Transkript
Serie: Der Arzt als Unternehmer
Wann lohnt sich ein Wechsel der Unternehmensrechtsform?
Arztpraxis als Einzelfirma oder Aktiengesellschaft
FORTBILDUNG
In den meisten Arztpraxen ist die Rechtsform der Einzel-
firma nach wie vor vorherrschend. Ein Wechsel in die
Rechtsform einer Aktiengesellschaft kann sich aus finan-
ziellen oder aus organisatorischen Gründen jedoch lohnen.
Welches sind die Hauptgründe für einen Wechsel? Was ist
dabei zu beachten?
Leodegar Kaufmann und Daniel Roth
Die Rechtsform der Einzelfirma (EF) hat in Arztpraxen, aufgrund langjähriger gesetzlicher Vorschriften (Arztpraxen mussten in Form von Personengesellschaften geführt werden), nach wie vor eine lange Tradition. Seit einiger Zeit ist es jedoch in allen Kantonen möglich, seine Arztpraxis auch in Form einer juristischen Person, Aktiengesellschaft (AG) oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), zu führen. Dass sich ein Wechsel der Rechtsform aus finanziellen wie auch aus organisatorischen Gründen lohnen kann, ist vielen Ärzten nicht bewusst. In der Folge wird fokussiert auf die Gesellschaftsformen Aktiengesellschaft und Einzelfirma eingegangen, weil dies die weitverbreitetsten Rechtsformen darstellen und die gesammelten Erfahrungen und Folgerungen auch für die anderen Unternehmensformen sinngemäss anwendbar sind. Welches sind die Vor- und Nachteile von Aktiengesellschaften, welches diejenigen von Einzelfirmen? Eine Analyse der ausschlaggebenden Faktoren kann sich durchaus bezahlt machen.
Rechtliche Grundlagen Für die Gründung einer Einzelfirma sind keine formellen Voraussetzungen erforderlich. Wer einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen möchte, kann dies in Form einer Einzelfirma jederzeit tun. Einzelfirmen besitzen keine eigenständige juristische Persönlichkeit und bilden somit auch kein eigenständiges Steuersubjekt. Mit anderen Worten haftet der Unternehmer mit seinem gesamten Privatvermögen für Verpflichtungen des Unternehmens, und der Unternehmensgewinn wird als Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit im Rahmen der privaten Steuerveranlagung veranlagt. Zudem wird der gesamte Gewinn mit der AHV abgerechnet. Bei einem Umsatz von mehr als 500 000 Franken pro Jahr sind seit 1. Januar 2015 auch bei Einzelfirmen die verschärften Rechnungslegungsvorschriften nach Art. 957 ff. OR einzuhalten. Diese fordern unter anderem eine Mindestgliederung
der Bilanz und der Erfolgsrechnung, aber auch die periodengerechte Erfassung sämtlicher Geschäftsvorfälle. Die Zeit der IST-Buchhaltungen und «Milchbüchleinrechnungen» ist damit endgültig vorbei respektive nur noch für Arztpraxen in Form von Personengesellschaften mit einem Umsatz von weniger als 500 000 Franken möglich. Aktiengesellschaften sind hingegen eigene juristische Persönlichkeiten. Die Haftung des Unternehmers ist auf das Unternehmenskapital beschränkt. Das Unternehmen muss eine eigene Steuererklärung einreichen, ist also ein eigenständiges Steuersubjekt. Der Unternehmer bezieht Lohn mit Lohnausweis, er ist also unselbstständig erwerbstätig. Obwohl ihm das Unternehmen eventuell zu 100 Prozent gehört. Die Aktiengesellschaft verfügt über einen Verwaltungsrat als oberstes Unternehmensorgan. Im heutigen Aktienrecht kann jedoch, unter bestimmten Voraussetzungen, ein und dieselbe Person einziger Aktionär, Verwaltungsrat und Geschäftsleitungsmitglied sein. Aufgrund der auf das Unternehmenskapital beschränkten Haftung unterliegen Aktiengesellschaften schon immer den strengeren Rechnungslegungsvorschriften. Zudem müssen Aktiengesellschaften mit mehr als 10 Mitarbeitern von einer externen Revisionsstelle jährlich einmal eingeschränkt geprüft werden. In den meisten Fällen kann dies die eigene Treuhandstelle unter Berücksichtigung der Unabhängigkeitsrichtlinien selbst erledigen.
Finanzielle Gründe für einen Wechsel
Seit der Unternehmenssteuerreform II werden Dividenden von Aktiengesellschaften beim Aktionär nicht mehr voll besteuert (Halbsatz- oder reduzierte Dividendenbesteuerung). Damit wird die Einkommenssteuer bei Aktionären wesentlich entlastet. Zudem können spezielle Konstellationen (z.B. Wohnort und Unternehmensstandort in zwei unterschiedlichen Gemeinden oder Kantonen) das gesamte steuerbare Einkommen (Firma und Unternehmer) je nach gewählter Rechtsform wesentlich beeinflussen. Steuerplanung kann also sinnvoll sein, wenn zwischen dem Sitz des Unternehmens und dem Wohnort des Unternehmers ein wesentliches Steuergefälle besteht. Besitzt ein Arzt beispielsweise eine Praxis in Rapperswil (Kanton St. Gallen) und wohnt in Lachen (Kanton Schwyz), dann kann sich die Rechtsform einer AG lohnen, weil dadurch der Unternehmensgewinn in Form von Lohn und Dividenden im steuergünstigen Kanton Schwyz besteuert werden kann. Ein weiterer finanzieller Grund für den Wechsel der Rechtsform in eine Aktiengesellschaft kann beispielsweise sein, dass
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man die Sozialversicherungsabgaben optimieren möchte. So unterliegt in Einzelfirmen der gesamte Gewinn der AHV, bei den Aktiengesellschaften nur der Bruttolohn. Dies kann durchaus sinnvoll sein, weil die AHV-Beiträge ab einem bestimmten Einkommen nicht mehr rentenbildend sind. Bei der Reduktion des Lohns zugunsten von Dividenden muss jedoch immer mitberücksichtigt werden, dass der Lohn gemäss Vorschriften der AHV «branchenüblich» sein muss und mit dem tieferen Lohnniveau auch die Versicherungsleistungen und BVG-Sparbeiträge sinken. Je nach Lebenssituation ist dies allenfalls nicht gewollt. Eine Prüfung im konkreten Fall lohnt sich also.
