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KONGRESSBERICHT
40th San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), 5. bis 8. Dezember 2017
Fortgeschrittener Brustkrebs
Highlight-Studien bei HER2-positivem Mammakarzinom
Am 40-Jahr-Jubiläum des SABCS wurden beim HER2-positiven, metastasierten Mammakarzinom klinisch relevante Studien zur Anti-HER2-Therapie bei Hirnmetastasen präsentiert. Dazu wurden neue Therapieoptionen für ältere Patientinnen diskutiert. Vielversprechende neue Studiendaten gab es zudem zur Immuntherapie.
Welche Patientinnen früh auf Hirnmetastasen screenen?
Patientinnen mit triplenegativem und HER2-positivem Primärtumor haben ein sehr hohes Risiko, zerebrale Metastasen zu entwickeln. Hirnmetastasen verschlechtern die Prognose erheblich. Ein generelles ZNS-Screening wird derzeit aber nicht empfohlen. Wertvolle Hinweise darauf, bei welchen Risikopatientinnen ein frühes Screening dennoch sinnvoll sein könnte, liefert eine retrospektive Analyse aus einer Fallserie des belgischen Jules-Bordet-Instituts (1). Dort wurden im Zeitraum von 2000 bis 2014 insgesamt 502 Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom behandelt, die von Mauer und Kollegen hinsichtlich Krankheits- respektive Risikomerkmalen, Therapieregime und Behandlungsergebnis ausgewertet wurden. Das mediane Alter lag in der Gesamtpopulation bei 52 Jahren. Gut ein Drittel (n = 138/27%) war metastasiert, und schliesslich waren 47 Patientinnen (14,6%) von Hirnmetastasen betroffen. Bei 12 Patientinnen war das Gehirn der erste und bei 3 der einzige Metastasierungsort. Patientinnen mit Hirnmetastasen wurden mit lokalen Therapien (Ganzhirnbestrahlung, stereotaktische Radiochirurgie, Neuro-
chirurgie) in Kombination mit Anti-HER2Therapien behandelt. Bei den Risikofaktoren für Hirnmetastasen wurde unterschieden zwischen Patientinnen mit einer Hirnmetastasierung bereits bei Erstdiagnose und Patientinnen, die erst im Verlauf Hirnmetastasen entwickelten. Die wichtigsten Risikofaktoren im erstgenannten Fall waren De-novo-Metastasierung und postmenopausales Alter und im zweitgenannten Fall zusätzlich Lungenmetastasen und ein Alter < 40 (Tabelle). Keinen Einfluss hatten dagegen der Hormonrezeptorstatus, die Menge der HER2Amplifikation oder die Art der Systemtherapie (Chemotherapie, Anti-HER2Therapie). Das Gesamtüberleben wurde durch die Systemtherapie signifikant verbessert, wobei der Effekt unter Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren deutlich stärker war (HR: 0,13; p < 0,0001) als unter Trastuzumab (Herceptin®) und/oder Pertuzumab (Perjeta®) (HR: 0,53; p = 0,108). Nach Ansicht der Studienautoren wären weiterführende, randomisierte Studien zum ZNS-Screening bei Risikopatientinnen notwendig, aber schwierig umzusetzen. Die Ergebnisse dieser Studie würden aber darauf hinweisen, dass ein Screening für junge Patientinnen mit Lungen- Tabelle: Risikofaktoren für Hirnmetastasierung bei HER2-positivem Mammakarzinom (adaptiert nach [1]) Zum Zeitpunkt der Erstdiagnose Auftreten im Verlauf bereits vorhanden der metastasierten Erkrankung De-novo-Metastasierung (HR: 4,46; p < 0,0001) Lungenmetastasen (HR: 2,61; p = 0,0004) Postmenopause (HR: 16,65; p < 0,0001) Postmenopause (HR: 1,90; p = 0,0464) Adjuvante Brustbestrahlung (HR: 1,79; p = 0,0198) Alter < 40 (HR: 1,78; p = 0,0353). > 1 Jahr Abstand zwischen Erstdiagnose und
Metastasierung (HR: 1,91; p = 0,0179)
Keinen Einfluss haben: Hormonrezeptorstatus, HER2-Amplifikationsgrad, Tumorgrad, Art der Therapie
(Chemotherapie, Anti-HER2-Therapie).
metastasen in der klinischen Praxis sicherlich sinnvoll sein könnte.
Wie Hirnmetastasen behandeln?
