Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
INTERPELLATION vom 25.9.2017
Zuckerhaltige Getränke billiger als Wasser?
Valérie Piller Carrard Nationalrätin SP Kanton Freiburg
Zuckerkonsum im Übermass führt zu Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck und Herz-KreislaufProblemen. Aus diesem Grund hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen die Produzenten von Frühstückszerealien und Joghurt aufgefordert, den Zuckergehalt ihrer Produkte
zu reduzieren. Betreffend zuckerhaltige Getränke wurde in der Schweiz jedoch bisher nichts unternommen. Dabei sind genau diese Getränke eine wichtige Zuckerquelle, die zur schon beachtlichen Menge an Zucker, die über die Nahrung eingenommen wird, zusätzlich dazu kommt. Kürzlich konnte man einem Bericht entnehmen, dass die Preise von zuckerhaltigen Getränken in vielen Ländern, darunter auch die Schweiz, zwischen 1990 und 2016 gesunken sind (Global Trends in the Affordability of Sugar-Swee-
tened Beverages, 1990 bis 2016, https://www.cdc.gov/pcd/issues/ 2017/16_0406.htm). Eine beunruhigende Tendenz, denn der Preis ist ein wichtiger Einflussfaktor bei Konsumentscheidungen von Jugendlichen, die besonders vor den bereits angesprochenen gesundheitlichen Risiken zu schützen sind. Eine Einflussnahme auf den Preis wirkt sich auf die Jugendlichen und damit auf die Personen aus, die viele zuckerhaltige Getränke konsumieren. Deshalb muss auch verhindert werden, dass zuckerhaltige Getränke erschwing-
licher sind als Wasser. Dies ist beispielsweise bei den Selecta-Automaten der Fall: Das billigste Mineralwasser kostet 2.50 Franken, während das billigste Getränk, Capri-Sun, ein Zuckerwasser mit zwei Esslöffeln Fruchtsaft, 2 Franken kostet.
In diesem Zusammenhang bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen: 1. Sind die Preise von zuckerhal-
tigen Getränken im Verhältnis zum Pro-Kopf-Einkommen gesunken und wenn ja, um wie viel? 2. Wie viele Verkaufsstellen oder andere Anbieter verkaufen zuckerhaltige Getränke billiger als ihr billigstes Wasser?
Stellungnahme des Bundesrates vom 15.11.2017
Die nationale Ernährungserhebung menuCH des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, in welcher im Jahr 2014 rund 2000 Personen der schweizerischen Wohnbevölkerung zwischen 18 und 75 Jahren zu ihrem Lebensmittelkonsum sowie zu ihrem Koch- und Essverhalten befragt wurden, hat gezeigt, dass jüngere Personen mehr Süssgetränke konsumieren als ältere Menschen. Sie trinken aber auch deutlich mehr Wasser. Insgesamt haben die befragten Personen im Durchschnitt pro Tag wesentlich mehr Wasser als Süssgetränke getrun-
ken. Bei der Wahl eines Getränks ist der Preis nicht das einzige Kriterium. Vielmehr spielen auch die eigenen Vorlieben, die Gewohnheiten, das soziale Umfeld, die Verfügbarkeit und die Angebotspalette eine Rolle. Im Übrigen kann Leitungswasser, welches in der Schweiz bedenkenlos getrunken werden kann, eine kostenlose oder jedenfalls günstige Alternative zu Süssgetränken sein. Der Bund verfügt über keine Informationen zur Preisentwicklung von Süssgetränken in der Schweiz. Ihm ist auch nicht bekannt, wie hoch der Anteil der
Verkaufsstellen ist, die solche Getränke billiger anbieten als Mineralwasser. Er begrüsst jedoch diejenigen, die dafür sorgen, dass Letztere billiger angeboten werden als Süssgetränke. Dem Bundesrat erscheint es zielführend, generell die Attraktivität einer gesunden und ausgewogenen Ernährung und damit auch das Wassertrinken zu fördern. So hat das EDI im Juni 2017 die Schweizer Ernährungsstrategie 2017–2024 verabschiedet, die es allen Personen in der Schweiz ermöglichen soll, sich für einen gesunden Lebensstil zu entscheiden, unabhängig von Alter,
Herkunft oder Einkommen. Ausserdem setzt das EDI seine freiwillige Zusammenarbeit mit der Privatindustrie fort. In diesem Rahmen wird geprüft werden, ob die bei Joghurt und Frühstückszerealien erhaltenen Ergebnisse bei anderen Produkten angewandt werden können.
Erste Hilfe für Menschen mit letzter Hoffnung
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ARS MEDICI 24 I 2017
www.msf.ch PK 12-100-2
POLITFORUM
INTERPELLATION vom 27.9.2017
Ermöglichung von Lebensmittelspenden zur Verringerung von Food Waste
Jonas Fricker Nationalrat GPS Kanton Aargau
1. Welche Anpassungen auf Gesetzesstufe und/oder Verordnungsstufe müssten vorgenommen werden, damit abgelaufene Lebensmittel auf freiwilliger Basis bei Lebensmittelbetrieben abgeholt und an öffentlich zugänglichen Orten kostenfrei verteilt werden dürfen? Dabei soll die Nutzung dieser Angebote auf eigenes Risiko erfolgen, und die Anbieter sollen von der Haftung ausgenommen werden.
2. Ist der Bundesrat bereit, die entsprechenden Anpassungen
vorzunehmen, falls diese in seiner Kompetenz liegen?
