Transkript
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Tour de Cœur 2017: Actions speak louder than words!
Neuer Teilnehmerrekord zur siebten Ausgabe der Multietappen-Radfahrt an den europäischen Kardiologiekongress
Seit nunmehr sieben Jahren fahren einige der Schweizer Kardiologen mit dem Velo zum Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie. Bis die Ankommenden am Arc de Triomf von der Stadt Barcelona und dem Kongresspräsidenten offiziell willkommen geheissen werden konnten, galt es auch diesmal wieder, einige Höhen und Tiefen zu meistern. Aber lesen Sie selbst ...
«Bidons können hier drüben gefüllt werden. Bitte stellt euren Tagesrucksack da hinten hin.» Es ist 11 Uhr. Gewusel auf einem unscheinbaren Parkplatz hinter dem Bahnhof Genf. Leute in rot-weissen Radlerhosen und Radtrikot packen irgendwelche Dinge von grossen Koffern in kleinere Rucksäcke, streichen Arme und Beine mit Sonnencreme ein. Essen noch schnell eine Banane. «Hallo zusammen, wer mich noch nicht kennt, ich bin Peter Eitzinger, und es ist mir eine grosse Freude, euch zur mittlerweile 7. Tour de Cœur zu begrüssen. Zuerst möchte ich das Wort aber an Hans weitergeben, den Initiator und Gründervater des Projektes.» «Hoi zäme! Es ist so schön, dass ihr alle da seid» – so eröffnen Hans Rickli, Chefarzt der Kardiologie im Kantonsspital St. Gallen, und Peter Eitzinger, Inhaber und Geschäftsführer von Eitzinger Sport, die diesjährige Tour de Cœur – eine mehrtägige Radfahrt, bei der Kardiologen und Mitarbeiter aus dem kardiologischen Bereich aus der ganzen Schweiz gemeinsam an den jeweiligen Veranstaltungsort des europäischen Kardiologiekongresses fahren und damit zu mehr Bewegung auffordern wollen. «Ein aktiver Lebensstil spielt eine zentrale Rolle in der kardiovaskulären Prävention. Wir wollen das vorleben, was wir unseren Patienten täglich predigen», sagt Rickli. «Die Teilnehmer finanzieren ihre Teilnahme selbst, geben wertvolle Ferientage daran, sind einmal mehr weg von der Familie. Das zeigt, wie sehr ihnen das Thema am Herzen liegt. Eine Umsetzung des Sprichwortes ‹Actions speak louder than words›. Aber die Tour de Cœur ist mehr als eine Präventionskampagne. Sie schwitzen, leiden, frieren, geniessen, unterstützen einander, überwinden sich selbst, sitzen zusammen und vernetzen sich. Ich finde es toll, dass es immer mehr Teilnehmer aus einem breiteren Arbeitsumfeld gibt. Dieses Jahr haben wir unter anderem einen Pneumologen, einen Herzchirurgen, einen Radiologieassistenten und Mitarbeiter aus der kardialen Rehabilitation dabei.»
Gewusel auf dem Parkplatz hinter dem Bahnhof Genf. Die Teilnehmer machen sich startklar. Es kann losgehen. Die 45 Teilnehmer der Tour de Cœur 2017 – neuer Rekord!
(Fotos: Aline Mühl)
CongressSelection Kardiologie/Diabetologie • Dezember 2017 • 33
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The fast and the furious (Gruppe 1) mit Hans Rickli an der Spitze.
Atemberaubende Aussicht auf der Südseite des Col de Rousset zwingt alle zum Anhalten.
On the top: Alle haben es auf den Mont Ventoux geschafft! 34 • CongressSelection Kardiologie/Diabetologie • Dezember 2017
Riesiger Organisationsaufwand
Es ist bereits die 7. Durchführung der Tour de Cœur. Gefahren wird in vier Gruppen mit unterschiedlichem Tempo, je nach Trainingszustand und Gemütslage. Wie schon beim vierten Mal geht es von Genf nach Barcelona, diesmal jedoch auf einer abgeänderten Strecke. Noch nie waren es so viele Teilnehmer; 45 sind es insgesamt, Guides und Helfer nicht einberechnet. Und das, obwohl Rickli zum Ende jeder Tour sagt, dies sei jeweils die letzte Durchführung gewesen. «Der Organisationsaufwand ist riesig, auch wenn wir mit einem professionellen Radferienunternehmen zusammenarbeiten. Und wenn wir dann endlich angekommen sind, warten auf die meisten von uns noch vier anstrengende Kongresstage.» Bis jetzt hat es noch immer eine Fortsetzung gegeben. Das spricht für sich. «Die erste Gruppe geht mit Hans, die zweite mit Bernd, danach kommt Peter. Gruppe Kari macht den Schluss. Wir sehen uns im Hotel.»
