Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Ein Freund, der sich zur Jahreswende etwas zu intensiv seines Geburtsdatums bewusst wurde: Wenn jemand sagt «vor zehn Jahren …», denke ich sofort an die 90er. Geht dir das auch so?
LLL
Von den vielen guten Wünschen fürs neue Jahr hier ein wirklich schöner: «May your coming year be filled with magic and dreams and good madness.» (Möge das nächste Jahr dich mit Magie, Träumereien und einer guten Portion positiver Verrücktheit begleiten.)
LLL
Unvergleichlich sind dagegen Sätze wie der folgende (nicht ganz aktuelle): «Das vergangene Jahr war ein sehr herausforderndes Jahr. Auch dieses Jahr ist es so, aber wieder anders als im letzten Jahr; und ich darf Ihnen die schöne Aussicht in die Zukunft sagen, dass nächstes Jahr wieder ein ganz besonderes Jahr wird. Also denken Sie nicht, dass es einfacher wird, aber es wird immer wieder anders.» (Googeln Sie bitte selber nach der Quelle dieses Satzes!)
LLL
Auch so was Ähnliches wie das Wort zum neuen Jahr – von Karl Kraus und daher nicht nach jedermanns/jederfraus Geschmack: «Die Aufgabe der Religion: die Menschheit zu trösten, die zum Galgen geht; die Aufgabe der Politik: sie lebensüberdrüssig zu machen; die Aufgabe der Humanität: ihr die Galgenfrist abzukürzen und gleich die Henkersmahlzeit zu vergiften.»
LLL
Und noch eine Lebensweisheit: Alle Menschen sind klug – die einen vorher, die anderen nachher.
LLL
Mit diesen Begriffen hat sich das Jahr 2017 (vermutlich) unsterblich gemacht: Bitcoin, No-Billag, MeToo, Fidget Spinner, Emmanuel Macron und – speziell in der Schweiz: Polo Hofer und Hornkuh-Initiative.
LLL
Neu in den Duden aufgenommen wurden rund 5000 Wörter. Dazu gehören Arschrunzeln, Couchsurfing, gegenchecken, Kopfkino, Lügenpresse, Merkel, ovovegetarisch, postfaktisch, queer, Selfie, Willkommenskultur, WhatsApp, groovig, Darknet, Emoji, Tikitaka, Undercut, Hashtag, Wutbürger und andere. Einige der Begriffe kommen einem schon heute ziemlich alt vor.
LLL
Ansonsten hat sich 2018 gegenüber dem Vorjahr wenig geändert. Die deutschen Staatsmedien erklärten bereits am 2. Januar wieder (wörtlich): «Unsere Informationen basieren – im Gegensatz zu andern – auf Fakten.» Noch immer also die gleichen Illusionen, noch immer die gleiche Arroganz. Als ob es – erstens – objektive Fakten gäbe und – zweitens – nur die staatlichen Medien darüber verfügten. Warum nicht ein bisschen Bescheidenheit und Demut in Fragen des «Was ist geschehen?» und «Wer ist schuld?» und erst recht des «Was ist wichtig(er)?». Natürlich sind WIR alle sicher, «es» zu wissen und Recht zu haben. Nur leider alle andern genau so. Deshalb vielleicht ein Vorsatz für 2018: Statt garantiert erfolglos versuchen, andere notfalls mit Gewalt von den eigenen Fakten überzeugen, Zweifel an allen – auch den eigenen Fakten – zulassen.
LLL
Der vielleicht lustigste FacebookKommentar zur WEF-Teilnahme von Donald Trump: «Söll emol cho!» (Für Leser, die 1977 die Samstagabende
noch nicht mit Kurt Felix vor dem Fernseher verbrachten: www.youtube.com/ watch?v=a_CAD5OkQ90 schlägt jeden Lacher über Trump um Längen!)
LLL
Vor rund 50 Jahren wurde Che Guevara, Pädiater, Revolutionär, Guerillaführer, von bolivianischen Soldaten exekutiert. Che war Mitte der Sechzigerjahre für uns eine der wichtigsten politischen Figuren. Die Zeitschrift «Time» zählte ihn 1999 gar zu den hundert einflussreichsten Menschen des 20. Jahrhunderts. Und sein Foto von Alberto Korda gilt als berühmtestes fotografisches Abbild einer Person überhaupt. Kennt man Che heute noch? Eine Strassenumfrage bei Teenies ist ernüchternd. Von «keine Ahnung» über «ein Diktator?» bis zu «Ich weiss nöd, wär grad aktuell isch» reichen die Antworten. Tja, nicht nur Individuen vergessen, offenbar gibt es auch sowas wie ein gesellschaftliches Alzheimer-Syndrom.
LLL
Und das meint Walti: Es ist sinnlos, die Eier eines Eunuchen zu kraulen.
Richard Altorfer
8 ARS MEDICI 1+2 | 2018