Begründung In der Schweiz gibt es eine steigende Anzahl Projekte mit öffentlichen Kühlschränken (z.B. Restessbar.ch, Fairteiler von Foodsharing), in denen Lebensmittel landen, die nicht mehr im Laden verkauft oder anderweitig als Lebensmittel verwendet werden können. Aufgrund des Lebensmittelgesetzes dürfen aber verderbliche Waren nach Ablauf des Verbrauchsdatums nicht mehr abgegeben werden. Es ist insbesondere unklar, ob gekühlte Lebensmittel mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum noch abgegeben werden dürfen, wenn nicht nachweisbar ist, ob die Kühlkette eingehalten wurde.
Zudem ist nicht eindeutig geregelt, ob die Vereine, die hinter diesen sinnvollen Projekten stehen, für Mängel an den Lebensmitteln haftbar gemacht werden könnten. Dies verhindert diesen Vereinen zum Beispiel das Verteilen abgelaufener Joghurts oder anderer Milchprodukte, obwohl diese teilweise noch lange über das Haltbarkeitsdatum hinaus einwandfrei sind und sich Mängel problemlos visuell oder olfaktorisch feststellen lassen. So wie es in der Selbstverantwortung der Konsumentinnen und Konsumenten liegt, im Detailhandel erworbene Lebensmittel korrekt zu lagern und vor dem Verderben zu konsumieren, so sollte es auch in ihrer Selbstverantwortung liegen, zu beurteilen, ob Lebensmittel noch geniessbar sind,
wenn sie über öffentliche Kühlschränke verteilt werden. Die Projekte mit öffentlichen Kühlschränken leisten einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der FoodWaste-Problematik, da sie einerseits mithelfen, für das Thema zu sensibilisieren, und echte Betroffenheit beziehungsweise ein «Ich kann ja selbst etwas machen»Gefühl auslösen, andererseits weil sie ermöglichen, Lebensmittel auch in kleineren Mengen vor der Entsorgung zu retten, bei denen eine Abholung durch Spendenorganisationen oder die Weiterverarbeitung zu lagerbaren Produkten zu aufwendig wäre.
Stellungnahme des Bundesrates vom 15.11.2017
1. Das Lebensmittelgesetz bezweckt unter anderem, die Konsumentinnen und Konsumenten vor nicht sicheren Lebensmitteln und Täuschungen zu schützen. Dies wird namentlich dadurch erreicht, dass Lebensmittel nur bis zum Verbrauchsdatum abgegeben werden dürfen, da ihre Sicherheit nur so lange gewährleistet ist. Danach können gesundheitsgefährdende mikrobiologische Veränderungen auftreten (z.B. bei Hackfleisch). Dem Täuschungsschutz dient unter anderem das Mindesthaltbarkeitsdatum, welches angibt, bis wann ein Lebensmittel bei richtiger Aufbewahrung seine spezifischen Eigenschaften behält. Nach diesem Zeitpunkt sind Qualitätseinbussen möglich (z.B. ranziger Geschmack bei Zwieback). Um die Anliegen der Interpellation umzusetzen, müssten Arti-
kel 7 und 18 LMG sowie die Verordnung des Eidgenössischen Departementes des Innnern betreffend die Information über Lebensmittel angepasst werden. Es wäre neu vorzusehen, dass auch Lebensmittel, die nicht (mehr) sicher oder in ihrer Qualität vermindert sind, für Vorhaben zur Verringerung von Food Waste (z.B. öffentliche Kühlschränke) in Verkehr gebracht werden dürfen. Sollten die Anbieter solcher Vorhaben von einer Haftung ausgenommen werden, müsste dies ebenfalls speziell geregelt werden. 2. Der Bund hat bereits verschiedene Schritte gegen Food Waste eingeleitet. Dabei setzt er auf den Dialog mit der Branche und den Hilfsorganisationen. Ziel ist es namentlich, dass durch freiwillige Massnahmen vermehrt nicht verkaufte Lebensmittel dem menschlichen Verzehr zu-
geführt werden. In diesem Sinne wurde etwa im Rahmen des Stakeholderdialogs zu Abfallverlusten ein Leitfaden zur Weitergabe von Lebensmitteln an Hilfsorganisationen erarbeitet. Weiter hat sich die Schweiz im Rahmen der Sustainable Development Goals verpflichtet, bis 2030 (vermeidbare) Lebensmittelabfälle auf Ebene des Einzelhandels und der Konsumierenden zu halbieren und auf den anderen Produktionsstufen zu reduzieren. Mit Blick auf dieses Ziel erhebt das Bundesamt für Umwelt (Bafu) zurzeit die Nahrungsmittelabfallmengen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Es will ab 2018 zudem einen partizipativen Umsetzungsprozess mit freiwilligen Verpflichtungen starten. Der Bundesrat lehnt es dagegen ab, die in Antwort 1 beschriebenen Gesetzesanpassungen in die
Wege zu leiten. Damit würde der Gesundheits- und Täuschungsschutz für die Konsumentinnen und Konsumenten vermindert. Dies könnte unter anderem zu Gesundheitsgefährdungen führen, für die überdies niemand die Haftung übernehmen würde. Im Gegenzug würde die Verminderung der Nahrungsmittelabfälle mit den angestrebten Massnahmen wohl bescheiden bleiben. Der Bundesrat ist überzeugt, dass freiwillige Massnahmen ein grosses Potenzial zur Verringerung von Lebensmittelverlusten haben. Der Bund ist denn auch inskünftig bereit, im Rahmen seiner Möglichkeiten und Ressourcen mit der Branche und den Hilfsorganisationen zusammenzuarbeiten, um weitere Fortschritte zu erzielen.
ARS MEDICI 24 I 2017
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