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ESC
«Best Posters» aus der Schweiz
Am ESC-Kongress wurden gute Arbeiten ausgezeichnet
Am ESC-Kongress wurden 10 800 Abstracts aus 110 Ländern eingereicht und 4500 davon angenommen. In der Kategorie «Best Poster Sessions» durften sich auch sechs Arbeiten aus der Schweiz präsentieren, die wir Ihnen hier vorstellen. Die Themen könnten unterschiedlicher nicht sein. Arbeiten zur Brauchbarkeit von HypertonieApps, der Abklärung von kardialen Synkopen, dem Nutzen von Sartanen bis hin zur Infarktabklärung auf dem Notfall geben einen kleinen Einblick in die Forschungstätigkeit an unseren Spitälern.
Auf dem App-Markt sind unter anderem auch solche erhältlich, die mittels des fotoplethysmografischen Signals der Smartphonekamera den systolischen Blutdruck abschätzen. Die Wissenschaftler um PD Dr. Jens Eckstein, Kardiologie, Universität Basel, wollten wissen, wie verlässlich diese Methode ist. Zu diesem Zweck massen 1000 Personen im Unispital Basel den Blutdruck mit einem oszillometrischen Standard-Blutdruckmessgerät mit Oberarmmanschette und hielten gleichzeitig die Smartphonekamera auf den Indexfinger desselben Arms. Von den 4671 so entstandenen Messungen betrug die durchschnittliche Abweichung 14 mmHg, die Standardabweichung 11 mmHg. Eine brauchbare Abschätzung lieferte die Smartphonekamera bei normotensiven Personen und bei solchen mit einer Grad-1-Hypertonie, für hypertensive Personen sei die Methode jedoch nicht geeignet, finden die Wissenschaftler. Zum jetzigen Zeitpunkt erreiche die neue Methode noch kein klinisches Niveau, habe aber Potenzial für das Screening.
Quelle: Eckstein J et al.: Use of a smartphone camera to estimate systolic blood pressure compared to standard oscillometric blood pressure measurement – a prospective trial. P441. ESC 2017, 26 bis 31. August 2017 in Barcelona.
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(15%), reflexvermittelt (39%), orthostatisch (26%), andere nicht kardiale (10%), unbekannte Ätiologie (11%). Die Wahrscheinlichkeit einer Entdeckung der kardialen Synkope auf dem Notfall lag bei 85 Prozent, die nach einem Jahr bezifferte Fehlerquote betrug 32 Prozent. Zur Verwirrung beigetragen haben Patienten mit erstmaliger Synkope, Diabetes oder Dyspnoe nach dem Auftreten der Synkope. Überdies zeigte sich, dass Patienten mit kardialen, orthostatischen oder Synkopen unbekannter Herkunft im Vergleich zu anderen Synkopen eine niedrigere Überlebensrate aufwiesen. Diese drei Synkopenarten können damit gemäss den Forschern um Dr. Patrick Badertscher, Kardiologie, Universitätsspital Basel, als unabhängige Prädiktoren für Gesamtsterblichkeit angesehen werden (Hazard ratio 2,55; 3,43; 1,91). In einem weiteren Poster evaluierten die Basler Forscher vier neue Prohormone zur besseren Unterstützung der Diagnosestellung einer kardialen Synkope. Dabei stellte sich heraus, dass die Verwendung von MRproANP (midregional pro A-type natriuretic peptide) die Frühentdeckung einer kardialen Synkope bei unselektierten Notfallpatienten erheblich verbessert.
Quelle: Badertscher P et al.: Natural history of syncope: insights from
the BASEL IX study. P468 und Pro-hormones in the early diagnosis of
cardiac syncope. P469. ESC 2017, 26. bis 31. August 2017 in Barcelona.