Früher wurde angenommen, dass kleine Moleküle wie Lapatinib (Tyverb®; EGFR/ HER2-Inhibitor) besser die Blut-HirnSchranke überwinden als grosse Antikörper. Mittlerweile ist bekannt, dass die Blut-Hirn-Schranke bei bestehenden Metastasen und nach Ganzhirnbestrahlung nicht mehr intakt ist und auch für grössere Moleküle wie T-DM1 und Trastuzumab gut durchlässig ist. Beim SABCS wurden zwei interessante Studien zur Behandlung von Hirnmetastasen vorgestellt: eine Metaanalyse zur Kombinationstherapie mit Lapatinib und Capecitabine (LapCap) (2) sowie eine italienische Multizenterstudie zur zerebralen Wirksamkeit von T-DM1 (3). In die Metaanalyse (2) konnten nach systematischer Literaturrecherche (MEDLINE, EMBASE, Kongressabstracts) 10 Studien eingeschlossen werden, die bei insgesamt 513 Patientinnen mit HER2positivem Mammakarzinom und Hirnmetastasierung die Wirksamkeit von LapCap in der Erstlinientherapie (LANDSCAPE-Studie, n = 45) oder Zweitlinientherapie (9 Studien, n = 468) untersuchten. In der Gesamtkohorte lag das objektive ZNS-Ansprechen bei 26%, mit einer partiellen Remission in 24% der Fälle. Bei 37% der Patientinnen konnten die Hirnmetastasen stabilisiert werden, und nur 19% waren primär progredient. Die höchsten Ansprechraten zeigten sich bei den 45 nicht vorbestrahlten Patientinnen der LANDSCAPE-Studie (bei 53% objektives, bei 49% partielles Ansprechen). Bei ihnen konnte auch die Ganzhirnbestrahlung im Median um 8 Monate hinausgezögert werden (Bachelot T et al., Lancet Oncol. 2013), was angesichts der schlechten Prognose klinisch relevant sein dürfte. In der von Fabi und Kollegen präsentierten multizentrischen Studie mit 303 Patientinnen aus 24 Zentren in Italien wurden mit T-DM1 (Kadcyla®) in der Gruppe mit
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Hirnmetastasen (n = 87) ähnlich gute Ansprechraten erreicht wie in der Gruppe ohne Hirnmetastasen (n = 216). Die Gesamtansprechrate betrug 35,1% versus 38,3% und die klinische Benefitrate 50,6% versus 52,3%. Patientinnen ohne zerebrale Metastasen schienen aber etwas länger anzusprechen (medianes PFS: 8 vs. 7 Monate). Interessant war die Beobachtung, dass das Ansprechen auf T-DM1 nach LapCap (T-DM1 in der Drittlinie) deutlich besser war (12% mit Hirnmetastasen vs. 13% ohne Hirnmetastasen) als mit T-DM1 in der Zweitlinie (5% vs. 11%). Hinsichtlich der zerebralen Wirksamkeit von T-DM1 wurde bei den auswertbaren Daten von 53 Patientinnen mit messbaren Hirnläsionen in über der Hälfte der Fälle (54,7%) eine Krankheitskontrolle erreicht (2 komplette und 14 partielle Remissionen, 13 Stabilisierungen). Bei 24 Frauen waren die Hirnmetastasen progredient. Zusammenfassend ist LapCap in der Erst- und Zweitlinientherapie von Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom und Hirnmetastasierung wirksam. Auch für T-DM1 bestätigte sich die gute intrakranielle Wirksamkeit, wobei in der Studie von Fabi ein scheinbar besseres Ansprechen nach LapCap beobachtet wurde. Diese Beobachtung ändert aber vorerst sicherlich nichts an der derzeitigen Empfehlung, T-DM1 in der Zweitlinientherapie einzusetzen. Es besteht aber ein Hinweis darauf, dass T-DM1 auch nach LapCap-Gabe noch wirksam ist.
Therapieoptimierung bei älteren, fragilen Patientinnen
Die doppelte HER2-Blockade mit Trastuzumab und Pertuzumab plus Taxan-Chemotherapie ist der empfohlene Erstlinienstandard bei postmenopausalen Patientinnen mit HER2-positivem metastasiertem Mammakarzinom. Ältere und gebrechliche Patientinnen haben durch die konventionelle Chemotherapie ein höheres Risiko für Nebenwirkungen und benötigen daher verträglichere Alternativen. Wildiers und Kollegen verglichen in einer Phase-II-Studie (4) mit 80 älteren Patientinnen (> 70 bzw. > 60 und fragil) eine duale HER2-Blockade mit Trastuzumab/ Pertuzumab plus metronomisches Cyclophosphamid (TPM) gegenüber der allei-
nigen dualen HER2-Blockade (TPM vs. TP). Das mediane Alter lag bei 76 Jahren, 69% waren hormonrezeptorpositiv und 93% viszeral metastasiert. Patientinnen mit Progress erhielten eine Zweitlinientherapie mit T-DM1 und wurden als Kontrolle weitergeführt. Im primären Endpunkt, dem progressionsfreien Überleben (PFS) nach 6 Monaten, zeigte sich eine deutliche Überlegenheit zugunsten von TPM – und dass auch diese ältere Patientenpopulation noch ein PFS von über einem Jahr erreichen kann (medianes PFS: 12,7 vs. 5,6 Monate; PFS-Rate: 73,4% vs. 46,2%). Die einzige häufiger auftretende Nebenwirkung war Diarrhö mit einer Inzidenzrate von 71% (12% ≥ Grad 3) unter TPM versus 56% (8% ≥ Grad 3) unter TP. Es wurde keine Neutropenie Grad 3 oder febrile Neutropenie verzeichnet, allerdings erlitten zwei Patientinnen im TPM-Arm ein Herzversagen. Damit könnte TPM (plus T-DM1 bei Progress) bei älteren und fragilen Patientinnen zu einem gut verträglichen neuen Standard werden.
