Transkript
FORUM Serie: Good Distribution Praxis
Sicherheit vor allem
Arzneimittel können viel Unheil anrichten, wenn sie gefälscht sind oder unsachgemäss behandelt werden. Diese beiden Aspekte beleuchten wir im Zusammenhang mit den überarbeiteten Leitlinien der Guten Vertriebspraxis (GDP). Im vorliegenden Text geht es hauptsächlich um die Sicherheit in der Herstellungskette und um Retouren. Was sind die grössten Herausforderungen?
HANS WIRZ
Konsequente Kontrollen bedingen viel Zeitaufwand – von der Herstellung bis zur Abgabe an die Patientenschaft, deren Sicherheit und Gesundheit im Zentrum aller Bemühungen stehen. Wobei wir gleich zu Beginn auf eine riesige Kontrolllücke hinweisen müssen, die praktisch unüberbrückbar ist: den Onlinehandel. Immer mehr Menschen kaufen online ein – vielfach auch Arzneimittel aus dem Ausland. Sie riskieren dabei allerdings ihre Gesundheit, denn die Qualität dieser Produkte ist oft ungenügend und potenziell gesundheitsschädigend. Gemäss WHO können dies bis zu 50 Prozent der Einkäufe sein. Da sich die Herkunft dieser minderwertigen Arzneimittel nicht eindeutig zurückverfolgen lässt, entzieht sich dieser Vertriebsweg jeglicher qualitativen Kontrolle. Deshalb ist Sicherheit im Onlineversand über ausländische Quellen kein Thema dieses Beitrags.
Problemfeld Retouren Täglich nimmt der Grosshandel mehrere Tausend Arzneimittelpackungen zurück, kontrolliert nach einem klar definierten Ablauf die Unversehrtheit der Verpackung, die Bezugsquelle, die Chargenangaben und die Verfalldaten – konsequent und standardmässig nach den überarbeiteten Leitlinien der Guten Vertriebspraxis (GDP). Die Voraussetzungen für Rücknahmen sind also umfänglich; geschätzte drei Viertel der Retouren können nach den aufwendigen Kontrollen wieder in den Kreislauf eingespeist werden. Von zentraler Bedeutung bei
Retouren ist die lückenlose Dokumentierung jedes Schritts im Verteilprozess. Ein Spezialfall ist das Retourenwesen bei gekühlten Arzneimitteln: Hier muss nachgewiesen werden, dass sich die Temperatur ohne Unterbruch zwischen zwei und acht Grad bewegt hat. Deshalb ist es inzwischen Usus geworden, dass der Grosshandel aus Sicherheitsgründen gekühlte Arzneimittel gar nicht mehr zurücknimmt. Retouren vom Grossisten zur Industrie kommen eher selten vor. Beispielsweise wenn für neue und vielversprechende Medikamente eine zu grosse Sollmenge disponiert oder falsch geliefert wurde. Eine weitere Möglichkeit sind Chargenrückrufe der Pharmaindustrie. Was die Pharmaindustrie in viel grösserem Masse beschäftigt, sind Arzneimittelfälschungen. Sie nehmen weltweit rasant zu, weil sich damit sehr viel Geld verdienen lässt. Inwiefern ist die Schweiz von Arzneimittelfälschungen betroffen und was wird dagegen unternommen? Antworten auf diese Fragen gibt Sara Käch, Kommunikationsverantwortliche bei Interpharma, dem Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz, und Vorstandsmitglied bei Stop Piracy, Schweizer Plattform gegen Fälschung und Piraterie.
Welchen Stellenwert haben die überarbeiteten Leitlinien für die GDP im Bereich Arzneimittelfälschungen? Sara Käch: Kaum ein Produkt durchläuft im Verlauf seiner Herstellung mehr Kontrollen als ein Arzneimittel. Kontrollen erfolgen
Sara Käch von Interpharma: «Ab 2019 werden packungsindividuelle Seriennummern auf verschreibungspflichtigen Arzneimitteln die Sicherheit der Lieferkette erhöhen.»
ebenfalls während des Vertriebs. Mit ihrer Qualitätssicherung sorgen die Pharmaunternehmen (zusammen mit weiteren Akteuren des Arzneimittelvertriebs) dafür, dass die legale Lieferkette für Arzneimittel gut geschützt ist. So wird der Schutz der Patientinnen und Patienten weiter gestärkt.
Welches sind die entsprechenden konkreten Vorschriften in den GDP-Leitlinien? Konkrete Vorgaben sind an mehreren Stellen in den EU-Leitlinien vom 5. November 2013 für die GDP von Humanarzneimitteln zu finden. Sie wurden per 1. Januar 2016 ins Schweizer Recht übernommen. Im Wesentlichen müssen alle beteiligten Parteien im Rahmen einer Due Diligence sicherstellen, dass sie Arzneimittel nur aus verlässlichen und bewilligten Quellen beziehen respektive an solche weiterliefern.