Organisatorische Gründe für einen Wechsel
Nebst finanziellen Vorteilen können auch organisatorische Gründe ausschlaggebend für einen Wechsel der Rechtsform sein. So kann es sich auszahlen, seine Praxis in Form der Einzelfirma vor dem Verkauf in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, da der Gewinn aus dem Verkauf von Aktien steuerfreien Kapitalgewinn darstellt. Aber aufgepasst: Die Steuerbehörden verlangen eine 5-jährige Sperrfrist nach einer Umwandlung, während der die Aktien nicht weiterverkauft werden dürfen. Es lohnt sich also, diese frühzeitig zu planen. Zur Information: Bei der definitiven Aufgabe der Geschäftstätigkeit werden die stillen Reserven von Einzelfirmen ab Einführung der Unternehmenssteuerreform II privilegiert besteuert (ähnlich tief wie Pensionskassenbezüge). Welche Rechtsform bei Nachfolgelösungen ab neuem Jahr also optimal ist, muss im konkreten Fall geprüft werden. Ob eine betrieblich genutzte Liegenschaft oder ein Stockwerkeigentum in die Aktiengesellschaft übernommen werden soll oder nicht, sollte auch im konkreten Fall geprüft werden. Allenfalls ist es sinnvoll, die Liegenschaft vor der Umwandlung steuerprivilegiert ins Privatvermögen zu überführen, eventuell sogar mit entsprechendem Steueraufschub auf den die Anlagekosten übersteigenden Mehrerlös. Oder es kann sich finanziell lohnen, die Liegenschaft im Vermögen der Aktiengesellschaft als steuerfreien Kapitalgewinn weiterzugeben. Die steueroptimale Finanzierung durch den Nachfolger könnte beispielsweise durch eine Finanzierungsholding gelöst werden. Unternehmerisch ist es oft sinnvoll, dass mehrere Nachfolger, die die Praxis übernehmen und gemeinsam betreiben wollen, strategisch einen weiteren Partner an der Praxis beteiligen oder zumindest wichtige Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen binden. Auch hier ist der Verkauf von Aktien formlos und ohne Beschränkung oder Auflagen möglich. Wogegen zusätzliche Beteiligungen bei Einzelfirmen kompliziert zu regeln sind und in jedem Fall Steuern auslösen. Oder man entscheidet aus Risikogründen, seine Einzelfirma ab einer bestimmten Grösse oder bei speziellen Risiken in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Bei Aktiengesellschaften haftet primär das Gesellschaftskapital, wogegen bei Einzelfirmen der Unternehmer mit seinem gesamten Privatvermögen für Unternehmerrisiken haftet, was insbesondere bei Unternehmern mit Familie eine bestimmte Risikobegrenzung darstellen kann. Ausgeschlossen von dieser Haftungsbeschränkung ist natürlich die Haftung für ärztliche Tätigkeiten (Behandlungsfehler). Diese Haftung muss bei Arztpraxen nach wie vor vom behandelnden Arzt persönlich übernom-
men werden. Eine genügend grosse Haftpflichtversicherung wird deshalb von den kantonalen Behörden vorgeschrieben, bevor die Betriebsbewilligung an die Aktiengesellschaft erteilt wird.
Eine Prüfung der Situation lohnt sich
Die Umwandlung der eigenen Praxis in Form der Einzelfirma
in eine Aktiengesellschaft kann in bestimmten Situationen
durchaus sinnvoll sein. Es gibt aber auch gute Gründe gegen
eine Umwandlung, wie beispielsweise der steuerprivilegierte
Abzug von ausserordentlichen BVG-Einkäufen. Diese kön-
nen in Einzelfirmen zur Hälfte dem Geschäftsaufwand belas-
tet werden und somit die Steuern und die Sozialversiche-
rungsabgaben des Unternehmers beträchtlich reduzieren.
Zudem kündigen viele Kantone an, die Besteuerung der
Dividenden mit der nächsten Unternehmenssteuerreform an-
zuheben. Wenn dies der Fall ist, muss die Situation je nach
Kanton dann wieder neu beurteilt werden.
Wichtig erscheint, die Gründe für und gegen einen Wechsel
der Unternehmensform zu kennen und einander gegenüber-
zustellen. Je nachdem, wie sich der Arzt oder das Unterneh-
men im Laufe der Zeit entwickelt, kann sich ein Wechsel der
Rechtsform durchaus aufdrängen.
O
Leodegar Kaufmann Dr. oec. HSG
Daniel Roth Eidg. dipl. Treuhandexperte
Kontakt: inspecta treuhand ag Espenmoosstrasse 1 Postfach 144 9008 St. Gallen E-Mail: info@inspecta.ch
Dr. oec. HSG Leodegar Kaufmann ist Referent des «Unternehmerseminars für Ärztinnen und Ärzte» der Universität St. Gallen und der Fluentis GmbH. Weitere Informationen zu Lehrinhalten sowie Durchführungsdaten des Seminars finden Sie unter: www.kmu.unisg.ch/aerzte
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