Transkript
SCHWERPUNKT
Wie sinnvoll sind Gerinnungsabklärungen bei Kindern?
Die Hämostase ist im Kindesalter ein sich ständig anpassender Prozess, der intrauterin beginnt und sich bis zur Adoleszenz weiterentwickelt. Ein Gerinnungsdefekt kann erst gegen Ende des ersten Lebensjahres mit Sicherheit diagnostiziert werden. Mögliche Ausnahmen sind die Gerinnungsfaktoren VII oder V, welche noch länger bis zur Stabilisierung brauchen. In diesem Artikel werden die Indikationen und das Vorgehen bei Gerinnungsabklärungen im Kindes- und Jugendalter erläutert.
Von Saskia Brunner-Agten1, 2, Andreas R. Huber1 und Dimitrios A. Tsakiris2
I nnerhalb des 1. Lebensjahres verändern sich die meisten Komponenten extrem, um sich den geänderten Lebensbedingungen anzupassen. Entsprechend hierzu verändern sich auch die Normwerte für die Hämostaseparameter: Säuglinge und Kleinkinder haben eigene Normwerte, welche zwingend zu berücksichtigen sind. Hier soll man immer auch die präanalytischen Variablen für die Definition dieser Normwerte berücksichtigen. Idealerweise soll jedes Labor eigene Normbereiche für die verschiedenen Altersgruppen definieren, eine Forderung, die in der Praxis jedoch nicht realistisch ist. Man kann hier auf bereits publizierte Listen der Normbereiche für die verschiedenen Reagenzien und verschiedenen technischen Plattformen zurückgreifen (1, 2). Die Hämostase des Säuglings ist durch verminderte Thrombinbildung und reduzierte Thrombinhemmung geprägt. Dies führt zu einem physiologischen Gleichgewicht, genau wie es bei Erwachsenen auch der Fall ist, und ist quasi als Schutzmechanismus zu verstehen (Abbildung). Das Hämostasesystem der Kinder bietet Schutz vor Thrombosen, ohne dabei mit einem erhöhten Blutungsrisiko einherzugehen. Die Vitamin-K-abhängigen Faktoren II, VII, IX, X, Protein C und S sind deutlich vermindert, die Proteine der primären Hämostase hingegen deutlich erhöht. Beispielsweise sind der vonWillebrand-Faktor (vWF) oder auch die Thrombozytenfunktion in den ersten 2 bis 4 Wochen nach der Geburt deutlich eingeschränkt. Die Ausreifung und die Finalisierung der Synthesekapazität der meisten Proteine des Gerinnungssystems – sowohl der prokoagulatorischen Gerinnungsfaktoren als auch der natürlichen Gerinnungsinhibitoren – wird nach den ersten 6 Monaten des Lebens erreicht. Eine definitive Diagnose eines Defekts kann somit erst gegen Ende des 1. Lebensjahres mit Sicherheit gestellt wer-
den. Mögliche Ausnahmen hier stellen die Gerinnungsfaktoren VII oder V dar, welche noch länger bis zur Stabilisierung brauchen. Diese technischen Aspekte sollen bei der Indikationsstellung der Gerinnungsabklärung immer mitberücksichtigt werden (1).
1 Institut für Labormedizin, Kantonsspital Aarau 2 Diagnostische Hämatologie, Labormedizin, Universitätsspital Basel
Abklärung der Blutungsneigung
Wann besteht die Indikation zur Abklärung der Blutungsneigung im Kindesalter? Die Tatsache, dass die meisten der Eingriffe bei Kindern in elektiver Indikation geschehen, führt dazu, dass die Ansprüche der Risikominimierung besonders hoch sind. Sowohl Operateure wie auch Eltern haben grossen Respekt vor Blutungen. Dies führt zu einer routinemässigen Analyse des Blutbildes (inklusive Thrombozytenzahlbestimmung), der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) und des Quickwertes, obschon hierfür keine deutliche Evidenz bezüglich der Effizienz für die Erfassung eines vorliegenden Gerinnungsdefektes vorhanden ist. Besonders anfällig für Abweichungen ist hierbei die aPTT, ein Messwert, der häufig von den präanalytischen Bedingungen (Blutentnahme und -transport) beeinflusst wird. Langes Stauen, «Stochern» oder
Abbildung: Schematische Darstellung der klassischen Gerinnungskaskade mit Kennzeichnung der extrinsischen (blaue Pfeile) und intrinsischen Gerinnung (roter Pfeil), der prokoagulatorischen Gerinnungsfaktoren (in römischer Schrift) und der natürlichen Gerinnungsinhibitoren (in roter Schrift). Va: aktivierter Faktor V; VIIa: aktivierter Faktor VII; VIIIa: aktivierter Faktor VIII; IX: Faktor IX; XI: Faktor XI; XII: Faktor XII; AT III: Antithrombin; Ca++: Kalzium; PrC/S: Protein C/S; TF: Gewebefaktor; TFPI: Gewebefaktor-Inhibitor.
2/17 23
SCHWERPUNKT
Tabelle 1: Störungen der plasmatischen Gerinnung und Fibrinolyse im Kindesalter
Hereditär X-chromosomal rezessiv: • Hämophilie-A, -B Autosomal rezessiv: • Afibrinogenämie • II-, V-, VII-, X-, XI-, XII- und
XIII-Mangel Autosomal dominant: • Dysfibrinogenämie • von-Willebrand-Syndrom
Erworben Lebersynthesestörung: • erworbene Hemmkörper • Verbrauchskoagulopathie Medikamentös, iatrogen: • Antikoagulation • Fibrinolyse
Tabelle 2: Störungen der Thrombozytenfunktion im Kindesalter
Hereditär Membrandefekte: • Bernard-Soulier • Thrombasthenie
Glanzmann Metabolische Störungen: • Prostaglandinstoffwechsel Speicherdefekte: • a-, d-Granuladefekte Andere: • Scott-Syndrom • Makrothrombozytopenie
Erworben Systemische Krankheiten: • Urämie • Leberschaden Medikamentös induziert: • Thrombozytenhemmer • Antibiotika
«Quetschen», kleine Kanülen, gestresste Kinder, nicht gut gefüllte Röhrchen, schaumiges Blut oder zu lange oder falsch gelagerte Proben können ebenso zu einer künstlich verlängerten aPTT führen. Ein zusätzliches häufiges Problem sind Antiphospholipid-Antikörper im Entnahmematerial, welche die Gerinnungszeiten verlängern können und somit unspezifisch verlängerte aPTT generieren können. Solche Antikörper werden bei Kindern aufgrund von Infektionen oder Impfungen ziemlich häufig generiert (LupusAntikoagulansphänomen) und persistieren im Kreislauf über Wochen oder Monate (3). Kurnik et al. nahmen solche Patienten mit verlängerter aPTT etwas genauer unter die Lupe. Bei 60 Prozent von ihnen liess sich das Resultat der verlängerten aPTT bei der zweiten Blutentnahme nicht bestätigen, was für die Interferenz der präanalytischen Störfaktoren spricht. Bei 2,4 Prozent der Patienten fand sich eine Gerinnungsstörung, wobei nur 2,1 Prozent relevant geblutet haben. Bei 75 Prozent dieser blutenden Patienten konnte trotz ausgedehnten Laboruntersuchungen keine Ursache für die verlängerte aPTT gefunden werden, bei 25 Prozent lag die Ursache bei einem milden von-Willebrand-Syndrom (vWS). Zeitgleich wurden fast ebenso viele Patienten mit normaler aPTT, aber positiver Klinik oder Familienanamnese, auf Blutungsneigung untersucht. Hierbei konnte bei 28 Prozent von ihnen labordiagnostisch eine Blutungsneigung nachgewiesen werden, und 14,6 Prozent haben effektiv nachgeblutet. Etwa 65,5 Prozent dieser Patienten waren labordiagnostisch unauffällig, 17,2 Prozent hatten ein vWS und je 1 Patient hatte einen Faktor-VII- oder Faktor-XIII-Mangel oder eine Thrombozytenfunktionsstörung (4). Abgesehen vom vWS gehen diese Erkrankungen tatsächlich nicht mit einer verlängerten aPTT einher. Kurz: Mit dem aPTT-Wert erkennt man viele klinisch nicht zwingend relevante Veränderungen der Gerinnung, aber er ist nicht dazu geeignet, echte Blutungsneigungen immer sicher zu identifizieren beziehungweise auszuschliessen Nicht nur die Messung der aPTT ist ungeeignet zur Erhebung des blutungsbedingten Operationsrisikos, auch die Thrombozytenzahlbestimmung gibt diesbezüglich keine Sicherheit. Bei Thrombozytenfunktionsstörungen können durchaus normale Thrombozytenzahlen vorliegen.
Gezielte Blutungsanamnese ist wichtig
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das wichtigste Werkzeug für die Erfassung des relevanten klinischen Blutungsrisikos die gezielte Blutungsanamnese inklusive Familienanamnese bleibt. Nur bei Risikopatienten muss gezielt untersucht werden, das heisst • bei allen Patienten, deren Anamnese positiv ausfällt • falls die Anamnese nicht vollständig ausgeführt
werden konnte • falls ein Zweifel besteht • bei Säuglingen und noch nicht laufenden Kindern • bei älteren Kinder, die noch keine Möglichkeit hat-
ten zu bluten.
Nach Erhebung der gezielten Blutungsanamnese und Definition eines Verdachts auf eine Gerinnungsstörung können für die präoperative Abklärung ein Blutbild und ein Gerinnungsstatus (Quick/INR, aPTT, Fibrinogen inkl. vWF-Bestimmung) bestimmt werden. Die Wichtigkeit der gezielten Anamnese wird auch in der entsprechenden Richtlinie der Arbeitsgruppe der Pädiatrischen Hämostaseologie der Gesellschaft für Thrombose und Hämostase zur perioperativen Blutungsabklärung bei Kindern aufgeführt. Validierte Fragenkataloge, welche auch die kinderspezifischen Fragen abdecken, helfen hier, die Verdachtsfälle zu identifizieren. Solch ein Fragenkatalog ist der ergänzte ISTH-BAT Bleeding-Score oder der kanadische pädiatrische Blutungsfragebogen (3–6).
Hereditäre Blutungsneigung
Die häufigste hereditäre Blutungsneigung ist das vonWillebrand-Syndrom mit einer Inzidenz von 1:200 bis 1:300 in der allgemeinen Bevölkerung. Es sind drei Typen bekannt: • Typ 1 als quantitativer Mangel • Typ 2 als qualitativer Mangel • Typ 3 als sehr schwerer Mangel. Typ 1 und 2 können sich von der klinischen Ausprägung her als milde oder mittelschwere Störungen manifestieren. Spontane Blutungen sind selten im Vergleich zu den provozierten Blutungen (operative Eingriffe, invasive Diagnostik, Trauma). Da diese Provokationen im Kindesalter aber eher selten vorkommen, fällt das vWS im Kindesalter eher nicht auf. Da der vWF-Mangel sich nicht immer in den globalen Gerinnungstests (Quick/INR und aPTT) widerspiegelt, ist bei einer indizierten Blutungsabklärung die direkte Suche nach einem vWF-Mangel sinnvoll. Weitere hereditäre plasmatische Gerinnungsstörungen sind seltene bis sehr seltene Krankheiten (Tabelle 1), wie zum Beispiel die Hämophilie A mit 1:10 000 Geburten oder die Hämophilie B mit 1:50 000 Geburten. Bei den Thrombozytendefekten, neben der erwähnten verminderten Thrombozytenzahl, welche zur Störung der Hämostase führen kann, ist insbesondere auch die Thrombozytenfunktion ein wichtiger Parameter (Tabelle 2 und 3). Eine Thrombozytenfunktionsstörung, die auf schweren hereditären Plättchenrezeptoroder Plättchenstrukturdefekten beruht, wie beispielsweise dem Bernard-Soulier-Syndrom, der GlanzmannThrombasthenie, der familiären Makrothrombozytopenie, dem Speichergranuladefekt, der May-HegglinAnomalie, der Alport-Thrombasthenie oder dem Wiskott-Aldrich-Syndrom, kann Ursache für eine Blutungsneigung sein.
Erworbene Blutungsneigung
Als erste erworbene Störung sei hier der bei allen Säuglingen zu beobachtende Vitamin-K-Mangel beschrieben. Ursache hierfür ist die Tatsache, dass Vitamin K schlecht plazentagängig ist. Dennoch reicht es in der Regel für die Hämostase aus, und bereits ab dem 4. Lebenstag ist die Konzentration auf das Niveau der Erwachsenen angestiegen. Die Muttermilch enthält geringe Dosen Vitamin K, anders als die Vitamin-K-angereicherte Pulvermilch (bei der die Kon-
24 2/17
SCHWERPUNKT
zentration variabel ist). Heutzutage treten aber aufgrund der etablierten postpartalen Substitution sowohl frühe (Blutung nach aussen via Nabelschnur) wie auch späte Formen (Schleimhautblutungen oder Hämatome) der Vitamin-K-Mangelblutung des Neugeborenen nur noch sehr selten auf. Weiter gibt es auch erworbene Thrombozytenfunktionsstörungen, die nicht auf hereditären Plättchenfunktionstörungen basieren, sondern auf anderen systemischen Krankheiten wie Urämie, Leberdefekten oder aber Medikamentenwirkungen (Azetylsalizylsäure, nicht steroidale antiinflammatorische Medikamente, Antibiotika, Antidepressiva, Serotonin-Wiederaufnahmeinhibitoren, Gingkoextrakt etc.). Der Vollständigkeit halber seien hier auch vaskuläre Probleme und lokale pathologische Prozesse als Ursache für erworbene Blutungsneigungen erwähnt.