Alle Anstrengungen werden belohnt
Die erste Etappe führt von Genf nach Chambéry, 90 Kilometer, 800 Höhenmeter. Eine «leichte» Etappe zum Einfahren. Die Sonne strahlt. Eine sanfte Hügellandschaft zieht vorbei. Der grosse Lac du Bourget kurz vor Chambéry lädt zum Baden ein. Beim Abendessen sind alle guter Laune – noch. Bereits der zweite Tag bringt die erste grosse Herausforderung: Auf der Strecke zwischen Chambéry und Villard-de-Lans liegen drei Pässe: der Col du Granier, der Col du Cucheron und der Col de Porte. 2200 Höhenmeter insgesamt, verteilt auf 100 km. Es ist warm. Ächzen, schnauben, schwitzen. Beim Abendessen liegt ein Geruch von muskelwärmendem Gel in der Luft.
Durchbeissen ist Ehrensache
Die dritte Etappe ist wieder etwas gnädiger. Mit knapp 140 km zwar eher lang, dafür mit «nur» 1500 Höhenmetern Aufstieg geht es von Villard-de-Lans nach Vaison-la-Romaine. Highlight ist die Aussicht am Col de Rousset nach Süden. Einfach atemberaubend. Trotzdem geht es langsam in die Beine. «Morgen wird es streng. Wer möchte, kann morgen einen Teil der Etappe mit dem Begleitfahrzeug abkürzen», sagt Peter Eitzinger beim Abendessen. Niemand streckt die Hand auf. Durchbeissen ist Ehrensache. Die vierte Etappe verbindet gerade zwei Highlights dieser Tour: den über 1580 Höhenmeter verlaufenden und 21 Kilometer langen Aufstieg von Malaucène auf den Mont Ventoux (mit einem Quäl-dich-Index von 131 vergleichbar mit dem Südaufstieg zum Stilfser Joch) sowie die sanfte und atemberaubende Abfahrt durch die Gorges de la Nesque. Nach insgesamt 155 Kilometern und 2200 Höhenmetern kommen alle erschöpft, aber glücklich in Avignon an. Beim Abendessen herrscht ein reger Wettstreit, wem das schönste Foto vom
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Tag gelungen ist. Der fünfte Tag wird eine Art Ruhetag. Es geht zuerst mit dem Zug von Avignon nach Carcassonne. Nach einer Besichtigung der dortigen Schlossanlage Châteaux Cotmal werden auf der 70 Kilometer langen Radfahrt von Carcassonne nach Couiza die Beine gelockert. Noch drei Etappen bis zum Ziel.
Barcelona, wir kommen!
Für die sechste Etappe heisst es, nochmals alle Kräfte zu bündeln. Zwischen Couiza und Molina liegen drei harte Aufstiege: der Col du Gravel, der Col de Mel sowie der Aufstieg von Molina zum Hotel selbst; 110 Kilometer und 2400 Höhenmeter. Beim Abendessen herrschen etwas chaotische Zustände. Der Laune der Teilnehmer mag das nichts anhaben. «Morgen geht es eigentlich nur bergab», sagt Eitzinger. Das haben wir schon öfters gehört, denken sich die Teilnehmer. Aber es stimmt. Am zweitletzten Tag wird von La Molina nach Navarcles «gerollt». Mit ein paar kleinen Anstiegen dazwischen. Und Gegenwind. Trampen, keuchen, schwitzen (es ist mittlerweile fast 40 Grad heiss). Im Hotel gönnen sich dann auch die meisten als Erstes einen Sprung in den Pool. Die Stimmung beim Abendessen reicht von euphorisch bis sentimental. Das Ende naht. Die achte und letzte Etappe beginnt früh mit einem letzten steilen Anstieg von Navarcles auf den Col d’Estenalles, danach folgt eine lange Abfahrt nach Barcelona. Insgesamt werden es nochmals 70 Kilometer und knapp 1000 Höhenmeter, bis alle Gruppen gemeinsam unter dem Arc de Triomf durchfahren und von einem kleinen Empfangskomitee des Kongresses und der Stadt Barcelona begrüsst werden.
Aline Mühl
Start der Abfahrt durch die Gorges de la Nesque – ein Traum.
Geschafft! Empfang durch ESC-Präsident Prof. Jeroen Bax und Prof. Josep Brugada am Arc de Triomf in Barcelona. (Foto: ESC©)
Gratulation von Prof. Jeroen Bax zu dieser sportlichen Leistung (Foto: ESC©) CongressSelection Kardiologie/Diabetologie • Dezember 2017 • 35