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Mollusken und Warzen bei Kindern
Dem Alter angepasste Therapieform wählen
Die im Kindesalter häufig vorkommenden Mollusken sind nicht nur ästhetisch, sondern auch wegen der Ansteckungsgefahr ein Problem für die Betroffenen.Viele Eltern und Kinder wünschen sich auch bei Warzen trotz der grossen Selbstheilungstendenz eine wirksame, schmerzlose Behandlung. Tipps zur Therapie von Mollusken und Warzen im Kindesalter gab die pädiatrische Dermatologin Dr. Anne-Marie Calza, Genf, in ihrem Vortrag an der 99. Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV) in Bern,
Das Molluscum contagiosum ist eine hochansteckende epidermale Infektion durch ein Virus aus der Familie der Pockenviren (Poxviridae) (Abbildung 1). Häufiger Ansteckungsweg ist das gemeinsame Bad mit Geschwistern oder das Baden im Schwimmbad oder im Swimmingpool. Die Hautinfektion heilt innerhalb von 12 bis 24 Monaten spontan ab. Mollusken sind heute häufiger als vor 37 Jahren, möglicherweise weil früher die Pockenimpfung durch Kreuzimmunität einen Schutz vor Mollusken bewirkte. Die klassische Form von Molluscum contagiosum ist eine «vulkanförmige», im Zentrum genabelte Papel (Abbildung 2). Bei Kindern mit Atopie sind die Läsionen zahlreicher, heilen weniger rasch, rezidivieren oft und führen manchmal zu Komplikationen (z.B. Ekzematisierung, Furunkulisierung).
Mechanische, chemische oder immunmodulatorische Molluskenbehandlung?
Eine Behandlung der Mollusken sei nicht obligatorisch, sagte die Referentin. Die Wahl der Behandlung sei abhängig vom Alter des Kindes, seiner Beeinträchtigung und seinem Mut, von der Lokalisation der Mollusken und von den Vorstellungen der Eltern. Zur mechanischen Entfernung empfahl die Referentin die Verwendung einer korrekt geschliffenen Besnier-Kürette unter guter Lokalanästhesie. Zur
Abbildung 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme des Molluscum-contagiosumVirus aus der Familie der Pockenviren (Foto: CDC/wikimedia commons)
Abbildung 2: Molluscum contagiosum, klinisches Bild (Foto: Evanherk/wikimedia commons)
chemischen Behandlung eignen sich Kaliumhydroxidlösungen (z.B. Infectodell® 5%ige Lösung, Molusk® 10%ige Lösung). Bei der Anwendung ist es wichtig, die Lösung präzise auf die Mitte der Dellwarze aufzutragen und nach wenigen Minuten wieder abzuwaschen. Wenn sich nach etwa 4 Tagen eine Rötung oder Kruste gebildet hat, wird die Behandlung beendet. Die Abheilung erfolgt in der Regel nach 2 bis 5 Wochen. Gute Erfahrungen habe sie auch mit Cantharidinbehandlungen gemacht, berichtete die Referentin. Dabei handelt es sich um einen Extrakt aus dem Käfer Cantharis vesicatorius (deutsch: Spanische Fliege, englisch: blister beetle). Dieser Extrakt wird in der Praxis aufgetragen und nach 2 bis 6 Stunden mit Seife und Wasser wieder abgewaschen. Nach 2 bis 4 Wochen kann die Behandlung wiederholt werden. In vitro wirkt Cantharidin als Proteinphosphataseinhibitor. Hinderlich im Hinblick auf den Einsatz in der Praxis sind der hohe Preis und die Instabilität des Extraktes, der rasch aufgebraucht werden muss. Der immunmodulatorische Wirkstoff Imiquimod sollte nicht zur Behandlung von Mollusken im Kindesalter verwendet werden. Zwei nicht publizierte randomisierte, kontrollierte Studien ergaben negative Resultate (1).
Warzen im Kindes- und Jugendalter
Warzen kommen bei Kindern und Adoleszenten wesentlich häufiger vor (z.B. im Primarschulalter bei 33%) als bei Erwachsenen (bei 3,5%). Oft bilden sich Warzen an kleinen Wunden – plantare Warzen nach leichten Fussverletzungen im Schwimmbad oder in der Turnhalle, periunguale Warzen nach Nagelbeissen oder periungualen Manipulationen. Ähnlich wie bei der Bronchitis oder Otitis bestehe auch bei Warzen manchmal eine familiäre Disposition mit zahlreichen Warzen bis zum Ende der Adoleszenz, berichtete die Referentin. In diesen Fällen komme es wiederholt zu Rezidiven, was auch immer therapeutisch unternommen werde. Genitale oder perianale Warzen entstehen bei Kleinkindern unter 2 Jahren in
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der Regel durch vertikale Übertragung während der Schwangerschaft oder bei der Geburt. Wenn Kinder über 2 Jahre betroffen sind, muss die Ansteckungsquelle in erster Linie bei Angehörigen oder anderen Betreuungspersonen mit vulgären Warzen an den Händen gesucht werden. In etwa 5 Prozent muss an sexuellen Missbrauch gedacht und eine Abklärung durch einen Spezialisten für Kindsmissbrauch durchgeführt werden. In der Regel müssen genitale Warzen im Kindesalter nicht behandelt werden, weil sie bei den meisten Kindern innerhalb von 2 Jahren spontan abheilen. Wenn eine Behandlung unumgänglich ist, kommen Salizylvaseline (3% bis 5%), Podophyllotoxin oder Imiquimod in Betracht.