Abklärung der Thromboseneigung
Im Gegensatz zum Erwachsenenalter sind Thrombosen im Kindesalter selten, mit Ausnahme der Neugeborenen. Nicht nur bezüglich Prävalenz unterscheiden sich diese beiden Untergruppen (Neugeborene vs. Kleinkinder), sondern auch bezüglich Lokalisation der Thrombosen. Abgesehen von den katheterassoziierten Thrombosen, welche 90 Prozent der Thrombosen ausmachen, sind bei Neugeborenen eher die Organe und das zentrale Nervensystem (ZNS) betroffen. Bei älteren Kindern stehen die Extremitäten- und die Sinusvenenthrombosen mit zusätzlichen Lungenembolien im Vordergrund. Klinisch präsentiert sich die Thrombose ja nach Lokalisation und eventueller Begleitblutung. So muss man beispielsweise bei unklarer Hämaturie eine allfällige Nierenvenenthrombose oder eine Vena-cava-Thrombose ausschliessen. Bei Stauungszeichen sollte man an eine venöse Extremitätenthrombose denken, bei Verlust des peripheren Pulses oder lividen Verfärbungen hingegen an eine arterielle Thrombose. Kopfschmerzen, Krampfanfälle und Hemiparesen lassen an eine zerebrale Thrombose denken, und bei arteriellen Infarkten kommt es oft zu Begleitblutungen. Bei hereditärer Thrombophilie tritt aufgrund vorliegender genetischer Veränderungen der Hämostaseparameter eine klinische Neigung zu Thrombosen auf. Fünf Hauptursachen wurden dabei identifiziert, welche insgesamt etwa 8 Prozent der allgemeinen Bevölkerung betreffen. Die hereditäre Thrombophilie löst die Thrombose nicht aus, sondern beschleunigt nur ihre Entwicklung bei einem toxisch oder mechanisch wirkenden Thromboseauslöser. Die Thrombophilie ist mit einem erhöhten relativen Risiko für eine erste Thrombose assoziiert, beeinflusst aber das Risiko für eine Rezidivthrombose nur wenig. Darum wird die Auswahl oder Dauer der Thrombosetherapie nicht vom Thrombophiliezustand bestimmt, aber das Wissen, ob eine Thrombophilie vorliegt oder nicht, kann bei ausgewählten Patienten wichtige primärprophylaktische Massnahmen gegen Thrombosen unterstützen. Wann aber besteht die Indikation zur Thrombophilieabklärung im Kindesalter? Bei Kindern, welche von einer Thrombose betroffen waren, wird ein vollumfängliches Thrombophiliescreening empfohlen (Tabelle 4). Auch im Rahmen einer Familienabklärung kann es
sinnvoll sein, Kinder zu untersuchen, aber nur, wenn bei einem erstgradigen Verwandten eine Ursache für eine erhöhte Thromboseneigung im Labor diagnostiziert wurde. Natürlich gibt es Ausnahmen, und man sollte beispielsweise bei einem Mädchen mit positiver Familienanamnese vor oraler Antikonzeptivagabe ein Screening durchführen. Generell empfiehlt es sich – bei einem nicht betroffenen Kind –, die Testung erst in der Adoleszenz zu planen, da der Befund vorerst keine therapeutischen oder prophylaktischen Konsequenzen hätte. Frühzeitige Testungen sollten bei Familien mit bekannten schweren Thrombophilien erfolgen (doppelt-heterozygote oder homozygote Formen).
