Transkript
WAS WURDE AUS …
Was wurde eigentlich aus dem Gewinnerprojekt von Prof. Dr. Marten Trendelenburg?
Anti-C1q-Antikörper eignen sich als Biomarker für Lupusnephritis
Die Nierenbeteiligung ist eine gravierende Komplikation des systemischen Lupus erythematodes, die eine rasche Anpassung der Behandlungsstrategie erfordert. Aus diesem Grund ist ein regelmässiges Screening von Lupuspatienten unerlässlich. Um einen Nierenbefall auch ohne Biopsie rechtzeitig erkennen zu können sind jedoch im Blut messbare Biomarker notwendig. Mit einem solchen beschäftigte sich Prof. Dr. Marten Trendelenburg, Universitätsspital Basel, in seiner Forschungsarbeit, für deren Umsetzung er im Jahr 2004 den AbbVie Rheumatology Grant erhielt.
Systemischer Lupus erythematodes (SLE) ist eine chronisch entzündliche Autoimmunerkrankung, die vorwiegend bei jungen Frauen auftritt. Mit einer Prävalenz von 15 bis 50 Fällen pro 100 000 Personen in den USA lässt sich die Anzahl der Patienten in der Schweiz auf 1200 bis 4000 schätzen, wobei die Erkrankungshäufigkeit zwi-
AbbVie Rheumatology Grant
Der AbbVie Rheumatology Grant fördert innovative und zukunftsorientierte Projekte in den Bereichen Rheumatologie und klinische Immunologie. Der Forschungspreis ist für junge Wissenschaftler bestimmt und mit 50 000 Franken dotiert. Selbst in verschiedenen Therapiegebieten forschend, startete AbbVie dieses Förderprojekt mit der Einführung von Humira® vor 14 Jahren als Engagement über die Therapie hinaus.
Jedes Jahr hat seither eine Jury die Aufgabe, aus einer Reihe von vielversprechenden Projekten dasjenige auszulesen, welches gefördert werden soll. ARS MEDICI wird sich damit beschäftigen, was aus den ausgezeichneten Projekten entstanden ist. Was ermöglicht diese Unterstützung – auch auf längere Sicht? Was konnten die Forscher damit erreichen? Und wie wichtig ist ein solcher Anreiz für junge Wissenschaftler?
schen verschiedenen Ethnien variiert (1). Bei etwa 50 Prozent der Patienten kommt es im Laufe der Erkrankung zu einem Befall der Niere, womit die Lupusnephritis (LN) die häufigste viszerale Manifestation des SLE ist (2). Sie trägt wesentlich zur Langzeitmorbidität und Mortalität bei, indem sie beispielsweise das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht und bei ungünstigem Verlauf sogar zu einer terminalen Niereninsuffizienz führen kann (2). Aus diesem Grund ist die frühe Diagnose einer LN unerlässlich. Der Mangel an geeigneten Biomarkern, mit denen man die Krankheitsaktivität im Blut bestimmen kann, war jedoch lange Zeit ein Problem. Deshalb initiierte Trendelenburg zusammen mit Kollegen in Basel, Genf, Lausanne, Madrid, Paris und Prag eine Studie zur Prävalenz von anti-C1q-Antikörpern bei Patienten mit aktiver LN. Um das Forschungsprojekt «Klinische Aspekte von Anti-C1q-Antikörpern in SLE Nephritis» umsetzen zu können, wurde er im Jahr 2004 mit dem AbbVie Rheumatology Grant gefördert.
Hohe Prävalenz
von Autoantikörpern
Die Studie umfasste erwachsene SLEPatienten, bei denen man eine aktive LN vermutete und deshalb eine Nierenbiopsie durchführte (3). Gleichzeitig
wurden Serumproben auf Anti-C1qAntikörper untersucht, deren Prävalenz als potenzieller Marker für die Krankheitsaktivität dienen sollte. Die Klassifizierung der LN-Aktivität erfolgte anhand histologischer Untersuchungen der Nierenbiopsien. Insgesamt wurden 38 SLE-Patienten mit Nierenbiopsie in die Analyse eingeschlossen, von denen 36 eine proliferative LN aufwiesen. 2 Patienten hatten eine membranöse LN, die als eigenständiges Krankheitsbild hinsichtlich der Prognose und der histologischen Charakteristika zu betrachten ist. Als zentrale Fragestellung untersuchte die Studie, inwieweit der Grad der Nierenbeteiligung mit den Anti-C1q-Antikörpern korreliert. Von den Patienten mit proliferativer LN waren, abgesehen von einer Person, alle positiv für Anti-C1q-Antikörper (97,2%). Um diesen Wert vergleichen zu können, wurden zusätzlich 26 SLEPatienten mit inaktiver LN sowie 36 ohne Vorgeschichte einer LN in die Studie eingeschlossen. Hierbei konnte gezeigt werden, dass bei inaktiver LN lediglich 35 Prozent und bei fehlender LN nur 25 Prozent der Patienten positiv für diesen Marker sind. Darüber hinaus waren die Anti-C1q-Antikörpertiter bei SLE-Patienten mit proliferativer LN signifikant höher als bei den Kontrollpatienten. Von den 36 Patienten mit proliferativer LN konnten 15 ein halbes Jahr nach der Biopsie und 11 ein Jahr danach nochmals untersucht werden. Dabei zeigte sich, dass sich die Antikörpertiter bei einem Ansprechen auf die SLE-Behandlung verringern. Insgesamt belegt die Studie, dass AntiC1q-Antikörper eine sehr hohe Prävalenz bei SLE-Patienten mit aktiver LN haben. Dementsprechend kann ein negatives Testergebnis eine proliferative LN fast komplett ausschliessen. Somit
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WAS WURDE AUS …
NACHGEFRAGT
Prof. Dr. Marten Trendelenburg ist stellvertretender Chefarzt am Universitätsspital Basel und leitet die Forschungsgruppe Klinische Immunologie am Departement Biomedizin. Dort untersucht er Pathomechanismen der systemischen Autoimmunität. Im Rahmen der Swiss SLE Cohort Study (SSCS) engagiert er sich darüber hinaus für den Aufbau einer interdisziplinären schweizerischen SLEKohortenstudie als Plattform für die klinische und experimentelle Forschung im Gebiet der systemischen Autoimmunität und des SLE.
