Transkript
Kongressbericht
ESMO 2017 – Jahreskongress der European Society for Medical Oncology, Madrid, 8. bis 12. September 2017
Malignes Melanom
Sehr gute Ergebnisse in der adjuvantenTherapie
In einer der drei Präsidentensitzungen der diesjährigen ESMO-Jahrestagung wurden drei Studien zur adjuvanten Behandlung von Patienten mit malignem Melanom präsentiert. Wie auch schon im fortgeschrittenen Setting wurden herausragende Ergebnisse sowohl mit zielgerichteten als auch immunonkologischen Substanzen erreicht, die zeigen, dass die Prognose von Melanompatienten weiterhin verbessert werden kann.
Melanompatienten im Stadium III haben auch bei R0-Resektion ein hohes Risiko für ein Rezidiv und werden letztlich an der metastasierten Erkrankung versterben. Die 5-Jahres-Rückfallrate für Patienten im resektablen Stadium IIIB beträgt 68% und im Stadium IIIC 89% (1). Die bisher zugelassenen adjuvanten Therapien mit Interferon und in den USA zudem bereits mit Ipilimumab werden aufgrund moderater Wirksamkeit und relativ hoher Toxizität wenig eingesetzt, sodass eine wirksame und nebenwirkungsarme adjuvante Therapie dringend notwendig ist.
BRAF-Inhibitor-Monotherapie verlängert krankheitsfreies Überleben
Die internationale, doppelblinde Studie BRIM8 untersuchte Vemurafenib in einer Kohorte von 314 BRAF-V600-mutierten Patienten im Stadium IIC, IIIA und IIIB sowie in einer zweiten Kohorte von 184 Patienten mit Tumoren im Stadium IIIC (2). Alle Patienten erhielten randomisiert über ein Jahr Vemurafenib (960 mg, 2 x tägl./bid) oder Plazebo. Primärer Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben (DFS) in der ersten Studienkohorte. Die gepoolte Auswertung beider Kohorten zeigte die Überlegenheit der Therapie mit dem BRAF-Inhibitor Vemurafenib gegenüber Plazebo (HR = 0,65; p = 0,0013). Nach 1 Jahr waren 82,2% versus 63,1% der Patienten und nach 2 Jahren 62,2% versus 53,1% krankheitsfrei. Innerhalb der ersten Kohorte betrug die DFS-Rate nach 1 Jahr 84,3% (vs. 66,2%), nach 2 Jahren 72,3% (vs. 56,5%) und nach 3 Jahren 61% versus 54% (HR = 0,54; p = 0,0010). Bei Patienten der zweiten Kohorte war ein Effekt der adjuvanten
Vemurafenib-Gabe nur nach 1 Jahr sichtbar, und es konnte kein signifikanter DFS-Vorteil gezeigt werden (HR = 0,80; p = 0,2598). Das mediane PFS betrug bei diesen Patienten mit Stadium-IIIC-Tumoren 23,1 gegenüber 15,4 Monaten.
Gesamtüberlebensvorteil mit BRAF/MEK-Blockade
Mit der Blockade von BRAF und MEK wurden bereits im fortgeschrittenen Setting bessere Ergebnisse für die Kombination gegenüber der alleinigen AntiBRAF-Therapie gezeigt. In der Phase-IIIStudie COMBI-AD wurde die BRAF/ MEK-gerichtete Kombination von Dabrafenib und Trametinib nun in der Adjuvanz randomisiert gegen zwei gematchte Plazebos untersucht (3). Maximal 12 Wochen vor Randomisierung vollständig resezierte Patienten mit Melanom im Hochrisikostadium IIIA, IIIB oder IIIC wurden bis zu einer Dauer von 12 Monaten mit Dabrafenib (150 mg bid) plus Trametinib (2 mg qd) oder Plazebo behandelt. Primärer Endpunkt war das rezidivfreie Überleben (RFS). Wurde der primäre Endpunkt erreicht, so war auch die Auswertung des Gesamtüberlebens (OS) geplant. Die eingeschlossenen 870 Patienten waren im Median 50 Jahre alt, wiesen hauptsächlich BRAF-V600E-Mutationen (91%) und seltener BRAF-V600K-Muationen (9%) auf. 18% der Patienten befanden sich im Stadium IIIA, 41% im Stadium IIIB und 40% im Stadium IIIC. Bei 41% der Patienten waren 1 Lymphknoten, bei 35% 2 bis 3 Lymphknoten und bei 17% ≥ 4 Lymphknoten involviert. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 2,8 Jahren waren im Verumarm 14% der Patienten und im Plazeboarm 22% der
