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Unterschiedliche Resistenzsituation
MRSA werden weniger, Cephalosporinresistenzen nehmen zu
Foto: kd
Während MRSA in den meisten Spitälern Europas eher zurückgehen, sind Resistenzen von E. coli und Klebisella pneumoniae gegen Cephalosporine ein zunehmendes Problem. Auch die für die Humanmedizin wichtigen Antibiotika wie Fluorchinolone werden in unvermindertem Ausmass in der Tierzucht eingesetzt, so PD Dr. Andreas Kronenberg vom Institut für Infektionskrankheiten, Bern.
Andreas Kronenberg
Obwohl in den Medien allenthalben ein anderes Bild gezeichnet wird, zeigen die Daten des schweizerischen Zentrums für Antibiotikaresistenzen (www.anresis.ch), dass das Auftreten von MRSA (methicillinresistenter Staphylococcus aureus) unter den hospitalisierten Patienten seit Längerem in der Schweiz zurückgeht. Betrug die MRSA-Rate im Jahr 2004 in den Spitälern noch über 20 Prozent, liegt sie heute bei 7,8 Prozent. Dieser Trend lässt sich, zumindest für den stationären Sektor, auch in den meisten anderen europäischen Ländern beobachten. Als Gründe für diesen Rückgang werden bessere Spitalhygiene, aber auch die möglicherweise nachlassende Vitalität bestimmter Klone angeführt. Im ambulanten Bereich ist bei MRSA hingegen eine leichte und stetige Zunahme zu verzeichnen (1). Dafür gebe es verschiedene Ursachen, machte Kronenberg am KHM-Kongress deutlich. So werde die Grenze zwischen hospitalisiert und ambulant immer unschärfer, die Zahl der teilstationären und kurzhospitalisierten Patienten nehme zu (healthcare associated infection), was den Austausch von Keimen und die Resistenzbildung fördere. Zudem existierten sogenannte «true cMRSA» (community-acquired MRSA), die vor allem im ambulanten Bereich zirkulierten. Aber auch Pflegeheime seien ein «Hort resistenter Keime», so Kronenberg.
Von Schweinen und Menschen
Auch Schweinehalter stehen im Verdacht, neben ihren quiekenden Vierbeinern auch antibiotikaresistente Keime zu züchten. Tatsächlich liegt die MRSA-Prävalenz unter den Schweinezüchtern in Holland bei 20 bis 40 Prozent und die der im gleichen Haushalt lebenden Personen bei 4 bis 16 Prozent. Zum Vergleich beträgt der Anteil solcher multiresistenter Keime in der Allgemeinbevölkerung der Niederlande 0,1 Prozent. In der Schweiz wurden 2008 MRSA-Prävalenzen bei Westschweizer Schweinen von 14 Prozent und bei den Bauern von rund 10 Prozent festgestellt. «Es scheint hier tatsächlich ein direkter Austausch der Bakterien stattzufinden», erklärte Kronenberg.
Cephalosporinresistenzen auf dem Vormarsch
Während derzeit die MRSA-Prävalenz zurückgeht, stellt sich für ESCR-(extended spectrum cephalosporin-resistent-)E.-coli- und -Klebisella-pneumoniae-Bakterien eine
etwas andere Situation dar. Laut dem Zentrum für Antibiotikaresistenzen der Schweiz nehmen solche Cephalosporinresistenzen in der Schweiz seit zehn Jahren zu, von rund 3 Prozent im Jahr 2004 auf etwa 10 Prozent 2016. Diese Tendenz ist in den meisten europäischen Ländern zu beobachten, in manchen südlichen Staaten wie Italien, wurden ESCR-E.-coli-Raten von sogar über 25 Prozent registriert. Das Problem dieser Keime sei auch ihre Kreuzresistenz gegen Bactrim® und Fluorchinolone, so Kronenberg, der je zur Hälfte im Institut für Infektionskrankheiten und als Hausarzt tätig ist. «Solche ESCR-E. coli sehen wir im Urin wie auch im Blut nicht nur in den Spitälern, sondern zum Beispiel auch bei gesunden, niemals mit Antibiotika vorbehandelten Menschen in der ambulanten Praxis.» Eine ähnliche Zunahme ist auch bei ESCR-Klebisella pneumoniae zu verzeichnen. «Während man sich mit ESCR-Klebsiella pneumoniae eher im Spital infiziert, werden ESCR-E. coli von den Patienten ins Spital gebracht.»
