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SCHWERPUNKT
Sinnvolle molekulare Mikrobiologie in der Pädiatrie
Es ist noch nicht lange her, dass molekulare Techniken zuerst in den Forschungslaboratorien der Universitäten entwickelt und dann – den Kinderschuhen entwachsen – im Diagnostikbereich der klinischen Mikrobiologie Einzug gehalten haben. Bereits heute stellt die nunmehr jüngste Routinemethodik einen äusserst wichtigen diagnostischen Pfeiler innerhalb des mikrobiologischen Labors dar und kann, mit Ausnahme der Resistenzprüfung pathogener Keime, beinahe universell für den Erregernachweis angewendet werden.
Von Hans Fankhauser
In Anbetracht des heute reichhaltig verfügbaren Testangebotes zur molekularen Abklärung mikrobiologischer Fragestellungen gilt es, Einsatzbereich und Testvarianten vernünftig auszuloten, um den involvierten Personen – Ärzte sowie Patienten – in der gegebenen Situation grösstmöglichen Nutzen zu verschaffen. Testspezifische Faktoren wie Sensitivität, Spezifität, Dauer bis zur Verfügbarkeit des Resultates sowie Kosten und Wirtschaftlichkeit unterscheiden sich zum Teil beträchtlich und sollten bei Auftragserteilung individuell berücksichtigt werden. Falls die Möglichkeit besteht, das diagnostische Ziel mittels konventionellem Test zu erreichen, ist auch diese Variante in die Auswahl miteinzubeziehen. Zukünftig wird sich allerdings zeigen müssen, für wie lange noch die bisher etablierten, altbekannten mikrobiologischen Verfahren im Angebotsprofil der Auftragslaboratorien bestehen bleiben, ehe die unübertroffene Qualität des molekularen Testansatzes diese endgültig zum Verschwinden bringt. Um den Sinn – oder allenfalls Unsinn – der hier diskutierten Methodik in seiner Gesamtheit fundiert zu verstehen und in der Folge den Einsendern einen adäquaten Zugang zu entsprechenden Testangeboten zu erschliessen, will ich einleitend kurz einen Blick auf die Entstehungsgeschichte und das Wesen der klinisch-mikrobiologischen Diagnostik werfen.
Eine kurze Geschichte der klinischen Mikrobiologie
Die klinische Mikrobiologie hat auf ihrem Weg von der Vergangenheit in die Gegenwart während der letzten 250 Jahre den interessierten Zeitgenossen eine geradezu unglaubliche Fülle an erstaunlichen Erkenntnissen bezüglich der allgegenwärtigen Mikroben verschafft. Obwohl meist unsichtbar klein, beeinflussen diese Organismen unser Leben in mannigfacher Art
und Weise; kaum ein Winkel des natürlichen Lebensraums unserer Gesellschaft bleibt davon unberührt. Obwohl wir uns den mehrheitlich positiven Eigenschaften, zum Beispiel in Lebensmittel- und Pharmaindustrie, durchaus bewusst sind, beobachten und fürchten wir zu Recht die unter Umständen tödlichen oder zumindest lebensbedrohlichen Charakteristika eines nur ganz geringen Anteils dieser heterogenen Gruppe. Dies unabhängig davon, ob es sich bei dem Erreger um ein Bakterium, ein Virus, einen Pilz oder einen andersartigen Mikroorganismus handelt. Mit noch ungleich grösserer Besorgnis wird verständlicherweise der Einzelfall wahrgenommen, falls ein zeitlich sowie örtlich gehäuftes Vorkommen eines infektiösen Geschehens beobachtet wird. Die sogenannte «Schweinegrippe» und Ebola sind vermutlich allen in Erinnerung. Unsere Vorgänger mussten sich über die Jahre hinweg im klinischen Alltag, unabhängig davon, ob im ambulanten Praxisbetrieb oder im Spital, unzähligen neuen Herausforderungen stellen und effiziente Diagnostiksowie Behandlungsstrategien im Umgang mit Infektionserregern etablieren. Es war zum Ende des 19. Jahrhunderts, als Robert Koch und seine wissenschaftlichen Kollegen erstmals den Nachweis erbringen konnten, dass zumindest bei einigen der vorerst nur erahnten Infektionskrankheiten der jeweils identische mikrobielle Erreger aus dem klinischen Material des Patienten isoliert werde konnte. So wurde der Grundstein zum Verständnis der Übertragungsmöglichkeit erregerbedingter Erkrankungen gelegt. Die bereits damals erfolgreich angewandten Diagnosetechniken, wie Erregeranzucht in flüssiger Nährbouillon oder Übernachtkultur auf festen, agarhaltigen Wachstumsmedien, dazu mikroskopische Darstellung der Erreger im Direktmaterial, stellen noch heute eminent wichtige, kaum wegzudenkende
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Auch konventionelle Tests sind in die Auswahl miteinzubeziehen.
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Ohne bakterielle Kultur sind umfassende Aussagen zur Resistenz nach wie vor nicht möglich.
Der einzigartige Vorteil der PCR ist der schnellere Nachweis der Erreger.
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Methoden im mikrobiologischen Labor dar. Ohne bakterielle Kultur sind umfassende Aussagen zur bekanntlich zunehmend problematischen Antibiotikaempfindlichkeit einzelner bakterieller Spezies nach wie vor nicht möglich. Die initiale mikroskopische Untersuchung nach Färbung des klinischen Materials ist hervorragend geeignet, rasch und im Übrigen auch wirtschaftlich Informationen über den der Erkrankung zugrundeliegenden Erreger zu gewinnen – eine Untersuchung, die auch im Praxislabor problemlos integriert werden kann. Nur am Rande sei erwähnt, dass – Diagnostik bei Schwerstkranken ausgenommen – der wenig beeinflussbare Zeitbedarf mikrobieller Kulturen zur Erstellung eines Antibiogrammes die Möglichkeit eröffnet, eine gestellte Verdachtsdiagnose in Ruhe zu überdenken. