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Anaphylaxie durch Sport? Meist gehört ein Brötchen dazu
Anstrengungsinduzierte Allergien werden meist erst durch Kofaktoren wie Gluten verursacht
Anaphylaktische Reaktionen bei Anstrengung sind insgesamt sehr selten. Und selbst wenn sie auftreten, stehen sie meist in Verbindung mit einer Nahrungsmittelallergie. Hierbei ist das Weizenprotein Gluten das häufigste Co-Allergen. Doch wie kann man den Zusammenhang nachweisen? Und wie behandelt man?
Die Häufigkeit anstrengungsinduzierter Anaphylaxien (exercise induced anaphylaxis = EIA) sei nicht gesichert, berichtete Prof. Knut Brockow aus München (D). In einer epidemiologischen Studie mit 76 229 Jugendlichen wurde eine Quote von 0,03 Prozent ermittelt (1). Andere Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass 5 bis 15 Prozent aller Anaphylaxien in Zusammenhang mit körperlicher Anstrengung stehen (2). Berichten die Patienten über anaphylaktische Reaktionen beim Sport, versucht man in der Regel, diese mittels eines Provokationstests zu verifizieren. Doch nur selten lassen sich Reaktionen wie Urtikaria, Flush, Juckreiz, Atemnot oder gar Kollaps im Testsetting hervorrufen – oder sie fallen im Vergleich zu den anamnestischen Angaben sehr mild aus (3).
Hauptfaktor: Weizenallergie
Einen frühen Verdacht, dass EIA und Nahrungsmittelallergien zusammenhängen könnten, ergab eine Studie von 1979, bei der EIA nach Schellfischverzehr aufgetreten war (4). In den folgenden Jahrzehnten kristallisierte sich heraus, dass hinter der EIA eher eine FDEIA (food dependent exercise induced anaphylaxis) steckt. Weitere Untersuchungen konnten die «Schuldigen» einkreisen: Unter den infrage kommenden Allergenen steht Weizen (engl. wheat) an erster Stelle, Obst und Gemüse sind selten und andere Nahrungsmittel fast nie Auslöser von FDEIA. Man spricht daher auch von der WDEIA (wheat dependent exercise induced anaphylaxis). Der Weizen wurde hinsichtlich seiner Allergene weiter zerlegt. Ergebnis: Vor allem das zöliakieauslösende Weizenprotein Gluten ist hier der Hauptauslöser von WDEIA. Untersucht man nun die Einzelfraktionen von Gluten, sind vor allem die nicht wasserlöslichen Gliadine die allergenen Hauptstukturen (5).
Anstrengung macht die Darmwand durchlässig
Warum führt die körperliche Anstrengung dazu, dass aus der latenten Nahrungsmittelallergie eine manifeste Reaktion wird? Vermutlich spielen hier mehrere Mechanismen zusammen, so Brockow. Einer davon ist, dass Triggerfaktoren wie eben die Anstrengung oder auch Acetylsalicylsäure (ASS) und Alkohol die gastrointestinalen Mukosazellen auseinanderweichen lassen. Durch diese Zelllücken können mehr Allergene aus dem Darmlumen in die Zirkulation gelangen. Ausser dieser gesteigerten
gastrointestinalen Permeabilität sorgt der Sport dafür, dass die Plasmaosmolalität steigt, was wiederum die basophile Histaminfreisetzung induziert. Ein weiterer Teilfaktor: Sport verursacht Azidose und Mastzelldegranulation.
Was tun bei WDEIA-Verdacht?