Patienten verstorben. Insgesamt 13% der Patienten hatten die Studie abgebrochen, hauptsächlich aufgrund des entzogenen Einverständnisses. Das rezidivfreie Überleben war im Verumarm signifikant überlegen (HR = 0,47; p < 0,0001). Nach 1 Jahr waren 88% (vs. 56%) der Patienten rezidivfrei, nach 2 Jahren 67% (vs. 44%) und nach 3 Jahren 58% (vs. 39%). Dieses Ergebnis bestätigte sich in allen untersuchten Subgruppen, darunter in allen drei Tumorstadien. Das Risiko zu versterben konnte durch die BRAF/MEK-Blockade laut erster Zwischenanalyse zum Gesamtüberleben um 43% reduziert werden (HR = 0,57; p = 0,0006). Es lebten nach 1 Jahr 97% (vs. 94%) der Patienten, nach 2 Jahren 91% (vs. 83%) und nach 3 Jahren 86% (vs. 77%). Innerhalb der Studienteilnehmer mit Krankheitsrückfall erhielten 74% der Patienten beider Studienarme eine systemische Antitumortherapie nach dem Rezidiv. Nebenwirkungen vom Grad 3 und 4 traten bei 41% (vs. 14%) der Patienten auf, Nebenwirkungen, die zum Therapieabbruch führten, bei 26% (vs. 3%). Doppelte CheckpointBlockade bringt Überlebensvorteil Ebenfalls für 1 Jahr wurden 906 Patienten mit komplett resezierten Hochrisikotumoren im Stadium IIIB/IIIC oder im Stadium IV randomisiert mit Nivolumab (3 mg/kg, q2w) plus Ipilimumab-Plazebo oder Ipilimumab (10 mg/kg, q3w) plus Nivolumab-Plazebo behandelt (4). Primärer Endpunkt der doppelblinden CheckMate-238-Studie war das rezidivfreie Überleben (RFS). Die Patienten waren im Median 55 Jahre alt, waren zu 81% im Stadium IIIB oder IIIC und zu 19% im Stadium IV. 34% hatten eine PD-L1-Expression von ≥ 5% und 41 bis 43% eine BRAF-Mutation. 397 der Studienteilnehmer komplettierten 1 Jahr Behandlung, dies waren 61% der Nivolumab-Kohorte und 27% der IpilimumabKohorte. Zur Zeit der Auswertung waren 154 Patienten im Nivolumab-Arm und 206 Patienten im Ipilimumab-Arm rezidiviert. 28 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 5/2017 Kongressbericht ESMO 2017 – Jahreskongress der European Society for Medical Oncology, Madrid, 8. bis 12. September 2017 Unter Nivolumab waren nach 1 Jahr 71% und unter Ipilimumab 61% der Patienten ohne Rezidiv sowie nach 18 Monaten 66% versus 53% der Patienten (HR = 0,65; p < 0,0001). Bezüglich der PD-L1-Expression profitierten Patienten mit höherer Expression (≥ 5%; HR = 0,50) wie auch mit niedriger Expression (HR = 0,71) besser von der NivolumabTherapie. Der Therapievorteil bestand für Patienten mit Tumoren im Stadium III (HR = 0,65) und auch IV (HR = 0,70). Zudem war der verbesserte Nutzen der Nivolumab-Therapie unabhängig vom BRAF-Mutationsstatus (BRAF-mutiert: HR = 0,72; BRAF-Wildtyp: HR = 0,58). 20% der Patienten im Nivolumab-Arm und 30% im Ipilimumab-Arm hatten eine sys- temische Therapie nach Studienmedika- tion erhalten, 9% einen BRAF-Inhibitor. Therapieassoziierte Nebenwirkungen vom Grad 3 und 4 traten bei 14% der Patien- ten unter Nivolumab und bei 46% unter Ipilimumab auf. Zum Therapieabbruch kam es bei 4% versus 30% der Patienten in den beiden Studienarmen. Nivolumab habe das Potenzial, eine neue Standardoption für Patienten mit resektablem Melanom in den Stadien IIIB, IIIC und IV unabhängig vom BRAF- Mutationsstatus zu werden, so das Fazit der Autoren. L Ine Schmale Referenzen: 1. Romano E et al.: Site and timing of first relapse in sta- ge III melanoma patients: Implications for follow-up guidelines. J Clin Oncol 2010; 28: 3042–3047. 2. Lewis K et al.: BRIM8: A randomized, double-blind, placebo-controlled study of adjuvant vemurafenib in patients with completely resected, BRAF V600+ melanoma at risk for recurrence. ESMO 2017, Vortrag, Abstr. #LBA7_PR. 3. Hauschild A et al.: COMBI-AD: Adjuvant dabrafenib plus trametinib for resected stage III BRAF V600mutant melanoma. ESMO 2017, Vortrag, Abstr. #LBA6_PR. 4. Weber J et al.: Adjuvant therapy with nivolumab versus ipilimumab after complete resection of stage III/IV melanoma: A randomized, double-blind, phase 3 trial (CheckMate 238). ESMO 2017, Vortrag, Abstr. #LBA8_PR. SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 5/2017 29