Kardiale Synkope als Mortalitätsprädiktor
In einer Analyse der momentan in verschiedenen Ländern laufenden diagnostischen Multizenterstudie BASEL IX wurde die Diagnosesicherheit kardialer Synkopen untersucht. Ziel war es, die diagnostische Unsicherheit in frühem Stadium und ein Jahr später zu quantifizieren. Dazu wurden 1409 unter 40-jährige Notfallstationpatienten eingeschlossen und die Ärzte gebeten, auf einer VASSkala anzugeben, wie sicher sie sind, dass der jeweilige Patient eine kardiale Synkope erlitten hat. Die betreffenden Patienten wurden 12 Monate später erneut kontaktiert und allfällige grössere kardiovaskuläre Ereignisse erfasst. Die finale Diagnose wurde nach 12 Monaten von zwei voneinander unabhängigen Kardiologen gestellt. Eine Synkope erlitten 1260 Patienten (87%): kardial
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Schnelle Infarktdiagnose spart Zeit
Etwa 10 Prozent aller Patienten auf der Notfallstation haben einen vermeintlichen akuten Herzinfarkt. Einen Patienten mit akuten Brustschmerzen schnell abzuklären, rettet Leben und spart Ressourcen und Zeit, wenn alle gutartigen Fälle anderweitig behandelt und wieder nach Hause geschickt werden können. Mit der von der ESC empfohlenen Messung des hochsensitiven Troponins (hs-cTn) bei Präsentation und nach einer Stunde (0/1 h) lässt sich der akute Myokardinfarkt (NSTEMI) genauso sicher ausschliessen wie mit dem bisherigen ESC-Ansatz drei Stunden später (0/3 h), wie eine Datenanalyse der prospektiven APACE- und BACC-Studien mit 4350 Patien-
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ten mit vermutetem NSTEMI ergab. Mit dem 0/1-h-Algorithmus zeigten hs-cTnT (Elecsys®) und hs-cTnI (Architect®) bei fehlendem Anstieg einen negativ prädiktiven Wert für einen NSTEMI von 99,8 respektive 99,6 Prozent. Der positiv prädiktive Wert lag bei 74,7 beziehungsweise 64,2 Prozent (Spezifität 94,5 bzw. 90,4%). Damit ist der 0/1-h-Algorithmus zuverlässig genug für den Routineeinsatz, so Studienleiter Dr. Raphael Twerenbold, Universitätsspital Basel (1). Weil ein grosser Anteil der Notfallpatienten mit vermutetem NSTEMI auch eine eingeschränkte Nierenfunktion aufweist, prüften die Basler Forscher die Eignung des 0/1-h-Algorithmus bei dieser Konstellation in einer zweiten Untersuchung (2). Während die Sensitivität des 0/1-h-Algorithmus bei Patienten mit und ohne eingeschränkte Nierenfunktion vergleichbar war, war die Spezifität jedoch unterschiedlich.
Quellen: Twerenbold R et al.: «Validation of the European Society of Cardiology 0/1-hour algorithm for rule-out and rule-in of acute myocardial infarction». A2271. ESC 2017, 26. bis 31. August 2017 in Barcelona. Twerenbold R et al.: Performance of the ESC 0/1-hour algorithm for rapid rule-out and rule-in of acute myocardial infarction using high-sensitivity cardiac troponin I in patients with impaired and normal renal function. P2328. ESC 2017, 26. bis 31. August 2017 in Barcelona.
nie und gleichzeitiger chronischer Nierenerkrankung, und sie verlangsamen die Progression der diabetischen Nephropathie bei guter Verträglichkeit, so das Fazit von Prof. Burnier.
Quelle: Burnier M et al.: The role of angiotensin receptor blockers in the treatment of patients with hypertension and chronic kidney disease: a systematic review of clinical trials. P 1348. ESC 2017, 26. bis 31. August 2017 in Barcelona.
