Transkript
ESC/EASD
Drastische Senkung der Cholesterinwerte ist gut fürs Herz
FOURIER-Subanalyse demonstriert Tiefgang
LDL-Cholesterin lässt sich ohne kardiovaskuläre Nachteile bis auf 0,2 mmol/l senken, wie eine sekundäre Analyse der FOURIER-Studie ergeben hat. Befürchtete Kognitionseinbussen traten unter so tiefem LDL nicht auf, wie am ESC-Kongress in Barcelona zu erfahren war.
In der FOURIER-Studie sank unter dem Zusatz des subkutan verabreichten PCSK-9-Hemmers Evolocumab im Vergleich zu Plazeboinjektionen bei Patienten mit Statintherapie der LDL-Wert von 2,4 auf 0,8 mmol/l um 59 Prozent ab (Kasten). Das kardiovaskuläre Risiko reduzierte sich in der Verumgruppe signifikant. Nun stellt sich die Frage, inwieweit sich die bereits nach 4 Wochen nahezu erreichten Endwerte auf die klinische Wirksamkeit und Sicherheit auswirken. Die am ESC-Kongress vorgestellte vordefinierte Subanalyse (1) beschäftigte sich mit dieser Fragestellung und stellte jeweils die erreichten LDLWerte, in fünf Gruppen eingeteilt mit dem kardiovaskulären Verlauf, zehn definierten Nebenwirkungen, wie beispielweise Anstieg ALT/AST oder Kreatinkinase, Diabetes, Hirnschlag, Krebs, nicht kardiovaskulärer Tod und Kognitionseinbussen, über den ganzen Studienverlauf in Kontext. • Gruppe 1 erreichte < 0,5 mmol/l (n = 2669) und hatte die tiefste kardiovaskuläre Todesrate (Hazard Ratio [HR]: 0,69; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,56–0,85; p = 0,0001) • Gruppe 2 erreichte 0,5–1,3 mmol/l (n = 8003), HR: 0,75; 95%-KI: 0,64–0,86; p = 0,0001 • Gruppe 3 erreichte 1,3–1,8 mmol/l (n = 3444), HR: 0,87; 95%-KI: 0,73–1,04; p = 0,0001 Kasten: Eckpunkte der FOURIER-Studie Doppelblind randomisierte, plazebokontrollierte Studie mit 27 564 Patienten mit atherosklerotisch kardiovaskulärer Erkrankung und LDL-Werten von ≥ 1,8 mmol/l unter Statintherapie. Die Patienten erhielten zusätzlich entweder Evolucumab (140 mg subkutan alle 2 Wochen oder 420 mg einmal monatlich) oder Plazebo während 2,2 Jahren. Als primärer Endpunkt war eine Kombination aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt, Hirnschlag, Hospitalisierung infolge instabiler Angina pectoris oder koronarer Revaskularisation definiert. Der sekundäre Endpunkt war aus kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt und Hirnschlag zusammengesetzt. Der LDL-Spiegel sank unter Evolocumab bereits nach 4 Wochen um 57 Prozent und pendelte sich nach 48 Wochen bei 59 Prozent signifikanter Reduktion im Vergleich zu Plazebo von 2,4 auf 0,8 mmol/l. Im Vergleich zu Plazebo war das Risiko für den primären Endpunkt unter Evolocumab signifikant tiefer (HR: 0,85; 95%-KI: 0,79–0,92), ebenso für den sekundären Endpunkt (HR: 0,8; 95%-KI: 0,73–0,88). Dieses Resultat war, auch bezogen auf alle Subgruppen, konsistent. Bis auf lokale injektionsbedingte Reaktionen wurden unter Evolucumab im Vergleich zu Plazebo nicht mehr Nebenwirkungen registriert (2). • Gruppe 4 erreichte 1,8–2,6 mmol/l (n = 7471), HR: 0,90; 95%-KI: 0,78–1,04; p = 0,0001 • Gruppe 5 erreichte ≥2,6 mmol/l (n = 4395) (Referenzgruppe). Es zeigte sich eine hochsignifikante monotone Beziehung zwischen den LDL-Konzentrationen und der Risikoreduktion für den ersten und zweiten Endpunkt. In Bezug auf die Nebenwirkungen gab es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen den erreichten LDL-Konzentrationen. Auch bezüglich Kognitionseinbussen konnten die Zweifel ausgeräumt werden. Gedächtnis- und Exekutivfunktion sowie Reaktionszeit, getestet im Rahmen der EBBINGHAUS-Studie bei 1154 Patienten, blieben unbeeinflusst. Wie tief kann man senken? Mit jeder Lipidsenkerstudie wurden die Zielwerte in der Vergangenheit tiefer gesetzt, weil der kardiovaskuläre Nutzen belegbar war. Doch wie tief kann man nun wirklich senken? Studienautor Dr. Robert Giugliano, Brigham and Women’s Hospital and Harvard Medical School, Boston, ging dieser Gretchenfrage ebenfalls nach. 504 Patienten erreichten < 0,26 mmol/l, im Mittel 0,18 mmol/l. Im Vergleich zur Referenzgruppe mit 2,6 mmol/l kam die adjustierte HR der tiefsten Gruppe bei 0,69 für den primären Endpunkt und bei 0,59 für den sekundären Endpunkt