Verseuchtes Pouletfleisch
Wo liegt nun das Reservoir für solche Keime? Kotproben in Ställen ergaben, dass 14 Prozent der Rinder, 15 Prozent der Schweine, jedoch 63 Prozent der Hühner ESCRBakterien ausscheiden. Entsprechend konnte in einer Schweizer Studie aus dem Jahr 2013 festgestellt werden, dass 70 Prozent der Pouletproben (n = 20) mit resistenten Keimen infiziert waren (2). «Das sind zwei, drei Hühnerzuchtbetriebe, die hochgezüchtete, hochempfindliche und extrem mit Antibiotika versorgte Vögel halten und ganz Europa mit infizierten Zuchteiern beliefern», so Kronenberg. Um die Ansteckungsgefahr zu bannen, sei es ausreichend, das Pouletfleisch zu braten, die Übertragung erfolgt jedoch in der Regel nicht direkt übers Fleisch, sondern über verunreinigte Arbeitsflächen. Die Anstrengungen der vergangenen Jahre, im Tierbereich den Antibiotikaverbrauch einzuschränken, zeigen erste Erfolge. So fiel die verbrauchte Antibiotikamenge in der Schweiz von 85 mg/Populationsbiomasse (kg) im Jahr 2008 auf 51 mg/kg im Jahr 2015. Allerdings hat sich der Einsatz der in der Tierzucht verwendeten, für die Humanmedizin wichtigen Antibiotika wie Cephalosporine der dritten und vierten Generation sowie die Fluorchinolone nicht vermindert. «Wir sind der Meinung, gerade diese Medikamente sollten in der Tierhaltung deutlich
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zurückhaltender eingesetzt werden», so der Rat von Kronenberg.
Fluorchinolonresistenzen bedenklich
In der Humanmedizin kann die Schweiz im ambulanten Bereich im europäischen Vergleich auf den niedrigsten Antibiotikaeinsatz verweisen. Im ambulanten Bereich werden pro Patient etwa viermal so viel Antibiotika verbraucht wie in den Spitälern (8,5 DDD/1000 pd vs. 2,1 DDD/1000 pd)(DDD = definierte tägliche Dosis; pd = Patiententage). Vor allem die Fluorchinolonresistenz in E.-coli-Bakterien machen dem Experten Sorgen. «Der zu häufige Einsatz hat in den letzten zehn Jahren zu einer massiven Zunahme dieser Resistenzen gesorgt.» Im europäischen Vergleich korrelieren der länderspezifische Verbrauch von Fluorchinolonen und die jeweiligen Resistenzraten direkt miteinander. Staaten mit hohem Chinolonverbrauch wie Italien, Griechenland, Rumänien oder Spanien weisen die höchsten Resistenzraten auf. Ähnliche Korrelationen wurden auch in einer Untersuchung von 20 Schweizer Spitälern festgestellt. Je intensiver der Einsatz von Carbapenemen oder von Breitbandantibiotika, desto häufiger kam es zu Antibiotikaresistenzen bei Pseudomonas aeruginosa.
Risiko Reisen
Weltweit reisen jährlich rund 11 Millionen Menschen ins Ausland, um sich medizinisch behandeln zu lassen. Während ein Bypass in Indien 10 000 Dollar kostet, müssen dafür in den USA 130 000 Dollar hingelegt werden. Für ein neues Knie werden in Thailand 10 000 Dollar berechnet, während in den USA 40 000 Dollar notwendig sind. Allerdings birgt eine Hospitalisation in einem ausländischen Spital immer auch das Risiko, neben der neuen Hüfte auch einen resistenten Keim mit nach Hause zu bringen. Mehrere Studien konnten überdies zeigen, dass auch Touristen, ohne selbst krank zu sein, solche Bakterien in ihre Heimatländer schleppen. So trugen 15 bis 88 Prozent der Schweiz-Heimkehrer aus Indien antibiotikaresistente Keime in sich. Solche Keime können langlebig sein: Noch nach einem Jahr sind sie bei der Hälfte der Rückkehrer im Darm nachweisbar, nach zwei Jahren immerhin noch bei 33 Prozent. In manchen Fällen, so Kronenberg, würden solche Bakterien über viele Jahre in ihren Wirten verbleiben.
