Transkript
EADV
KURZ & BÜNDIG
Chronischer Pruritus (über 6 Wochen dauernd) kann dermatologische, systemische, neuropathische oder psychogene Ursachen haben.
Empfohlen wird ein stufenweises Therapiekonzept mit Vermeidung von Triggerfaktoren, Basistherapie, Behandlung der ursächlichen Erkrankung, erweiterter Antipruritustherapie und psychosomatischer Therapie.
Gezielte Antipruritustherapien befinden sich in der Entwicklung.
Als Basistherapeutika stärken Emollienzien und Befeuchtungsmittel die Hautbarriere, und Lokalanästhetika, Capsaicin und Kühlmittel (z.B. topisches Menthol) lindern den Pruritus kurzfristig. Im Rahmen der erweiterten Antipruritustherapie reduziert Schmalspektrum-UV-B 311 nm den Pruritus sehr wirksam. Immunsuppressiva (z.B. Ciclosporin, Azathioprin) hemmen die Entzündungsreaktion in der Haut und lindern dadurch den Pruritus. Zentral wirksame Medikamente zur Prurituslinderung sind Antikonvulsiva (z.B. Gabapentin, Pregabalin), Antidepressiva (z.B. Paroxetin, Mirtazapin, Amitriptylin) und Opiatantagonisten (z.B.
Naltrexon). Detaillierte Empfehlungen zur Therapie des chronischen Pruritus sind in einer europäischen Leitlinie zu finden (2).
Therapeutische Zukunftsperspektiven
Derzeit wird untersucht, wie der Pruritus durch Beeinflus-
sung verschiedener Zielmoleküle wirksam gelindert werden
kann (Kasten).
Beispielsweise linderte der IL-4/IL-13-Blocker Dupilumab in
klinischen Studien bei Patienten mit atopischer Dermatitis den
Pruritus als eines der ersten Symptome rasch und nachhaltig,
berichtete Homey. Auch die Hemmung des IL-31-Signalpfads
(z.B. durch Nemolizumab) bildet eine wirksame Therapie des
chronischen Pruritus bei atopischer Dermatitis.
L
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Yosipovitch G et al.: Chronic pruritus. N Engl J Med 2013; 368:
1625–1634. 2. Weisshaar E et al.: Update of the EPF (European Dermatology
Forum) Guideline on Chronic Pruritus, 2014, www.euroderm.org
Quelle: Vortrag «Rational approaches to pruritus» in der ESDR-Session «Translational dermatology» beim 26. Kongress der European Academy of Dermatology
and Venereology (EADV), 15. September 2017 in Genf.
Ausweitung des Verbots von Methylisothiazolinon gefordert
Methylisothiazolinon (MI) ist ein Konservierungsmittel, das lange Zeit – auch als Ersatz für die in Verruf geratenen Parabene – Kosmetika zugesetzt wurde. Es wurde ursprünglich als Mischung zusammen mit Chlormethylisothiazolinon (CMIT bzw. MCI) verwendet. Nachdem zunächst MCI als Ursache für schwere allergische Reaktionen ausgemacht wurde, ging man immer mehr dazu über, MI alleine zur Konservierung einzusetzen, da man hier von einer niedrigeren allergenen Potenz ausging. Allerdings war MI auch als Konservierungsmittel weniger potent als MCI, sodass es wiederum in höheren Konzentrationen verwendet wurde. Eine Regulierung der Höchstmenge gab es erst ab 2005 – damals wurde sie auf 100 ppm festgelegt. Dennoch wurden auch weiterhin viele schwere Kontaktallergien beobachtet. Zwei europäische Multizenterstudien, die 8680 beziehungsweise 7874 Teilnehmer erfassten, zeigten eine Zunahme der Kontaktallergien auf MI, mit einer Sensibilisierungsrate von etwa 6 Prozent im Jahr 2012 und von 7 Prozent im Jahr 2013 (1). Zum Teil wurden teilweise noch wesentlich hö-
here Raten berichtet, betonte Professor An Goossens aus Leuven (B). Diese Erkenntnisse führten zu einem Verbot der MCI/MI-Mischungen im Juli 2015 sowie von MI im Februar 2017, berichtete Goossens weiter. Diese Massnahmen wurden allerdings in Fachkreisen als nicht ausreichend erachtet, so Goossens weiter: «Das Verbot des Einsatzes von Methylisothiazolinon musste ausgeweitet werden, mit strengeren Regelungen zur Verwendung dieser Substanz in auswaschbaren Produkten.» Bei solchen Produkten ist derzeit noch eine maximale Konzentration von 15 ppm für MCI/MI beziehungsweise von 100 ppm für MI als Einzelsubstanz zulässig. Im Mai 2017 wurde eine Studie publiziert, die eine klinisch relevante Rate an Kontaktallergien gegen MI in europäischen Ländern gezeigt hat (2). Die gefundenen Kontaktallergien traten auch dann auf, wenn die Betroffenen lediglich abwaschbare Produkte, die MI oder MCI/MI enthielten, verwendeten. Schliesslich gibt es Personen, die so häufig Kontakt zu solchen abwaschbaren Produkten haben, dass die Exposition schon fast an den Kontakt durch Produkte,
die auf der Haut verbleiben, heranreicht –
zum Beispiel Friseure und Haarpflege-
produkte oder Pflegepersonal und Flüssig-
seifen.
Diese Beobachtungen zeigen, dass die Ober-
grenze in abwaschbaren Produkten immer
noch zu hoch ist, warnte Goossens: «Wir
Dermatologen glauben, dass die Maximal-
konzentration für abwaschbare Produkte
nicht über 15 ppm liegen sollte.» In der EU
wurde im Juli 2017 dieser neuen Höchst-
grenze zugestimmt, und sie soll in entspre-
chenden Richtlinien ab April 2018 umge-
setzt werden. Darüber hinaus soll die Ver-
wendung vom MI in Spielzeug für Kinder
unter 3 Jahren verboten werden. AZA
Referenzen: 1. Aerts O et al.: Contact allergy caused by
methylisothiazolinone: the Belgian-French experience. Eur J Dermatol. 2015; 25(3): 228–233. 2. Schwensen JF, Uter W, Bruze M et al.: The epidemic of methylisothiazolinone: a European prospective study. Contact Dermatitis 2017; 76(5): 272–279.
Quelle: Kongress-Pressekonferenz beim beim 26. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 15. September 2017 in Genf.
20 CongressSelection Dermatologie | Januar 2018