Transkript
Nachhaltige Ernährung – Trend oder Notwendigkeit?
EDITORIAL
Woher kommen unsere Nahrungsmittel? Wie wurden sie hergestellt? Und welche Wirkung hat ihre Herstellung auf unsere Umwelt? Immer mehr Menschen stellen sich diese Fragen – sichtbar an steigenden Verkaufszahlen von «Biolebensmitteln» in speziellen Supermärkten, aber auch bei Coop, Migros und Co. Die Produktion von Methan durch Rinder, vor allem Milchkühe, ist nicht mehr nur ein Diskussionsthema für Agrar- und Umweltwissenschaftler. Thomas Nemecek erörtert die Umweltwirkungen der Milchproduktion und -verarbeitung (Artikel S. 19 ff.). Gute Bedingungen für das Graswachstum und damit der relativ geringe Kraftfuttereinsatz für die Milchproduktion führen zu günstigeren Umweltwirkungen der Schweizer Käseproduktion im Vergleich zu Importen (1). Welche Vorteile, aber auch welche Nachteile hat eine nachhaltige Ernährung für unsere Gesundheit? Sollte nicht alles, was nachhaltig ist, gleichzeitig auch gesund sein? Einige Aspekte einer nachhaltigen Ernährung, wie das Einkaufen zu Fuss oder mit dem Velo oder die Reduktion des Fleischkonsums, erfüllen sowohl Nachhaltigkeits- als auch Gesundheitsaspekte der Ernährung, während die gesundheitlichen Konsequenzen der Beachtung von Saisonalität bei der Lebensmittelauswahl eher unklar sind. Solche Synergien und Zielkonflikte diskutieren Christian Schader und Kollegen (Artikel S. 12 ff.). 1982 stellte eine Gruppe von Giessener Ernährungswissenschaftlern das Konzept der «Vollwerternährung», die gesundheitliche und Umweltaspekte der Ernährung in Einklang zu bringen versucht, erstmals im deutschsprachigen Raum vor (2). Aber wie bringen wir die Menschen dazu, sich nachhaltig und gesund zu ernähren? «Manipulation für guten Zweck?» titelte eine Sendung des Fernsehsenders Arte (3) und bezog sich damit auf den derzeit unter Ernährungswissenschaftlern populären Begriff des
«Nudging» (leichtes Anschubsen der Konsumenten in die richtige Richtung). Was es mit diesem Konzept der «Manipulation» auf sich hat und welche «Manipulationsoptionen» es gibt, zeigen Toni Meier und Ina Volkhardt auf (Artikel S. 6 ff.). Konkrete Tipps für Konsumentinnen und Konsumenten bezüglich einer nachhaltigen Ernährung hat Angelika Hayer von der SGE (Artikel S. 24), und Christine Brombach und Kollegen erläutern, warum wir essen, was wir essen (Artikel 21 ff.). Last, but not least, Food Waste: In der Schweiz, so führt Claudio Beretta aus, wirft ein vierköpfiger Haushalt Lebensmittel im Wert von 2000 Franken pro Jahr weg (Artikel S. 16 ff.). In Deutschland werden schätzungsweise 82 kg Lebensmittel pro Kopf und Jahr weggeworfen (4). Gerade weil Lebensmittel in der Schweiz im Vergleich zum Einkommen für viele Menschen «günstig» sind, ist es wichtig, die Wertschätzung für die Lebensmittel, aber auch für ihre Produktion und die Produzenten zu steigern. Nur wenn wir wissen, wo unsere Lebensmittel herkommen, wer sie wie produziert und was mit ihnen im Verlauf des Verarbeitungsprozesses passiert, werden wir sie (wieder) vermehrt wertschätzen.
Korrespondenzadresse: PD Dr. Sabine Rohrmann Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention Universität Zürich Hirschengraben 84 8001 Zürich E-Mail: sabine.rohrmann@uzh.ch
Referenzen: 1. Bystricky M, Alig M, Nemecek T, Gaillard G: Ökobilanz von Schweizer Landwirtschaftsprodukten im Vergleich zum Import. Agrarforschung Schweiz 2015, 6: 264–269. 2. von Koerber KW, Männle T, Leitzmann C: Vollwert-Ernährung: Grundlagen einer vernünftigen Ernährungsweise. Haug 1982. 3. info.arte.tv/de/nudging-manipulation-fuer-den-guten-zweck 4. Hafner G et al.: Ermittlung der weggeworfenen Lebensmittelmengen und Vorschläge zur Verminderung der Wegwerfrate bei Lebensmitteln in Deutschland. Stuttgart: Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, 2012.
Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 2|2017 1