Strategie Antibiotikaresistenz StAR
Zwischen 2013 und 2015 wurden von verschiedenen staatlichen Behörden wie zum Beispiel BAG (Bundesamt
für Gesundheit), BAFU (Bundesamt für Umwelt) und BLW (Bundesamt für Landwirtschaft) in Zusammenarbeit mit Fachgesellschaften die Strategie Antibiotikaresistenz StAR entwickelt (mehr Infos unter: www.star.admin.ch). Das Ziel: die Wirksamkeit der Antibiotika langfristig für Mensch und Tier zu sichern. Das ist eine gewaltige Aufgabe, denn die Quellen, aus denen Antibiotika in Mensch und Umwelt gelangen, sind vielfältig: Spitäler, Arztpraxen, Haushalte, Tiermedizin, Viehzucht oder Fischzucht und Landwirtschaft. Antibiotika werden vielfach noch zu sorglos verschrieben. So gaben in einer Umfrage zum Antibiotikaverbrauch rund ein Viertel der Deutschschweizer und ein Drittel der Westschweizer beziehungsweise Tessiner an, in den vorangegangenen zwölf Monaten Antibiotika eingenommen zu haben. Innerhalb des StAR-Programms wurde im Humanbereich in diesem Jahr das nationale Referenz-labor zur Früherkennung neuer Antibiotikaresistenzen (NARA) aufgebaut. Zudem sind neue Verschreibungsrichtlinien respektive die Anpassung an Schweizer Verhältnisse sowie eine bessere Information und Kommunikation mit Patienten, Ärzten und Apothekern geplant. Ab 2018 sollen für die unterschiedlichen Infektionskrankheiten die jeweiligen Guidelines publiziert werden. Auch in der Tiermedizin werden zusammen mit Vetsuisse neue Therapierichtlinien erarbeitet, die zu einem gezielteren und letztlich geringeren Antibiotikaverbrauch führen sollen. Ebenso sind Resistenzüberwachungen in der Tierhaltung geplant. Weiteres Ziel: Die Herkunft jedes einzelnes Schweins soll zurückverfolgt werden können. Damit können Tierverschiebungen in Europa besser kontrolliert und gegebenenfalls gestoppt werden. Mit der frühzeitigen Verhinderung beziehungsweise Elimination von Abwasserverunreinigungen (z.B. in Spitälern) soll zudem der Antibiotikaeintrag in die Natur und damit das Risiko der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen in Zukunft gesenkt werden.
Klaus Duffner
Quelle: «Strategie Antibiotikaresistenzen StAR – Umsetzung in der Praxis». 19. Fortbildungstagung des Kollegiums für Hausarztmedizin (KHM), 22./23. Juni 2017 in Luzern.
Referenzen: 1. Olearo F et al.: Ten years of MRSA surveillance in Switzerland: similarities and differences with Europe. Antimicrobial Resistance and Infection Control 2015; 4 (Suppl 1): O8. Abstract from 3rd International Conference on Prevention and Infection Control (ICPIC 2015) Geneva, Switzerland, 16-19 June 2015. 2. Seiffert SN et al.: Extended-spectrum cephalosporin-resistant gram-negative organisms in livestock: an emerging problem for human health? Drug Resist Updat 2013;16 : 22–45.
Schweizerisches Zentrum für Antibiotikaresistenzen
www.rosenfluh.ch/qr/anresis Strategie Antibiotikaresistenzen
www.rosenfluh.ch/qr/StAR
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