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Zusätzlicher Nierenschutz durch Sartane
Hypertoniepatienten haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer chronischen Nierenerkrankung. Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten (ARB) sind bei diesen Patienten Therapie der Wahl, denn sie reduzieren Blutdruck und Proteinurie und haben renoprotektive Eigenschaften. Forscher um Prof. Michel Burnier, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne, untersuchten nun die Effekte von ARB bei Hypertoniepatienten mit chronischer Nierenerkrankung. In die Analyse flossen Daten von 20 klinischen Studien mit 2431 Patienten aus 8 Ländern. Ausgangswerte von Blutdruck und Nierenmarker wie Serumkreatinin, Proteinurie und Kreatinin wurden mit den jeweiligen Werten nach Studienende verglichen. Die Mono- beziehungsweise Kombinationstherapie mit ARB bewirkte eine Blutdrucksenkung von 6,6– 46,9/2,02–15,0 mmHg, und die Blutdruckkontrollrate lag bei Studienende zwischen 34,8 und 82 Prozent. Zusätzlich zur blutdrucksenkenden Wirkung veränderte sich das Serumkreatinin nicht signifikant (1,79–298,8 µmol/l), ausser bei Typ-2-Diabetikern, bei denen die Therapie mit ARB aber zu einer Progressionsverlangsamung der Nierenerkrankung führte. Zu Reduktionen bei den anderen beiden Nierenparametern Proteinurie (0,09–1,1 g/24 h) und Protein-Kreatinin-Ratio (441– 1420 mg/g Kreatinin) kam es ebenfalls. In Studien, die Patienten mit Typ-2-Diabetes als Komorbidität eingeschlossen hatten, waren ebenfalls Verbesserungen bei den Nierenparametern zu beobachten. Gefässfunktionsverbesserungen wurden in einigen Studien berichtet. Die Verträglichkeit von ARB im Vergleich zu anderen Antihypertensiva wie zum Beispiel ACE-Hemmern war ausgezeichnet. Im Gegensatz zu anderen Antihypertensiva bewirken ARB somit zusätzlich zur Blutdrucksenkung eine Verbesserung der Nierenparameter bei Patienten mit Hyperto-
Was Plaques fördert
Patienten, die sich einer perkutanen Koronarintervention (PCI) unterziehen, haben ein sehr unterschiedliches Risiko, ein erneutes kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden. Womit dieses Risiko zusammenhängt, untersuchten Forscher um Dr. Thomas Zanchin, Kardiologie, Inselspital Bern. Dazu untersuchten sie tomografisch Ausmass und Ausbreitung der Atherosklerose in den drei Koronargefässen bei jedem Patienten, für den eine klinisch inzidierte PCI geplant war. In einem zweiten Schritt untersuchten sie den Einfluss von kardialen Risikofaktoren auf die Schwere der Atherosklerose. Von den 101 ausgewählten Patienten kamen über die Hälfte wegen eines akuten Koronarsyndroms, die anderen wegen einer stabilen Angina pectoris. Die Patienten, darunter zwei Drittel Männer, hatten zu 79 Prozent Diabetes, zu 29 Prozent eine Dyslipidiämie und 28 Prozent von ihnen rauchten. Die tomografische Untersuchung ergab, dass 21 Prozent der Patienten 1 bis 2 Plaques, 38 Prozent 3 bis 4 Plaques und 39 Prozent 5 oder mehr Plaques in ihren Koronargefässen hatten. Die Plaques teilten sich in fibröse Plaques (30%), Thick-cap-Fibroatherome (39%), Thin-cap-Fibroatherome (17%) und kalzifizierte fibröse Plaques (15%) auf. Als unabhängige Risikofaktoren für die Plaquelänge erwiesen sich der Body-Mass-Index, Diabetes, männliches Geschlecht und trendmässig der Raucherstatus. Unabhängiger Prediktor für die Verbreitung und Länge von Fibroatheromen war das männliche Geschlecht; Diabetes und Raucherstatus wiesen trendmässig darauf hin.
Quelle: Zanchin T et al.: The effect of cardiac risk factors on global coro-
nary atherosclerosis burden among patients undergoing percutaneous co-
ronary intervention: a multicenter three vessel optical coherence tomo-
graphy study. P 2329. ESC 2017, 26. bis 31. August 2017 in Barcelona. Valérie Herzog
Foto: mue
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