei 26 bis 40 Prozent der Patienten sei sogar eine komplette Abheilung der Psoriasisläsionen (PASI100-Ansprechen) zu erreichen. Bei den IL-23-Inhibitoren hätten sich in Studien, gemessen am PASI75-Ansprechen, Guselkumab (89%) und Risankizumab (88%) als effektiver erwiesen als Tildrakizumab (63%) und Ustekinumab (72%), berichtete Paul. Komplette Abheilung (PASI100-Ansprechen) sei mit Guselkumab in 36 Pro-
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zent, mit Risankizumab in 48 Prozent, mit Tildrakizumab in 14 Prozent und mit Ustekinumab in 18 Prozent erreicht worden.
Paradoxe Reaktionen bei Biologikatherapien
Mit allen TNF-Antagonisten kann es zu einer paradoxen Psoriasis kommen, wobei wahrscheinlich eine genetische Prädisposition besteht. Der Beginn variiert stark (zwischen 1 und 30 Monaten). Der Wechsel zu einem anderen TNF-Antagonisten ist mit einem hohen Rezidivrisiko von 50 Prozent verbunden. Es gibt drei hauptsächliche klinische Präsentationen: • Psoriasis-Ekzem-Überlappung mit Läsionen an
Hautfalten, Skalp, Bauchnabel, ekzemartigen Läsionen, manchmal begleitet von Kolonisierung mit Staphylococcus aureus • generalisierte paradoxe Psoriasis mit starker Entzündung, Psoriasis guttata, schwerem Skalpbefall • paradoxe palmar-plantare Psoriasis vom Plaquetyp oder mit pustulärem Befall der Hände und Füsse.
kurz & bündig
L Derzeit gilt die Psoriasis als eine hauptsächlich durch Th17-Zellen vermittelte Erkrankung, wobei die Zytokine IL-23 und IL-17 wichtige Rollen spielen.
L Mit IL-17- und IL-23-Blockern sind komplette Abheilungen (PASI100-Ansprechen) möglich geworden.
L Durch Biologika können paradoxe Psoriasis, Vitiligo oder Alopecia areata ausgelöst werden.
Biologika können auch Autoimmun-Hautkrankheiten auslösen, zum Beispiel Vitiligo (meist mit TNF-Antagonisten, selten mit IL-23- oder IL-17-Antagonisten assoziiert) oder Alopecia areata (mit TNF-Antagonisten assoziiert). Mit IL-17-Antagonisten können Exazerbationen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen und ekzemartige Eruptionen vorkommen. L
Alfred Lienhard
Quelle: Symposium «Psoriasis» beim 26. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 14. September 2017 in Genf.
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