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Herzstillstand durch Schlag auf den Brustkorb
Untertitel
-
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Commotio cordis ist sehr selten, gilt aber als einer der häufigsten Gründe für einen plötzlichen Herztod bei jungen, gesunden Sportlern. Warum ein heftiger Schlag auf den Brustkorb tödlich sein kann, hat nun ein internationales Forscherteam herausgefunden.
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MEDIEN - MODEN - MEDIZIN
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32992
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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN

Gastroenterologie
Akuter Durchfall in der Schweiz

Magen-Darm-Erkrankungen führen in der Schweiz zu beträchtlichen Erwerbsausfällen und verursachen hohe volkswirtschaftliche Kosten. Dies ist das Resultat einer Studie, die das Schweizerische Tropen- und Public-Health-Institut zusammen mit dem Bundesamt für Gesundheit durchgeführt hat. «Unsere Daten zeigen, dass akuter Durchfall jährlich zu etwa gleich vielen Arztkonsultationen führt wie die Grippe während der Grippesaison», sagt die Epidemiologin und Doktorandin Claudia Schmutz

vom Swiss TPH, Erstautorin der Studie. Ausgewertet und hochgerechnet wurden die Daten des Sentinella-Meldesystems für das Jahr 2014. In der Schweiz gehen demnach zirka 175 000 Personen pro Jahr wegen einer akuten Durchfallerkrankung zum Hausarzt, und knapp neun von zehn Erwerbstätigen, die deswegen ihren Arzt aufsuchen, fehlten im Durchschnitt vier Tage bei der Arbeit. Die Hausärzte klassifizierten den Allgemeinzustand der Patienten im Mittel als recht gut (7 Punkte auf einer 10-stufigen Skala von 1 = sehr schlecht bis 10 = gut). Die meisten Patienten (92%) wurden symptomatisch behandelt (Diät und/oder Medikamente); Antibiotika wurden für 8,5 Prozent der Patienten verordnet. Stuhltests wurden bei 12,5 Prozent der Patienten durchgeführt, vor allem bei Reiserückkehrern. Wie die Grippe kommen auch schwere Durchfallerkrankungen saisonal gehäuft vor. So verzeichnete man im Januar und Februar 2014 die meisten Arztkonsul-

tationen aufgrund von Magen-DarmInfektionen. «Diese Häufung der Arztbesuche im Winter hat uns überrascht», sagt der Leiter der Studie, Dr. Daniel Mäusezahl. Er hätte eher eine Zunahme während der Grillsaison im Sommer erwartet, denn ungenügend grilliertes Pouletfleisch ist als CampylobacterQuelle bekannt. In vielen Fällen blieb unbekannt, welcher Erreger den akuten Durchfall verursacht hat, weil eine Stuhluntersuchung für die Therapie in den meisten Fällen nicht zwingend ist. Für den Aufbau nationaler Präventionsmassnahmen wäre die Information über das Erregerspektrum aber unerlässlich, heisst es in der Pressemitteilung des Swiss TPH.
redO
Schmutz C et al.: Acute gastroenteritis in primary care: a longitudinal study in the Swiss Sentinel Surveillance Network, Sentinella. Infection 2017, online 4 Aug 2017 und Pressemitteilung des Swiss TPH vom 3. August 2017.

Sucht
Alkoholvergiftung ist kein Jugendphänomen, aber ...

In einem Forschungsbericht, der von Sucht Schweiz im Auftrag des BAG vorgelegt wurde, zeigt sich, dass die Spitalaufnahme wegen Alkoholvergiftung kein Jugendphänomen ist. Personen im mittleren und höheren Alter sind davon deutlich stärker betroffen als Jugendliche und junge Erwachsene bis 23 Jahre. Ausgewertet wurde die «Medizinische Statistik der Krankenhäuser» des Bundesamts für Statistik von 2003 bis 2014. Diese Statistik umfasst als stationär aufgenommene Patienten in der Schweiz. Gezählt wurden die Diagnosen «Alkohol-Intoxikation» (ICD10: F10.0, F10.1, T51.0) und «Alkoholabhängigkeit» (ICD10: F10.2 bis F10.9). Zwischen 2003 und 2008 nahmen die Hospitalisierungen wegen Alkoholvergiftung und/oder -abhängigkeit stark zu; danach sanken sie wieder, sind aber 2014 immer noch häufiger als 2003. Die

