Transkript
BERICHT
Ekzeme: Wie vorgehen?
Betroffene Haut genau untersuchen und diverse Allergietests zurate ziehen
Ekzeme gehören zu den häufigen Dermatosen, die der Hausarzt in der Praxis zu Gesicht bekommt. An der Fortbildungsveranstaltung «Dermatologie – anwendbares Wissen für den Grundversorger» am Careum in Zürich informierte der Oberarzt Dr. med. Martin Glatz von der Allergiestation der Dermatologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich über dieses Hautproblem.
Susanna Steimer Miller
Der Begriff «Ekzem» stammt aus dem Griechischen und steht für «kochende, aufwallende Haut». Ekzeme haben unterschiedliche Pathogenesen und treten an den verschiedensten Körperstellen auf. Sie verlaufen jedoch immer in zwei Phasen: In der akuten Phase ist die Haut gerötet, und sie bildet Bläschen.
Doch nicht bei jedem Ekzem im Säuglingsalter handelt es sich um eine Neurodermitis. Martin Glatz präsentierte Fotos eines sechs Wochen alten Säuglings mit stark geröteten Effloreszenzen im Gesicht, an der Kopfhaut und am After, der erfolglos mit einer desinfizierenden Lokaltherapie und mit Antibio-
In der Anamnese ist immer auch nach Allergien und nach Asthma in der Familie zu fragen.
In der zweiten, chronischen Phase trocknen die Bläschen und bilden Krusten, die Haut beginnt sich zu schuppen. Als Zeichen der chronischen Entzündung kommt es zur Lichenifikation der Haut (flächenhafte Verdickung der Haut). Typisch für Ekzeme ist, dass sie immer mit Juckreiz verbunden sind.
Blickdiagnose kann täuschen
In seinem Vortrag setzte Martin Glatz einen Fokus auf das atopische Ekzem (Neurodermitis), das häufig auftritt und von starkem Juckreiz geprägt ist, der viele Patienten nachts nicht schlafen lässt. Meist beginnt die Krankheit vor dem zweiten Lebensjahr. Rund 10 bis 15 Prozent aller Kinder und 3 bis 8 Prozent aller Erwachsenen sind davon betroffen.
tika behandelt wurde. Weder Mykosen noch Bakterien konnten auf der Haut nachgewiesen werden. Die Blutuntersuchung, bei der auch die Spurenelemente geprüft wurden, ergab schliesslich, dass der gestillte Säugling an einem Zinkmangelekzem litt. Seine Mutter war Veganerin, verzichtete also auf alle tierischen Lebensmittel. Dieses Beispiel zeigt, dass bei der Differenzialdiagnose des atopischen Ekzems im Säuglings- und Kleinkindalter immer auch an andere Dermatosen gedacht werden muss. Bei Säuglingen treten neben der Akrodermatitis enteropathica (Zinkmangel) weitere Hautprobleme auf, die leicht mit einer atopischen Dermatitis verwechselt werden. Dazu zählen zum Beispiel die seborrhoische Dermatitis, Skabies, die in-
fantile Psoriasis, der Prurigo simplex, die Langerhans-Zell-Histiozytose, das Gianotti-Crosti-Syndrom, die Miliaria rubra oder hereditäre Erkrankungen. Bei Erwachsenen können sich toxische und allergische Kontaktekzeme, Psoriasis, die seborrhoische Dermatitis, Infektionen, bullöse Autoimmundermatosen, Dermatomyositis, Lupus erythematodes, kutane T-Zell-Lymphome, akquirierte Ichthyosen oder PrurigoErkrankungen ähnlich manifestieren wie das atopische Ekzem.
Merkmale erkennen
Das Hauptmerkmal des atopischen Ekzems ist die trockene Haut, die meist blass und an einigen Stellen, insbesondere an den grossen Beugen und am Nacken, gerötet ist. Typisch ist aber auch die Rarefizierung der seitlichen Augenbrauen (Hertogh-Zeichen). Ein weiteres Zeichen ist der weisse Dermografismus, das heisst, wenn man mit der Spitze eines Gegenstands fest über die Haut des vom atopischen Ekzem betroffenen Patienten streicht, werden weisse Streifen sichtbar. Bei gesunder Haut zeigt sich eine Rötung. Die Prävalenz des weissen Dermografismus liegt bei Neurodermitikern bei 38 bis 100 Prozent. Für ein atopisches Ekzem spricht auch, wenn Betroffene an den Fingerkuppen und Zehen sehr trockene Haut mit Rhagaden haben. Der Allgemeinpraktiker muss die Haut bei Verdacht auf ein atopisches Ekzem immer genau untersuchen und darf sich nicht auf die Untersuchung der lokalen Effloreszenzen beschränken.