Mechanische und chemische Warzenbehandlungen bei Kindern
Mit oder ohne Behandlung heilen vulgäre Warzen bei 65 Prozent der betroffenen Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren innerhalb von 2 Jahren und bei 80 Prozent innerhalb von 4 Jahren. Zur mechanischen Beseitigung von Warzen eigne sich im Kindesalter die Kryotherapie mittels Spray mit flüssigem Stickstoff (unter minus 196 °C), die von Kindern als «magische» Behandlung empfunden werde, sagte die Referentin. Durch intermittierende Applikation im Verlauf von 10 Sekunden könne die Schmerzhaftigkeit reduziert werden. Weniger effizient seien die im Handel erhältlichen Kryotherapiesysteme, die mit verschiedenen Gasen arbeiten (z.B. Dimethyleter, Propan, Isobutan) und nicht mehr Kälte als minus 56 °C erreichen (z.B. Wartner®, Verrukill®). Die Behandlung sei schmerzhafter, weil der Applikator direkt auf die Warze gedrückt werden müsse. Die Warzenentfernung mittels Laser (z.B. CO2-Laser, gepulster Farbstofflaser) sei schmerzhaft und werde von den Krankenkassen nicht vergütet. Für die chemische Warzenbehandlung empfahl die Referentin in erster Linie topische Salizylsäure 10% bis 15% (z.B. Clabin®, Duofilm®, Verrumal®, Warzab®). Ausserdem verwendet sie Endwarts® (Ameisensäure). Solcoderm® (Gemisch von Säuren mit pH unter 1) eigne sich zur Behandlung plantarer Warzen, und Retinoide können zur Therapie planer Warzen im Gesicht eingesetzt werden. Immunmodulatorische Warzenbehandlungen (z.B. mit BCG = Bacillus Calmette-Guérin oder mit lokalen Antigeninjektionen) seien im Kindesalter nicht indiziert, sagte Calza. Aus der Volksmedizin ist die Warzenbehandlung mit dem frischen Milchsaft des Schöllkrauts (Chelidonium majus, Abbildung 3) bekannt. Der Saft enthält antimitotisch wirksames Coptisin. Die Referentin berichtete, dass sie bei dieser Behandlung nie Hautschädigungen oder Sensibilisierungen beobachtet habe. Die Kinder seien stolz, weil sie die Behandlung mit der Pflanze selbst durchführen können.
Warzentherapie mit Suggestion, Magie oder Klebeband
«Unterschätzen Sie bei der Warzenbehandlung nicht
das magische Denken kleiner Kinder», sagte die
Referentin. Erzählen Sie eine passende Geschichte,
und sorgen Sie dafür, dass das Kind aktiv in die Be-
handlung einbezogen wird, sowohl in der Praxis als
auch zu Hause. Kinder sind gut hypnotisierbar und
sprechen auf suggestive Warzenbehandlungen an.
Eine weitere einfache und billige Behandlung vulgä-
rer Warzen ist die Klebebandmethode. Vor 15 Jahren
wurde diese praktisch nebenwirkungsfreie Behand-
lungsmethode bei insgesamt 51 Patienten (Durch-
schnittsalter 9 Jahre) in einer
prospektiven, randomisierten,
kontrollierten Studie im Ver-
gleich mit der üblichen Kryothe-
rapie getestet (2). Bei 26 Kin-
dern wurde ein kleines Stück
Klebeband für 6 Tage auf die
Warze geklebt. Anschliessend
wurde das Klebeband entfernt,
die Warze mit einem Bimsstein
abgeschabt und über Nacht
nicht bedeckt. Am nächsten
Morgen wurde die Klebeband-
behandlung fortgesetzt und bis
zur Abheilung der Warze oder
während maximal 2 Monate je-
weils wiederholt. In der Ver-
gleichsgruppe (25 Kinder) wurde Abbildung 3: Schöllkraut (Chelidonium majus)
die Vereisung mit flüssigem
Stickstoff (während 10 Sekunden) alle zwei bis drei
Wochen wiederholt. Im Vergleich zur Kryotherapie
erwies sich die Klebebandtherapie in der Studie so-
gar als noch wirksamer. Nach zwei Monaten waren
die Warzen in der Klebebandgruppe bei 85 Prozent
und in der Kryotherapiegruppe bei 60 Prozent ganz
abgeheilt. Während die Kryotherapie allgemein als
schmerzhaft empfunden wurde, berichteten Patienten
der Klebebandgruppe nur vereinzelt über leichte Haut-
reizungen und über vorzeitiges Abfallen des Klebe-
bandes. Der genaue Wirkungsmechanismus, auf
dem die Klebebandtherapie beruht, ist nicht be-
kannt. Möglicherweise stimuliert das Klebeband durch
lokale Irritation das Immunsystem (2).
L
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Katz KA et al.: Imiquimod, molluscum, and the need for a better «Best Pharma-
ceuticals for Children» act. Pediatrics 2013; 132: 1–3. 2. Focht DR et al.: The efficacy of duct tape vs cryotherapy in the treatment of verruca
vulgaris (the common wart). Arch Pediatr Adolesc Med 2002; 156: 971–974.
Quelle: 99. Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV), 7. bis 9. September 2017 in Bern.
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