Autoren des Forschungsberichts weisen darauf hin, dass nur stationäre Patienten in der Statistik erfasst würden und man somit nur die Spitze des Eisbergs erfasst habe. Im Jahre 2014 wurden insgesamt 23 313 Personen aller Alterstufen, zum Teil mehrfach, im Spital aufgenommen (34 893 Hospitalisierungen), davon 11 080 Personen mit der Haupt- oder Nebendiagnose Alkoholvergiftung. Knapp 8 Prozent von ihnen waren junge Menschen zwischen 10 und 23 Jahren. Der Anteil der Patienten mit Alkoholvergiftung steigt mit dem Alter stetig, sodass der höchste Anteil bei den 65- bis 74-Jährigen zu finden ist. Dies auch deshalb, weil bei einem grossen Teil dieser Personen gleichzeitig eine Alkoholabhängigkeit festgestellt wird. Gleichzeitig zeigten neue Forschungsergebnisse, dass die Hirnentwicklung von

jungen Menschen durch regelmässiges Rauschtrinken beeinträchtigt wird und dass solcher Konsum ähnliche (wenn auch weniger starke) Defizite wie bei Alkoholabhängigkeit hervorruft, heisst es in einer Pressemitteilung von Sucht Schweiz. Somit könnten Rauschtrinken und Alkoholabhängigkeit als zwei Phasen desselben Phänomens betrachtet werden. Rauschtrinken sei nicht nur ein problematisches Jugendphänomen, sondern habe langfristige Auswirkungen und trete mit zunehmendem Alter häufig in Verbindung mit Abhängigkeit auf. redO
Marmet S et al.: Hospitalisierungen aufgrund von Alkohol – Intoxikation oder Alkoholabhängigkeit bei Jugendlichen und Erwachsenen. Eine Analyse der Schweizerischen «Medizinischen Statistik der Krankenhäuser» 2003 bis 2014 (Forschungsbericht Nr. 92). Lausanne: Sucht Schweiz, 2017 und Pressemitteilung von Sucht Schweiz am 8. August 2017.

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ARS MEDICI 16 I 2017

MEDIEN, MODEN, MEDIZIN

Neurologie
Selektives Gedächtnis

Emotionale Erlebnisse bleiben besonders lang und detailreich im Gedächtnis haften. Forscher der Universität Basel beschreiben nun zusammen mit Kollegen aus den Niederlanden und den USA einen Mechanismus, der hinter diesem Phänomen stecken könnte (1). In Tierversuchen mit Ratten fanden sie heraus, dass der Botenstoff Noradrenalin für die emotionale Verdrahtung der Erinnerung eine zentrale Rolle spielt. War die Konzentration von Noradrenalin im Gehirn während der Gedächtnisabspeicherung hoch, erinnerten sich die Tiere vier Wochen danach stärker und genauer an das Erlebte als bei einem niedrigen Niveau des Botenstoffs während des Lernvorgangs. Ferner zeigten die Experimente, dass emotionale Erinnerungen länger mit dem Hippocampus verknüpft sind, der für das Abspeichern und Erinnern detaillierter Information wichtig ist. Aus früheren Studien weiss man, dass Erinnerungen mit der Zeit zunehmend unabhängig vom Hippocampus in der Hirnrinde abgespeichert werden; dabei verlieren sie an Detailreichtum. Die mit emotionalen Erlebnis-

sen einhergehende Ausschüttung von Norad-

renalin führte bei den Tieren zu einer längeren

Involvierung des Hippocampus und damit zu

stärkeren und detailreicheren Erinnerungen.

Einen weiteren Mechanismus des selektiven

Gedächtnisses haben Forscher der Universität

Magdeburg herausgefunden (2). Sie konnten

in Tierversuchen mit Mäusen eine Gruppe von

Nervenzellen im Hippocampus identifizieren,

die unterschiedliche Sinneseindrücke gegen-

einander abwägen und den gemachten Erfah-

rungen unterschiedliche Bedeutungen und

Prioritäten zuweisen. Diese sogenannten

HIPP-Zellen werden beim Lernen aktiviert.

Sowohl die Stärke als auch die Funktion des

HIPP-Zell-Schaltkreises können erfahrungs-

abhängig reguliert werden.

redO

1. Atucha E et al.: Noradrenergic activation of the basolateral amygdala maintains hippocampusdependent accuracy of remote memory. PNAS 2017; online 8. August 2017 und Pressemitteilung der Universität Basel vom 8. August 2017.
2. Raza SA et al.: HIPP neurons in the dentate gyrus mediate the cholinergic modulation of background context memory salienc. Nature Communications 2017; 8: 189 und Pressemitteilung der Universität Magdeburg vom 10. August 2017 (idw).

