Transkript
Rosenbergstrasse
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Man hat in der Regel mehr Nahidiotals Nahtod-Erfahrungen.
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Schon wieder eine Klimakonferenz. Aber wie kann man die Welt wirklich retten? Dazu veröffentlichten Seth Wynes (Schweden) und Kimberly Nicholas (Vancouver, Kanada) provokante Studienresultate: Eine amerikanische Familie, die auf ein Kind verzichtet, erspart der Welt genauso viele Emissionen wie 684 Teenager, die für den Rest ihres Lebens strikt recyceln. Ein Kind weniger bedeutet nach ihren Berechnungen eine Einsparung von 58,6 t CO2 im Jahr. Autofrei leben bringt demgegenüber nur 2,4 t und als Einzelner recyceln gar nur läppische 0,2 t jährlich. Mit andern Worten: Auf Kinder verzichten heisst Klima retten. Kritiker der Studie sind empört. «Aussterben fürs Klima» könne doch nicht die Lösung sein. Stimmt, ist nicht lustig, nur radikal. Und wirkt todsicher. Zyniker meinen, «die Natur» wisse das schon lange. Und arbeite an der Lösung des Problems.
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Nachbar A über Nachbar B (nach Karl Kraus): Er hat so eine Art, sich in den Hintergrund zu drängen, dass es allgemein Ärgernis erregt.
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Der für die Polizei zuständige Zürcher Stadtrat namens Wolff gibt sich als Schaf. Oder Lamm. Jedenfalls fromm, im Sinn von gläubig. Er glaubt, die Welt werde besser, wenn die Polizei die Nationalität von Kriminellen nicht mehr angebe. Wolff meint, Kriminelle seien ja nicht kriminell, weil sie Ausländer, sondern weil sie benachteiligt seien, arm und perspektivlos. Auf die Frage eines Interviewers, warum man denn Alter und Geschlecht nennen dürfe (schliesslich wird auch niemand kriminell wegen
seines Alters oder Geschlechts), wusste Wolff spontan keine Antwort. Aber die Frage machte ihn offensichtlich stutzig. Vielleicht lesen wir in den Stadtzürcher-Communiqués künftig nur noch, dass auf Stadtgebiet ein Mensch einem andern Menschen etwas Schlechtes getan habe oder dass eine Bande von Menschen einen Menschen malträtiert habe. Genügt doch und ist sowohl sachlich wie politisch total korrekt.
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Charitainment nennt man das Engagement von Künstlern für «gute Sachen». Meist Kinder. Möglichst krebskranke. Ohne Wohltätigkeit geht heute im Showbusiness gar nichts mehr. Die Promis tragen zwar weiter Fendi, Versace und Prada, fahren Porsche und fliegen im Privatjet nach Malibu, London oder Tahiti. Aber, so ein Insider, ohne ein afrikanisches Waisenkind auf dem Arm sei man heute kaum mehr gesellschaftsfähig und als Werbeträger nicht zu gebrauchen.
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«Das war ja klar.» «Dass musste ja so kommen.» «Ich hab das kommen sehen.» Oder sogar: «Das haben ja alle vorhergesagt.» Die Sätze kennen Sie. Auch wenn keiner es vorhergesagt hat (das Platzen der Immobilienblase, die globale Finanzkrise, den Aufstieg des IS, die Wahl von Donald Trump, den Brexit u.a.), Sie werden Dutzende von Leuten finden, die es – nachträglich – vorher gewusst haben. Die nur vorher nichts gesagt haben, weil … ja, warum eigentlich? Zum Beispiel weil ihnen sowieso niemand geglaubt hätte. Oder weil halt keiner gefragt hat. Und jetzt, wo jeder sieht, dass sie recht bekommen haben – beziehungsweise hätten, wenn sie denn etwas gesagt hätten –, jetzt bringt es auch nichts mehr. Wann Ueli Maurer zurücktritt und wer sein Nachfolger wird. Ob Donald Trump nochmals gewählt
wird. Wie das Klima sich entwickelt. Das alles könnten Ihnen einige Leute ziemlich genau vorhersagen. Warten Sie nur ab. Sie werden’s erfahren – spätestens, wenn’s eingetreten ist.
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Ein Fall aus der Alltagspsychologie: Ein etwas einsamer Bekannter erzählt: Manchmal hänge er Anfang der Woche einen Zettel an die Eingangstür, auf dem stehe, dass es am Wochenende etwas lauter werde. Es gebe zwar keine Party, aber es tue ihm gut, wenn ihn die Nachbarn Anfang der Woche dafür lobten, dass sie so leise waren.
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Tierschützer haben kein gutes Image. Entweder sind sie naiv, weibisch, sentimental oder dann – fast noch schlimmer – aggressiv. Man will sie nicht ernst nehmen, weil … mein Gott, es gibt Wichtigeres. Glückliche Schweiz, in der man als Tierschützer nur belächelt wird. Weltweit wurden in den vergangenen sechs Jahren rund 1000 Tierschützer ermordet. Kürzlich erst Wayne Lotter, 51, erschossen in Tansania. Lotter hatte sich speziell für den Schutz der Elefanten eingesetzt, Tausende Wilderer vor Gericht gebracht und noch mehr Elefantenfallen vernichtet. Er hatte das afrikanische Elefantenmassaker (Abschuss von über 60 000 Tieren allein in Tansania) etwas gebremst. Sehr zum Ärger von Elfenbeinhändlern und andern Kriminellen. Klar gibt es Wichtigeres. Und lächeln kann man über alles.
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Und das meint Waltis Gattin: Es ist keine wissenschaftliche Erkenntnis, sondern Lebenserfahrung: Die Pubertät des Mannes endet erst mit seinem Tod.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 24 I 2017
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