Worin sehen Sie die heutige Relevanz der Studien-
ergebnisse für die Praxis?
Prof. Dr. Marten Trendelenburg: Bei Patienten mit SLE gibt es eine Reihe von Biomarkern, die schon lange in der klinischen Praxis eingesetzt werden. Mit Hilfe des AbbVie Rheumatology Grants als Anschubfinanzierung während des Aufbaus meiner eigenen Forschungsgruppe konnten wir eine Studie initiieren, welche die hohe Prävalenz von Anti-C1qAntikörpern bei Lupusnephritis aufzeigt. Einen solchen neuen Biomarker zu etablieren ist jedoch zumeist schwierig. Obwohl die Daten aus unserer initialen Studie sehr überzeugend sind und mittlerweile auch von anderen Zentren bestätigt wurden, setzt sich dieser Biomarker trotz-
dem nur sehr zögerlich in der klinischen Praxis durch. Schlussendlich ist dies eine Frage der Akzeptanz, die nicht so hoch ist, wie man anhand der Datenlage erwarten würde. In den letzten zehn Jahren konnte man allerdings beobachten, dass nun doch immer mehr praktizierende Rheumatologen auf diesen Test zurückgreifen. Der Anti-C1q-Antikörpertiter ist grundsätzlich mit kommerziellen Assays bestimmbar und die Kosten liegen auf dem Niveau anderer Autoantikörper-Tests. Auch eine Automatisierung der Messung ist prinzipiell möglich. Der Test kann daher in jedem immunologischen Labor
durchgeführt werden, wobei er in der Schweiz mittlerweile in mehreren Labors routinemässig angeboten wird. Das Labor für Medizinische Immunologie in Basel hat beispielsweise langjährige Erfahrungen mit der Bestimmung dieses Antikörpers. Der Test wird aber nicht nur bei uns, sondern auch vermehrt in anderen Zentren weltweit eingesetzt. Allerdings gehört er noch längst nicht überall zum Standard. Gerade weil Anti-C1q-Antikörper ein sehr guter Marker für die Nierenbeteiligung bei Lupuspatienten sind, empfiehlt sich jedoch eine routinemässige Messung in der klinischen Praxis. Abgesehen von der Etablierung eines neuen Biomarkers kann dieses Projekt aus meiner Perspektive als eine Art Vorstufe der heutigen schweizerischen SLE-Kohortenstudie betrachtet werden. Diese konnte ich zusammen mit Kollegen der anderen schweizerischen Universitätsspitäler ins Leben rufen, um die Forschung in diesem Bereich zu fördern. Durch die Zusammenarbeit der verschiedenen Zentren wurden bis heute schweizweit bereits über 600 SLE-Patienten eingeschlossen.
steht ein guter Biomarker für die Nie-
renbeteiligung zur Verfügung. In einer
Folgestudie konnte darüber hinaus
gezeigt werden, dass diese Antikörper-
titer mit der Krankheitsaktivität korre-
lieren und deshalb als Follow-up-Mar-
ker bei SLE-Patienten eingesetzt wer-
den können [4]. Die Studie war
ausserdem ein wichtiger Ausgangs-
punkt für zahlreiche experimentelle
Studien zur Erforschung krankheits-
modifizierender Effekte von Anti-C1q-
Antikörpern [5–8].
O
Christin Döring
Referenzen: 1. Trendelenburg M, Ribi C: The Swiss SLE Cohort Study
(SSCS). Fachzeitschrift Rheuma Schweiz 2016; 1: 7–10. 2. Kistler AD, Huynh-Do U: Lupusnephritis. Fachzeitschrift Rheuma Schweiz 2016; 1: 26–30. 3. Trendelenburg M et al.: High prevalence of anti-C1q antibodies in biopsy-proven active lupus nephritis. Nephrol Dial Transplant 2006; 21(11): 3115–3121. 4. Bock M et al.: Anti-C1q antibodies as a follow-up marker in SLE patients. PLoS One 2015; 10(4): e0123572. 5. Bigler C et al.: Autoantibodies against complement C1q specifically target C1q bound on early apoptotic cells. J Immunol, 2009; 183(5): 3512–3521. 6. Vanhecke D et al.: Identification of a major linear C1q epitope allows detection of systemic lupus erythematosus anti C1q antibodies by a specific peptide based enzyme linked immunosorbent assay. Arthritis Rheum 2012; 64(11): 3706–3714.
7. Thanei S et al.: Anti-C1q autoantibodies from systemic lupus erythematosus patients activate the complement system via both the classical and lectin pathways. Clin Immunol 2015; 160(2): 180–187.
8. Thanei S, Trendelenburg M: Anti-C1q autoantibodies from systemic lupus erythematosus patients induce a proinflammatory phenotype in macrophages. J Immunol 2016; 196(5): 2063–2074.
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