Kardiologie
Herzstillstand durch Schlag auf den Brustkorb

Herzrhythmusstörungen, die durch einen kurzen, harten Schlag, ohne feststellbare Verletzung des Herzmuskels, ausgelöst werden, bezeichnet man als Herzerschütterung oder Commotio cordis. Sie sind sehr selten, gelten aber als einer der häufigsten Gründe für einen plötzlichen Herztod bei jungen, gesunden Sportlern. Warum ein heftiger Schlag auf den Brustkorb zum Herzstillstand führen kann, hat jetzt ein internationales Forscherteam geklärt. Die Wissenschaftler wiesen in Laborstudien nach, dass durch lokale mechanische Stimulation im Herzgewebe ein zusätzlicher elektrischer Reiz entstehen kann, der Kammerflimmern verursacht und schliesslich zum Herzstillstand führt. Durch die mechanische Reizung des Herzgewebes werden Ionenkanäle in den Herzzellen verformt. In der Folge wird eine zusätzliche elektrische Erregungswelle ausgelöst. Dies hat nur dann schwerwiegende Konsequenzen, wenn die Erregung dort entsteht, wo kurz zuvor eine normale Erregungswelle über das Herz gelaufen ist. Ausserdem muss die neu entstehende Welle genau die passende Ausbreitungsrichtung haben. Bekannt war bereits, dass die zusätzliche Erregung nur in

einem Zeitfenster von 20 Millisekunden pro Herzschlag Auswirkungen hat. «Für die normale Herzfunktion müssen diese Wellen, wie Wasser am Strand, gleichmässig ein-und auslaufen. Eine Störung der Dynamik kann zu Verwirbelungen führen, die eine koordinierte Pumpfunktion unmöglich machen», veranschaulicht der Erstautor der Studie, Prof. Dr. Alexander Quinn, Dalhousie University, USA, den Mechanismus. Andere Studien hatten bereits gezeigt, dass das Risiko steigt, je kleiner und härter der Kontakt eines Objektes mit dem Brustkorb ist. Ein besonders ungewöhnlicher Fall von Herzerschütterung erregte Mitte Juni internationale Aufmerksamkeit: Der französischen Bloggerin Rebecca Burger war ein mit Druckluft betriebener Sahnespender explodiert und ein Teil mit grosser Wucht gegen den Brustkorb geprallt. Dies führte zum Herzstillstand, an dem Burger schliesslich verstarb. redO
Quinn TA et al.: Mechanically induced ectopy via stretch activated cation-nonselective channels is caused by local tissue deformation and results in ventricular fibrillation if triggered on the repolarization wave edge (commotio cordis). Circulation: Arrhythmia and Electrophysiology 2017;10:e004777 und Pressemitteilung des Universitären Herzzentrums Freiburg im Breisgau/Bad Krozingen vom 10. August 2017.

Rückspiegel

Vor 10 Jahren
Chikungunya in Italien
Die tropische Tigermücke, die das Fieber überträgt, lebt schon lange in Europa, nun wird erstmals die Übertragung des Chikungunyavirus in Norditalien nachgewiesen. 151 Fälle werden in der Provinz Ravenna von Juli bis September 2007 offiziell bestätigt, und ein 83-Jähriger stirbt an dem Fieber.

Vor 50 Jahren
Lebertransplantation
Im Sommer 1967 geht der erste Geldautomat auf Dauer in Betrieb. Die Barclays Bank hat ihn in Enfield Town nördlich von London aufgestellt und engagiert einen Schauspieler, der öffentlichkeitswirksam die erste Abhebung vornimmt. Allerdings ist es keine echte Premiere, denn bereits 1939 testete die City Bank of New York zum ersten Mal den Automatenservice. Weil dieser aber von der Kundschaft schlecht angenommen wurde, baute man das technisch einwandfreie Gerät bereits nach einem halben Jahr wieder ab. Bekanntermassen anders ging es ab 1967 weiter, und heute sind weltweit zirka zwei Millionen Geldautomaten in Betrieb.

Vor 100 Jahren
Kniebeugendiagnose

Um die Herzleistung zu messen, empfiehlt

Max Ostermann, Chefredaktor von ARS

MEDICI, in der Mai-Ausgabe 1917 die Blut-

druckmessung vor und nach zehn Kniebeu-

gen. Im Juli schildert ein Kollege eine noch

einfachere Methode. Man solle den Proban-

den nach zehn langsamen Kniebeugen laut

bis 20 zählen lassen: «Ist die Atemnot derart,

dass der Untersuchte das Zählen mehrmals

durch Einatmen unterbrechen muss, so liegt

eine Insuffizienz vor.» Schiesst hingegen die

Pulsfrequenz in die Höhe, deute dies «mehr

auf abnorme Erregbarkeit des Herzens hin».

Das Ermitteln der Herzleistung ist vor allem

für die Musterung relevant, denn es wird

ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine

Pulsfrequenz von 160 bis 170 nach den Knie-

beugen gegen die Tauglichkeit des Proban-

den für den Kriegsdienst spreche.

RBO

ARS MEDICI 16 I 2017