Hereditäre Thromboseneigung
Bereits kurz nach der Geburt manifestieren sich homozygote Protein-C- oder -S-Defekte mit Thrombosen und einer katastrophalen Purpura fulminans (selten). Auslöser hierfür ist paradoxerweise die Vitamin-K-Prophylaxe, welche aufgrund eines schnelleren Abfalls der natürlichen Gerinnungsinhibitoren Protein C und S und paralleler Erhaltung der prokoagulatorischen Faktoren zu einem Ungleichgewicht des Gerinnungssystems führt. Da keine Fälle des homozygoten Antithrombinmangels beschrieben sind, ist davon auszugehen, dass dies nicht mit dem Leben vereinbar ist. Bezüglich der heterozygoten Protein-C- oder -S- sowie der Antithrombindefekte ist zu erwähnen, dass ohne entsprechende molekulargenetische Analysen in den ersten Lebensmonaten keine sichere Diagnose gestellt werden kann. Grund hierfür sind die tiefen Normwerte bei den Säuglingen, welche mit den pathologischen Bereichen überlappen. Die bekannten etablierten Ursachen der hereditären Thrombophilie sind der Tabelle 4 zu entnehmen. Da die Bedeutung der erhöhten Faktor-VIII-Werte, der verminderten Faktor-XII-Werte sowie der Dysfibrinogenämie umstritten ist, besteht keine Empfehlung zu einem Screening in diese Richtung.
Erworbene Thromboseneigung
Im Gegensatz zu den hereditären Thrombosen, bei welchen aufgrund einer positiven Familienanamnese von vornherein eine Gerinnungsdiagnostik erfolgt, ist dies bei den erworbenen Störungen nicht möglich, da sie unberechenbar auftreten. Eine Übersicht bezüglich einer Reihe erworbener Risikofaktoren für Thrombosen findet sich in Tabelle 4.
Tabelle 3: Thrombozytopenien im Kindesalter
Hereditär Megakaryozytäre Form: • autosomal dominant ver-
erbte Thrombozytenpenie Amegakaryozytäre Formen: • Thrombozytopenie mit
Radiusaplasie • Fanconi-Anämie • Estren-Dameshek-Syndrom
Erworben • Leukämien, myelodysplas-
tische Syndrome • aplastische Anämie • Autoimmunthrombopenie • medikamentös induziert • Verbrauchskoagulopathie
Tabelle 4: Hereditäre und erworbene Ursachen der Thromboseneigung im Kindesalter
Hereditär • Antithrombinmangel • Protein-C-Mangel • Protein-S-Mangel • APC-Resistenz, Faktor-V-
Leiden-Mutation • Prothrombin-Mutation
G20210A
Erworben • Antiphospholipid-Antikör-
per/Lupus-Antikoagulans • maligner Tumor, Chemo-
therapie • Trauma, Operation • vaskuläre Katheter-Inter-
ventionen
Konklusion
Die Hämostase im Kindesalter ist ein dynamisches Phänomen, welches sich noch bis zur Adoleszenz entwickelt, bevor es die Form der Erwachsenen annimmt. Gleichzeitig wird das erforderliche Gleichgewicht bewahrt, um die Kinder sehr effizient sowohl vor Blutungen wie auch Thrombosen zu schützen. Trotzdem kann es zu Abweichungen und/oder Entgleisungen kommen. Die Labordiagnostik kann in diesen Fällen sehr hilfreich und zielführend sein. Allerdings soll sie gezielt, bei sorgfältig ausgewählten Patienten und nach Erhebung einer spezifischen Blutungs- oder Thromboseanamnese eingesetzt werden.
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Dimitrios A. Tsakiris Diagnostische Hämatologie Universitätsspital Basel 4031 Basel E-Mail: dimitrios.tsakiris@usb.ch
2/17 25
SCHWERPUNKT
Literatur: 1. Toulon P: Developmental hemostasis: laboratory and clinical implications. Int J Lab Hematol 2016; 38 Suppl 1: 66–77. 2. Nowak-Gottl U, Limperger V, Kenet G et al.: Developmental hemostasis: A lifespan from neonates and pregnancy to the young and elderly adult in a European white population. Blood Cells Mol Dis 2016; S1079-9796(16)30268-6. 3. Nowak-Gottl U, Limperger V, Bauer A et al.: Bleeding issues in neonates and infants – update 2015. Thromb Res 2015; 135 Suppl: S41–43. 4. Bidlingmaier C, Grote V, Budde U et al.: Prospective evaluation of a pediatric bleeding questionnaire and the ISTH bleeding assessment tool in children and parents in routine clinical practice. J Thromb Haemost 2012; 10 (7): 1335–1341. 5. Biss TT, Blanchette VS, Clark DS et al.: Use of a quantitative pediatric bleeding questionnaire to assess mucocutaneous bleeding symptoms in children with a platelet function disorder. J Thromb Haemost 2010; 8 (6): 1416–1419. 6. Elbatarny M, Mollah S, Grabell J et al.: Normal range of bleeding scores for the ISTHBAT: adult and pediatric data from the merging project. Haemophilia 2014; 20 (6): 831–835.
26 2/17