Immuntherapie wird auch bei HER2-positivem Brustkrebs eine Rolle spielen
Die Immuntherapie mit PD1-Antikörpern scheint auch bei HER2-positivem Mammakarzinom zumindest für einen Teil der Patientinnen ein Erfolg versprechender Therapieansatz zu sein. Sherene Loi und Kollegen, Australien, präsentierten die Ergebnisse der PANACEA/Keynote-014-Studie (5). In dieser zwar frühen, aber bedeutsamen PhaseIb/II-Studie wurde der PD1-Inhibitor Pembrolizumab (Keytruda®) in Kombination mit Trastuzumab bei 58 Trastuzumab-resistenten Patientinnen mit fortgeschrittenen HER2-positiven Tumoren in Abhängigkeit vom PD-L1-Status untersucht. Während in der PD-L1-negativen Gruppe (n = 12) kein Effekt gesehen wurde, zeigten Patientinnen in der PD-L1-positiven Gruppe (n = 40) ein für dieses stark vorbehandelte Patientenkollektiv beachtliches Ansprechen auf Pembrolizumab mit einer Gesamtansprechrate von 15% und einer Krankheitskontrollrate von 24%. Patienten mit Therapieansprechen profitierten auch von einer oft mehrere Monate anhaltenden Tumorkontrolle (im
Median 11,1 Monate), unabhängig vom Hormonrezeptorstatus. Auch im Gesamtüberleben (OS) ergab sich ein signifikanter Unterschied zwischen PD-L1-positiven und PD-L1-negativen Patientinnen (medianes OS: 16,1 vs. 7 Monate; 1-Jahres-Rate: 65 versus 12%; p = 0,0006). Beim medianen PFS bestand nur ein geringer Unterschied (medianes PFS: 2,7 vs. 2,5 Monate; p = 0,07). Neben der PD-L1-Expression könnte sich auch die Lymphozyteninfiltration (tumorinfiltrierende Lymphozyten, TIL) als prädiktiver Biomarker für das Ansprechen auf Pembrolizumab eignen. Bei TIL-Level ≥ 5% lagen die Gesamtansprechrate und die Krankheitskontrollrate bei 39% respektive 47% (vs. je 5% bei TIL-Level < 5%). Allerdings wiesen die meisten Patientinnen niedrige TIL-Spiegel in den biopsierten Metastasen auf, sodass stark vorbehandelte metastasierte HER2-positive Tumoren insgesamt nur wenig immunogen sein dürften, wie Loi erklärte. Vermutlich ist Pembrolizumab in früheren Erkrankungsstadien aufgrund eines noch relativ intakten Immunsystems mit höherer Lymphozyteninfiltration noch wirksamer sein, so Loi abschliessend. I Gerhard Emrich Quelle: 40th San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), San Antonio/Texas, 5. bis 8. Dezember 2017. Referenzen: 1. Maurer C et al.: Risk factors for the development of brain metastases (BM) in 506 patients with HER2-positive breast cancer (HER2+ BC): A single institutional retrospective analysis. SABCS 2017; abstract #P107-11. 2. Thein KZ et al.: Efficacy of lapatinib and capecitabine combination therapy in brain metastases from HER-2 positive metastatic breast cancer: A systematic review and meta-analysis. SABCS 2017; abstract #P1-07-08. 3. Fabi A et al.: Ado-trastuzumab emtansine (TDM-1) treatment and brain metastases in HER2 positive metastatic breast cancer patients: Final analysis of an italian multicenter study. SABCS 2017; abstract #P107-02. 4. Wildiers H et al.: Pertuzumab and trastuzumab with or without metronomic chemotherapy for older patients with HER2-positive metastatic breast cancer: Results from the EORTC 75111- 10114 ETF/BCG randomized phase II study. SABCS 2017; abstract #PD309. 5. Loi S et al.: Phase Ib/II study evaluating safety and efficacy of pembrolizumab and trastuzumab in patients with trastuzumab-resistant HER2-positive metastatic breast cancer: Results from the PANACEA (IBCSG 45-13/KEYNOTE-014) study. SABCS 2017; abstract #GS2-06. 26 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2018