Transkript
SGAIM
Diabetische Niere zusätzlich entlastet
SGLT-2-Hemmer verlangsamt diabetische Nephropathie
Dass mit SGLT-2-Hemmern Diabetes mellitus Typ 2 behandelt werden kann, ist hinlänglich bekannt. Dass diese als Zugabe die Mortalität senken, darüber wurde auch schon viel berichtet. Dass sie aber als weitere Zugabe auch noch die Progression der diabetischen Nephropathie bremsen können, ist für Diabetiker mit und ohne Nierenschaden eine gute Nachricht.
Ein wichtiger Mechanismus in der Progression der diabetischen Nephropathie ist die glomeruläre Hyperfiltration. Eine Möglichkeit, den Druck im Glomerulus abzubauen und damit die Hyperfiltration zu bremsen, besteht zum einen in der Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems. Zum anderen gibt es eine neue Möglichkeit, die diabetisch angeschlagene Niere zu entlasten: mit einem SGLT-2-Hemmer. Wie eine Analyse der EMPA-REGStudie ergab, reduziert Empagliflozin nicht nur die kardiovaskuläre und die Gesamtmortalität bei Typ-2-Diabetikern (1), es verlangsamt zusätzlich die Progression der Nierenerkrankung sowie die Entstehung von Neuerkrankungen um 39 Prozent, bei Patienten die bereits unter RAAS-Hemmern als Bestandteil der «Standard Care» stehen. Dieses Muster zog sich durch alle Subgruppen wie Alter, Geschlecht, Diabetesdauer und eGFR (estimated glomerular filtration rate) über oder unter 45 ml/min (2). Jene Patienten mit einer eGFR über 90 ml/min profitierten etwas mehr von diesem Effekt als jene, deren Filtrationsrate bereits tiefer lag. «Das bedeutet, dass man mit der Gabe eines SGLT-2-Hemmers nicht warten sollte, bis die Nierenfunktion reduziert und eine schwere Albuminurie aufgetreten ist», so der Rat von Prof. Michel Burnier, Service de Néphrologie et Hypertension, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, am SGAIM-Kongress in Lausanne. Der Effekt von Empagliflozin auf die eGFR in der Beobachtung über 192 Wochen bestand anfänglich beziehungsweise in den ersten 4 Wochen aus einem steilen Abfall um etwa 3 ml/min, um sich dann auf diesem Niveau stabil für die restlichen Studienwochen einzupendeln. Demgegenüber war in der Plazebogruppe ein stetiger Abfall zu beobachten. «Genau dieser Effekt war auch bei der Einführung der ACE-Hemmer vor 20 Jahren zu beobachten», erinnert sich Burnier. Dapagliflozin reduziert ebenfalls die Albuminurie bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung im Sta-
Take Home Messa es
® SGLT-2-Hemmer können die Progression der diabetischen Nephropathie bremsen.
® SGLT-2-Hemmer sollten bereits vor dem Auftreten einer Albuminurie eingesetzt werden.
® SGLT-2-Hemmer scheinen auch in der Praxis die Hospitalisationsrate infolge Herzinsuffi-
zienz und die Gesamtmortalität zu senken.
dium 3 (3), was mit der Reduktion der glomerulären Hyperfiltration korreliert. Welche Nebenwirkungen muss man gewärtigen? Bei Patienten unter Empagliflozin, auch bei jenen mit einer eGFR unter 60 ml/min, muss einzig auf das erhöhte Risiko für Infektionen des Urogenitaltrakts hingewiesen werden, weil die durch die höhere Glukoseausschwemmung bedingte höhere Glukosekonzentration im Urin das Candidawachstum begünstigen kann. Unter Empagliflozin kam es auch zu weniger Fällen von akutem Nierenversagen (2). Allerdings muss man daran denken, dass dies bei hoher sportlicher Belastung von 2 bis 3 Stunden wie ein Diuretikum wirkt. Die Patienten verlieren nicht nur schneller Glukose, sondern auch Salze, die sie ersetzen sollten, mahnt Burnier.
Nicht nur Diabetes
Ein grosser Praxis-Survey, der diesen Frühling am Jahreskongress des American College of Cardiology (ACC) präsentiert wurde, illustriert das Ausmass an Vorteilen, das die neuen SGLT-2-Inhibitoren bringen können. Dieses «RealLife-Survey» hat Herzinsuffizienz-Hospitalisations- und Gesamtmortalitätsdaten von über 300 000 Typ-2-Diabetikern, davon etwa hälftig SGLT-2-Hemmer-Benutzer sowie Patienten unter anderen Antidiabetika, aus sechs Ländern (USA, Norwegen, Dänemark, Schweden, Grossbritannien und Deutschland) zusammengetragen. Die Analyse ergab für SGLT-2-Hemmer im Vergleich zu den übrigen Antidiabetika ein etwa halbiertes Risiko für Hospitalisation infolge Herzinsuffizienzverschlechterung (Hazard Ratio [HR]: 0,61) und für die Mortalität (HR: 0,49), dies ohne besondere Unterschiede zwischen den sechs Teilnehmerländern (4). «SGLT2-Hemmer nützen nicht nur der diabetischen Niere, sie senken auch die Mortalität. Das ist wirklich eine enorme Therapiemöglichkeit, die nicht nur in Studien zu funktionieren scheint, sondern auch in der Praxis. Und das Schöne ist, dass die reno- und die kardioprotektiven Effekte nichts mit der antidiabetischen Wirkung zu tun haben – das ist zusätzlich», so Burnier abschliessend.
Valérie Herzog
Quelle: «Renal Protection with SGLT-2-Inhibitors in diabetic nephropathy».
Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine
und Innere Medizin (SGAIM), 3. bis 5. Mai 2017 in Lausanne.
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Referenzen: 1. Zinman B et al.: Empagliflozin, Cardiovascular Outcomes, and Mortality in Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 2117–2128. 2. Wanner C et al.: Empagliflozin and Progression of Kidney Disease in Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2016 ; 375 : 323–334. 3. Fioretto P et al.: Dapagliflozin reduces albuminuria over 2 years in patients with type 2 diabetes mellitus and renal impairment. Diabetologia 2016; 59: 2036–2039. 4. Kosiborod M et al. : Lower Risk of Heart Failure and Death in Patients Initiated on SGLT-2 Inhibitors Versus Other Glucose-Lowering Drugs: The CVD-REAL Study. Circulation 2017 May 18; Epub ahead of print.
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