Transkript
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NOAK in speziellen Situationen richtig einsetzen
Antikoagulation bei Vorhofflimmern und Stent
Die Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) und Stentimplantation muss sowohl in die plasmatische als auch die thrombotische Gerinnung eingreifen. So skizzierte PD Dr. Jan Steffel, Zürich, die doppelte Herausforderung. Um das Blutungsrisiko zu minimieren, muss die Überschneidung beider Ansätze berücksichtigt werden.
Auch bei Patienten mit VHF und Stentimplantation steht vor einer Behandlung die Risikostratifizierung mittels Chad2DS2-VASc- und HASBLED-Score. Steht die Indikation zur Behandlung des Vorhofflimmerns, sollten heute aufgrund der Datenlage NOAK den Vitamin-K-Antagonisten (VKA) vorgezogen werden (Klasse-IA-Empfehlung) (1). Ebenfalls neu in den ESC-Guidelines zum Vorhofflimmern ist eine Klasse-IIIA-Empfehlung gegen die Monotherapie mit ASS – «wir haben lange den Nutzen über- und das Blutungsrisiko unterschätzt», wie Steffel anmerkte; dank guter Alternativen ist ASS hier heute obsolet. NOAK werden ausdrücklich nicht empfohlen für Patienten mit mechanischen Herzklappen (IIIB) oder relevanter Mitralstenose (IIIC). Diese beiden Punkte ersetzen den alten, missverständlichen Begriff des «valvulären VHF», das bisher als Kontraindikation für ein NOAK galt. Dabei können VHF-Patienten mit Aortenstenose oder Mitralinsuffizienz sehr wohl ein NOAK erhalten, sie haben in den bisherigen Studien nicht schlechter abgeschnitten, so Steffel.
Triple-Antikoagulation lässt Blutungsrisiko steigen
Was aber tun bei VHF-Patienten (die eine plasmatische Gerinnungshemmung brauchen), die aufgrund eines akuten Koronarsyndroms einen Stent erhalten – bei dem eine duale Plättchenhemmung (DAPT) die etablierte Therapie der Wahl ist? Die Triple-Antikoagulation gehe mit einem deutlichen Blutungsrisiko einher, und Blutungen führten zur Mortalität, daran erinnerte der Experte. Daher wird die Dauer der Tripletherapie bei Patienten mit VHF und Stent immer weiter reduziert, und nach einem Jahr erhalten fast alle lebenslang nur noch eine orale Antikoagulation ohne ASS. Lediglich das Vorgehen dazwischen unterscheide sich je nach Ausgangslage und Risikokonstellation: Eine Tripletherapie mit oralen Antikoagulanzien (OAK [VKA oder NOAK]), ASS und Clopidogrel empfehlen die aktuellen ESC-Guidelines entweder 6 Monate oder nur 1 Monat lang (niedriges respektive hohes Risiko). Im Anschluss folgt eine duale Therapie mit OAK + ASS oder Clopidogrel (IIaC) über 6 respektive 11 Monate. Bei VHF-Patienten, die elektiv mit einem Stent versorgt werden, wird die Tripletherapie auf einen Monat reduziert, danach folgt eine duale Therapie über 11 respektive 5 Monate (niedriges vs. hohes Blutungsrisiko). Anschliessend daran erhalten die Betroffenen in der Regel nur noch eine
Take Home Messa es
® Patienten mit VHF und ACS sind eine schwierig zu behandelnde Population. ® Blutungen erhöhen Morbidität und Mortalität. ® Für die Triple-Antikoagulation scheint zu gelten: je kürzer, desto besser. ® Therapie der Wahl bei VHF sind NOAK (auch bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung
und akutem Koronarsyndrom).
® 1 Jahr nach ACS oder Stenteinlage: Monotherapie mit (N)OAK Therapie der Wahl. ® PIONEER-AF: Die erste Studie ohne ASS ist sehr vielversprechend.
Monotherapie mit oralen Antikoagulanzien – ausser Patienten nach Hauptstammstenose oder Stentthrombosen, die zusätzlich lebenslang einen Plättchenhemmer bekommen, so Steffel.
Weg von der Tripletherapie?
In Studien wie zum Beispiel der Pioneer-AF-Studie aus
dem letzten Jahr wird untersucht, ob man auf eine Tri-
pletherapie sogar verzichten könnte (2). Über 2100 Pa-
tienten mit VHF, die einen Stent erhielten, wurden in
einen von drei Armen eingeteilt und erhielten entweder:
1. den damaligen Standard: VKA (INR 2 bis 3) + DAPT, da-
nach VKA + niedrig dosiert ASS (je 6 Monate);
2. Rivaroxaban 2,5 mg 2 × täglich + DAPT, danach Rivaroxaban 15 mg einmal täglich + niedrig dosiert ASS (je 6
Monate);
3. Rivaroxaban 15 mg einmal täglich + einfache Plätt-
chenhemmung (12 Monate).
Erwartungsgemäss gingen beide Strategien mit Rivaro-
xaban aufgrund der geringeren Antikoagulation mit deut-
lich weniger Blutungen einher als die Tripletherapie
(26,7% [Arm 1] vs. 18,0% [Arm 2] vs. 16,8% [Arm 3]).
Hinsichtlich der ischämischen Endpunkte gab es kein Si-
gnal für eine geringere Wirksamkeit unter dem Faktor-
Xa-Hemmer, so Steffel; dafür war die Studie aber auch
nicht ausgelegt. «Das Vorgehen wird mit neuen Dosierun-
gen noch einmal eine Spur komplexer, aber es lohnt sich,
sich damit zu beschäftigen. Aufgrund der grossen Zahl
von Patienten können wir durch die richtige Verwendung
einen grossen Benefit erreichen.» Diese Studie weise in
die richtige Richtung – einen Schritt weiter weg von der
Tripletherapie.
Mü
Quelle: «NOACs: new clinical trial data and practical aspects», Satellitensymposium der Firma Bayer an der Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine und Innere Medizin (SGAIM), 3. bis 5. Mai 2017 in Lausanne.
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Referenzen: 1. Kirchhof P et al.: 2016 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation developed in collaboration with EACTS. European Heart Journal 2016; 37 (38): 2893–2962. 2. Gibson CM et al.: Prevention of Bleeding in Patients with Atrial Fibrillation Undergoing PCI. N Engl J of Med 2016; 375v(25): 2423–2434.
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