Anamnese
Leidet ein Patient an einem Ekzem, muss in der Anamnese immer auch nach Allergien (z.B. Pollenallergie) und nach Asthma in der Familie gefragt werden. Wenn beide Elternteile von
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BERICHT
So geht man bei Ekzemen vor
1. Anamnese (nach Allergien und Asthma in der Familie fragen)
2. Haut genau ansehen (trockene Haut)
3. Labor (z.B. Spurenelemente, Messung des gesamten IgE-Spiegels)
4. Allergietests zum Nachweis einer Typ-I-Allergie: a. Pricktest (Atopiescreening) b. Labor: i. saisonal: Bet v 1, Ole e 1, Phl p 1/5, Beifuss ii. ganzjährig: Der p1, Der p2
Allergietest zum Nachweis einer Typ-IV-Allergie: a. Epikutantest
5. Basistherapie für alle Patienten (rückfettende Bodylotion)
nach Dr. med. Martin Glatz
Allergien betroffen sind oder an Asthma leiden, hat das Kind ein um das Sechsfache erhöhtes Risiko für eine Atopie, also eine Neigung zu Allergien.
Atopie und Allergietests Martin Glatz wies in seinem Vortrag darauf hin, dass es keine Tests gibt, die die Ursache eines atopischen Ekzems definitiv eruieren können. Um festzu-
ergene. Dazu gehören Gräser-, Beifuss, Birken-, Erlen-, Eschen-, Hasel- und Roggenpollen. Der Test, bei dem allergenspezifische Mastzellen aktiviert werden, zeigt durch Hervorrufen von Juckreiz und durch Bildung von Quaddeln an, ob ein Patient auf bestimmte Stoffe sensibilisiert und somit Atopiker ist. Zusätzlich empfahl Martin Glatz den Nachweis von allergiespezifischen
Zur Behandlung des atopischen Ekzems sind eine rückfettende Bodylotion und ein Präparat zur Entzündungshemmung notwendig
Nachweis Kontaktallergie
Neurodermitiker haben ein erhöhtes Risiko für Kontaktallergien. Bei Verdacht auf ein Kontaktekzem ist ein Epikutantest in einer spezialisierten Klinik angezeigt. Bei diesem Test werden die häufigsten Allergene in einer geeigneten Konzentration mithilfe einer Trägersubstanz (z.B. Vaseline) auf die Haut des Rückens aufgetragen. Der Testbereich wird anschliessend durch spezielle Pflaster mit kleinen Kammern aus Aluminium, Kunststoff oder Gaze abgedeckt. Die Testresultate werden nach 48 und nach 72 Stunden abgelesen.
Therapie des atopischen Ekzems
Zur Behandlung des atopischen Ekzems
sind laut Martin Glatz zwei Präparate
notwendig: Einerseits braucht der Pa-
tient eine rückfettende Basistherapie,
andererseits ein Präparat zur Entzün-
dungshemmung. Seit Juni 2017 ist in
der Schweiz das neue, vielversprechende
Biologikum Dupilumab zugelassen, das
bei schwerer Neurodermitis angewen-
det werden kann. Dupilumab ist ein
monoklonaler Antikörper, der die Re-
zeptoren für zwei zentrale Zytokine der
Th2-Immunantwort neutralisiert. Die
Allergiestation der Dermatologischen
Klinik am Universitätsspital Zürich
setzt das Medikament ein und führt
eine Neurodermitissprechstunde, wel-
cher Hausärzte ihre Patienten zuweisen
können.
O
stellen, ob ein Patient tatsächlich an einer Neurodermitis leidet, empfiehlt der Spezialist dasselbe Vorgehen wie beim Nachweis einer Typ-I-Allergie, die sich schnell entwickelt, also innerhalb von Minuten, und durch Immunglobulin E (IgE) vermittelt wird. Eine Typ-IV-Allergie (z.B. kontaktallergisches Ekzem) führt erst nach Tagen beziehungsweise Wochen zu Hautsymptomen und wird durch Immunzellen (z.B. T-Zellen) vermittelt. Typ-I-Allergien lassen sich auch in der Hausarztpraxis mithilfe eines Pricktests abklären. Getestet werden die häufigsten All-
Antikörpern (IgE) im Labor. Bei saisonal auftretendem atopischem Ekzem kann sich der Allgemeinpraktiker auf den Nachweis des Gesamt-IgE und der wichtigsten Allergene beschränken, nämlich Baumpollen (Januar bis Mai: Bet v 1, Ole e 1), Gräserpollen (Mai bis Anfang September: Phl p 1/5) und Kräuterpollen (September bis Ende November: Beifuss). Die Kosten für eine solche Abklärung belaufen sich auf etwa 120 Franken. Treten die Beschwerden ganzjährig auf, sollte auch auf Hausstaubmilbe (Der p1 und Der p2) getestet werden (Kosten: ca. 50 Franken).
Susanna Steimer Miller
Quelle: Referat «Ekzeme: Wie vorgehen?» von Dr. Martin Glatz, Fortbildungsveranstaltung «Dermatologie – anwendbares Wissen für den Grundversorger», Careum Zürich, 29. Juni 2017.
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