Berichtet ein Patient von allergischen Erscheinungen nach körperlicher Anstrengung, sollte zunächst nach der Nahrungsaufnahme in den letzten vier Stunden vor dem Sport gefragt werden. Waren hier Nahrungsmittel wie Brötchen, Tomaten oder Obst im Spiel, erweckt dies den Verdacht auf FDEIA. Zudem sollte erfragt werden, ob ähnliche Reaktionen auch bei anderen Gelegenheiten aufgetreten sind, beispielsweise nach Alkohol- oder ASS-Aufnahme, während extrem heisser Temperaturen, bei Infektionen oder während der Menstruation. Differenzialdiagnostisch sind – je nach Symptomkonstellation – hauptsächlich Urtikaria wegen anderer Ursachen, ein orthostatisches Tachykardiesyndrom und ein reines Anstrengungsasthma auszuschliessen, so Brockow. Wird anamnestisch die Kombination aus Sport und vorherigem Verzehr weizenhaltiger Lebensmittel geschildert, liegt der Verdacht auf WDEIA nahe. Erhärten kann man dies zunächst mit dem Pricktest mit Glutenmehl, was eher ein positives Ergebnis bringt als derjenige mit Weizenmehl. Labortechnisch lässt sich mit einem Test auf spezifisches IgG-ω5-gliadin feststellen, ob die Patienten auf Gluten sensibilisiert sind. Dieses spezifische Allergen ist bei den meisten WDEIA-Patienten positiv und aussagekräftiger als der IgE-Test auf rTria14, αβγ-Gliadin oder Gluten (6). Der nächste Schritt ist der Provokationstest. Die aufwändige Prozedur auf dem Laufband oder dem Ergometer ist nicht unbedingt erforderlich. Brockow konnte nachweisen, dass die Verabreichung einer hohen Menge Gluten allein ausreicht, um die Symptome hervorzurufen. Diese Glutenprovokation kann mit 8, 16 oder 32 g Gluten durchgeführt werden. Alternativ können auch Gluten und ASS (1000 mg) getestet werden (7).
Therapie: Vermeiden, Notfallkit
Bestätigt sich der Verdacht auf eine WDEIA, ist die Therapie relativ einfach. Zunächst müssen die Patienten über den Sachverhalt aufgeklärt werden. Sie müssen wissen,
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dass sie vier Stunden vor dem Sport weizenhaltige Produkte möglichst meiden müssen – also keine Brötchen oder Frühstücksflocken. Kommen andere Kofaktoren wie ASS als Auslöser infrage, sollte auch darauf hingewiesen und die Einnahme in Zusammenhang mit der Anstrengung vermieden werden. Sicherheitshalber sollten auch Roggenprodukte gemieden werden. Kommt es dennoch zu den bekannten Symptomen, sollten die Betroffenen sofort mit dem Sport beziehungsweise der körperlichen Anstrengung aufhören. Zudem sollten sie mit einem Notfallkit mit Epinephrin-Autoinjektor ausgerüstet werden – analog einem Set für Hymenopterengift-Allergiker.
Angelika Ramm-Fischer
Referenzen: 1. Aihara Y et al.: Frequency of food-dependent, exercise-induced anaphylaxis in Japanese junior-high-school students. Journal of Allergy and Clinical Immunology 2001; 108(6): 1035–1039. 2. Du Toit G: Food-dependent exercise-induced anaphylaxis in childhood. Pediatric Allergy and Immunology 2007; 18(5): 455–463. 3. Sheffer A-L et al.: Exercise-induced anaphylaxis: a distinct form of physical allergy. Journal of Allergy and Clinical Immunology 1983; 71(3): 311–316 4. Maulitz RM et al.: Exercise induced anaphylactic reaction to shellfish. J Allergy Clin Immunol 1979; 63: 433–434. 5. Palosuo K et al.: A novel wheat gliadin as a cause of exercise-induced anaphylaxis. J Allergy Clin Immunol 1999; 103: 912–917. 6. Matsuo H et al.: Sensitivity and specificity of recombinant omega-5 gliadin-specific IgE measurement for the diagnosis of wheat-dependent exercise-induced anaphylaxis. Allergy 2008; 63: 233–236. 7. Brockow K et al.: Using a gluten oral food challenge protocol to improve diagnosis of wheat-dependent exercise-induced anaphylaxis. J Allergy Clin Immunol 2015; 135(4): 977–984.
Quelle: Symposium 1: «Let’s start provocative: Exercise induced anaphylaxis» beim Allergy and Immunology Update (AIU), 20. Januar 2017 in Grindelwald.
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