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ERNÄHRUNG UND UMWELT
Milch und Umwelt
Schweizer Milchproduktion schont Ressourcen
Ulrike Gonder
Bei der Entscheidung für eine Ernährungsform sind heute nicht nur gesundheitliche Gründe ausschlaggebend, sondern auch ökologische, so etwa die Frage: Wie sehr belastet mein Essen und Trinken die Umwelt? Auf den ersten Blick schneiden tierische Lebensmittel in Sachen Nachhaltigkeit oft schlechter ab als pflanzliche. Am Beispiel der Milchproduktion zeigt sich jedoch, dass eine differenzierte Betrachtung nötig ist.
Nachhaltigkeit ist mehr als CO2-Reduktion
Eine umfassende Definition für nachhaltige Ernährungsformen findet sich bei der Landwirtschafts- und Nahrungsmittelorganisation der Vereinten Nationen FAO. Sie sollen «bei geringer Umweltbelastung zur Lebensmittelund Ernährungssicherheit sowie zum gesunden Leben heutiger und künftiger Generationen beitragen». Ausserdem «schützen und respektieren sie die Artenvielfalt und die Ökosysteme, sind kulturell akzeptierbar, verfügbar, ökonomisch fair und bezahlbar, liefern genügend Nährstoffe, sind sicher und gesund und optimieren die natürlichen und menschlichen Ressourcen». Dies zeigt, dass die ökologische Bewertung von Lebensmitteln nicht anhand einzelner Parameter wie beispielsweise ihres Klimaerwärmungspotenzials erfolgen darf. Gerade bei der Milch kann dies zu falschen Einschätzungen führen. So ergeben übliche Ökobilanzen, selbst dann, wenn die Auswirkungen auf Böden, Luft und Ressourcenverbrauch berücksichtigt wurden, dass ein Liter Milch aus Intensivhaltung weniger umweltbelastend ist als extensiv auf der Weide oder Alp produzierte Milch. Denn für die Intensivhaltung wird weniger Land und Wasser «verbraucht», und die Milchleistung der Kühe liegt höher. Dies wird jedoch erst durch Kraftfutterzugaben möglich, die die Tiergesundheit beeinträchtigen können.
Schweizer Vorteil: heimisches Futter und extensive Haltung
Kühe in der arabischen Wüste zu halten, ist sicher nicht ökologisch. Doch wie sieht es bei der Schweizer Milch aus? Die Schweiz hat von Natur aus mindestens zwei entscheidende Vorteile: Sie ist reich an Niederschlägen und an gutem Grasland. Weideland muss nicht bewässert werden, und ein Teil des von den Tieren «verbrauchten» Wassers geben sie in Form ihrer Ausscheidungen wieder auf das Land. Die klimatischen Vorteile ermöglichen eine qualitativ hochwertige, extensive Milchproduktion bei guter Tiergesundheit. Zudem wird weniger oder kein Kraftfutter benötigt, wie Wissenschaftler des FiBL in Frick ermittelten. Der grösste Teil der Futterrationen für Schweizer Kühe ist Raufutter, rund 90 Prozent stammt aus einheimischer Produktion. Umgekehrt hat eine standortangepasste Produktion Vorteile für die Umwelt, wie eine Studie der Forschungsanstalt Agroscope im Auftrag des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) ergab. Unter Einbeziehung der gesamten Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Verkauf zeigte sich, dass die landwirtschaftliche Produktion die Umweltwirkungen am stärksten beeinflusst. Im Inland hergestellter Käse schnitt dabei günstiger ab als Importware, was den guten Standortbedingungen der Schweizer Milchproduktion zugeschrieben wurde. Neben den klimatischen Vorteilen kommt der graslandbasierten Schweizer Milchproduktion zugute, dass häufig Zweinut-
zungsrassen gehalten werden. Die Tiere emittieren zwar pro Kilo Milch mehr Methan als eine Hochleistungskuh, allerdings leben sie meist deutlich länger und erbringen zudem einen guten Fleischertrag. Werden Fleisch und Milch in die Klimabilanz einbezogen, schneiden Zweinutzungsrassen nicht schlechter ab als Hochleistungstiere.
Nährwert nicht übersehen!
Auf der Suche nach nachhaltigeren Ernährungsmustern wurde der Nährwert der Lebensmittel bislang nur ungenügend oder gar nicht bedacht. Von Gemüse oder Obst allein kann aber keiner leben, und sei die Produktion noch so nachhaltig. Extensiv wie in der Schweiz erzeugte Milch und Milchprodukte stellen aufgrund ihrer hohen Nährstoffdichte einen sehr guten Kompromiss zwischen Nährwert und Nachhaltigkeit dar. Auch die eingangs erwähnte Auffassung der FAO, dass eine nachhaltige Ernährung kulturelle Gepflogenheiten berücksichtigen sollte, spricht für die Schweizer Milch.
Korrespondenzadresse: Dipl. oec. troph. Ulrike Gonder Taunusblick 21 D-65510 Hünstetten mail@ugonder.de
Literatur bei der Verfasserin.
Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 2|2017 25