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FORUM
pflichtet. Zudem statten sie freiwillig bestimmte Arzneimittel mit zusätzlichen Sicherheitsmerkmalen aus. Denn die pharmazeutische Industrie in der Schweiz vertritt den Standpunkt, dass die Bekämpfung des illegalen Heilmittelhandels in der Schweiz verstärkt werden muss.
Gibt es von Interpharma entsprechende Richtlinien? Als Verband ist Interpharma insbesondere im Bereich der Sensibilisierung aktiv und unterstützt Massnahmen, welche die Bevölkerung auf Gefahren des Internethandels mit Arzneimitteln aufmerksam macht. Um das Bewusstsein für die Gesundheitsrisiken von gefälschten Arzneimitteln zu erhöhen, ist Interpharma Mitglied bei Stop Piracy, der Schweizer Plattform gegen Fälschung und Piraterie.
Fälschungen, falsche Aufbewahrung oder Unterbruch der Kühlkette ade: Die überarbeiteten Leitlinien sollen die Sicherheit bei der Medikamenteneinnahme gewährleisten.
Wie können sichere Bezugsquellen identifiziert werden? Die Lieferkette für Medikamente ist so abgesichert, dass sie einen grösstmöglichen Schutz gegen Arzneimittelfälschungen bietet. Alle Akteure der Lieferkette führen jeweils eigene Kontrollen durch und werden dabei systematisch von den Arzneimittelbehörden überwacht. Pharmaunternehmen kontrollieren ihre Zulieferer vor Ort, auch im Ausland; und sie prüfen jede Zulieferung auf Echtheit und Reinheit – Charge für Charge. Sie müssen für die Herstellung oder den Handel von Arzneimitteln eine Betriebsbewilligung der Swissmedic haben. Die Firmen, welche über eine entsprechende Bewilligung verfügen, sind in einem Verzeichnis auf der Webseite von Swissmedic aufgeführt.
Allerdings könnten qualitativ beeinträchtigte Arzneimittel auch bei Retouren – beispielsweise von Apotheken, Spitälern oder Ärzten – ihren Weg in die legale Verteilung finden. Was sagen die GDP-Leitlinien dazu? Ein Kapitel der EU-Leitlinien adressiert dazu eigens die Themen Beschwerden, Rückgaben, Verdacht auf gefälschte Arzneimittel und Arzneimittelrückrufe. Beschädigte Arzneimittel und Retouren sind hierin adressiert. Es geht in der Hauptsache darum, eventuelle Risiken auszuschalten.
Sind weitere verschärfte Massnahmen geplant, um die Einfuhr von illegalen Arzneimitteln in die legale Vertriebskette unterbinden zu können? Um die Sicherheit in der legalen Lieferkette noch weiter zu erhöhen, müssen ab Februar 2019 die Packungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel mit einem Erstöffnungsschutz – beispielsweise einem Siegel – versehen sein. Weiter müssen die Arzneimittel durch einen Scan in der Apotheke auf Echtheit geprüft werden. Arzneimittel erhalten dafür packungsindividuelle Seriennummern, die in einer geschützten Datenbank hinterlegt sind. Das System schlägt Alarm, wenn in einer Apotheke eine Packung mit unbekannter Nummer gefunden wird oder eine Packung mit einer Nummer, die schon einmal vor der Abgabe an den Patienten gescannt wurde.
Welche Verantwortung bezüglich qualitativ ungenügenden oder gefälschten Arzneimitteln hat die Pharmaindustrie? Pharmaunternehmen überwachen ihre Zulieferer für Wirkstoffe, andere Vorprodukte und Fertigarzneimittel wie gesagt auch vor Ort. Sie prüfen die Echtheit von zugelieferten Vorprodukten und Arzneimitteln, sie kontrollieren ihre eigene Produktion, sie überprüfen, an wen sie ihre Arzneimittel liefern, und sie dokumentieren alle Kontrollen. Zu all dem sind sie gesetzlich ver-
Was tun die Vertreter der legalen Lieferkette, um den Handel mit gefälschten oder qualitativ ungenügenden Arzneimitteln möglichst auszuschliessen? Behörden, Pharmaunternehmen, Apotheken und alle anderen Akteure der Lieferkette betreiben – wie bereits erwähnt – ein umfassendes Kontrollsystem, um gefälschte Arzneimittel zu identifizieren und auszuschliessen.
Fazit
Wohl nicht zuletzt wegen des klaren Wil-
lens aller Teilnehmer der Wertschöpfungs-
kette und weil der Patienten- und Arznei-
mittelsicherheit zuliebe den revidierten
Leitlinien der GDP konsequent nachgelebt
wird, ist die legale Lieferkette in der
Schweiz bis anhin nicht von gefälschten
Arzneimitteln betroffen. Und Retouren sind
zwar relativ häufig, stellen aber in den meis-
ten Fällen kein Problem dar. Im nächsten
Teil schliessen wir die aktuelle Bericht-
erstattung zu den revidierten GDP-Leit-
linien mit den wichtigsten Schlussfolgerun-
gen ab.
O
Wir danken dem Verlag Sanatrend (OTXWORLD) für die freundliche Überlassung des Textes.
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