zu liegen. Die Nebenwirkungsrate stieg im Vergleich zur Referenzgruppe nicht signifikant an. «Auch wenn nun Langzeitstudien dies bestätigen müssen, ist die Erkenntnis aus all den Lipidstudien, dass LDL-Cholesterinwerte bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten unter den momentan geltenden Zielwert gesenkt werden sollten», sagte Giugliano. Die Resultate zeigen, dass LDL-Konzentrationen mit Statinen und PCSK-9-Hemmern in noch nie da gewesene Tiefen gesenkt werden können und dass eine Herabsetzung der Zielwerte bei Patienten mit atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankungen angestrebt werden sollte, so das Fazit des Studienautors. PCSK-9-Hemmer bei Typ-2-Diabetikern Am europäischen Diabeteskongress zwei Wochen nach dem ESC-Kongress wurde eine vordefinierte Analyse der FOURIER-Studie bei Patienten mit Typ-2-Diabetes präsentierte und zeitgleich im «Lancet Diabetes & Endocrinology» publiziert (3). Thema war hier die Wirksamkeit 6 • CongressSelection Kardiologie/Diabetologie • Dezember 2017 ESC/EASD bei Patienten mit (n = 11 031) und ohne Typ-2-Diabetes (n = 16 533) bei Studieneinschluss und die Frage, ob Evolocumab einen Einfluss auf den Blutzucker oder die Neuentwicklung von Diabetes hat. In einer Post-hoc-Analyse wurde zudem dieselbe Fragestellung noch bei Patienten mit Prädiabetes (HbA1c 5,7–6,4%) geprüft. Das Resultat zeigt, dass Evolocumab verglichen mit Plazebo bei Diabetikern und Nichtdiabetikern die Rate der kardiovaskulären Ereignisse signifikant reduziert: Hazard Ratio 0,83 (95%-KI: 0,75–0,93; p = 0,0008) und 0,87 (95%-KI: 0,79–0,96; p = 0,0052). Der PCSK-9-Hemmer erhöht das Risiko für Typ-2-Diabetes-Neuerkrankungen bei Nichtdiabetikern nicht und die Blutzuckerspiegel (HbA1c und Nüchternblutzucker) waren zu den Messzeitpunkten (nach 12 Wochen und dann alle 24 Wochen) in der Evolocumab- sowie der Plazebogruppe ähnlich, dies bei den Nichtdiabetikern, den Diabetikern und auch jenen mit Prädiabetes. Die Nebenwirkungen von Evolocumab im Vergleich zu Plazebo unterschieden sich nicht bei Diabetikern und Nichtdiabetikern. Mit einem vergleichbaren Effekt auf das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse ohne Effekt auf den Blutzucker stellt Evolocumab eine valable Option zur LDL-Senkung auch bei Typ-2-Diabetikern dar, zumal diese per se ein grösseres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse haben als Nichtdiabetiker, so das Résumé von Erstautor Prof. Marc Sabatine, Brigham and Women’s Hospital, Boston, USA, bei der Studienpräsentation am EASD in Lissabon. Valérie Herzog Referenzen: 1. Giugliano RP et al.: Clinical efficacy and safety of achieving very low LDL-cholesterol concentrations with the PCSK9 inhibitor evolocumab: a prespecified secondary analysis of the FOURIER trial. The Lancet 2017, Aug 28; Epub ahead of print. DOI: 10.1016/S0140-6736(17)32290-0. 2. Sabatine MS et al.: Evolocumab and Clinical Outcomes in Patients with Cardiovascular Disease. N Engl J Med 2017; 376: 1713–1722. 3. Sabatine MS et al.: Cardiovascular safety and efficacy of the PCSK9 inhibitor evolocumab in patients with and without diabetes and the effect of evolocumab on glycaemia and risk of new-onset diabetes: a prespecified analysis of the FOURIER randomised controlled trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2017 Sep 15; Epub ahead of print. Take Home Messa es ® In der Subanalyse der FOURIER-Studie haben tiefe LDL-Werte bis < 0,5 mmol/l das kardiovaskuläre Risiko weiterhin gesenkt. ® Bei LDL-Werten < 0,5 mmol/l sind keine vermehrten Nebenwirkungen aufgetreten. ® Die Kognition blieb von den tiefen LDL-Werten unbeeinflusst. Quellen: Giugliano R: Clinical efficacy and safety of achieving very low LDL-C Levels with the PCSK9 inhibitor Evolocumab in the FOURIER outcomes trial. Präsentiert im Rahmen der Clinical Trial Update 1, ESC-Kongress 2017, 26. bis 31. August 2017 in Barcelona. Sabatine MS: «Evolucumab in diabetes and diabetes risk: novelties from the FOURIER study». Präsentiert am EASD 2017, 11. bis 15. September 2017 in Lissabon. Foto: mue 8 • CongressSelection Kardiologie/Diabetologie • Dezember 2017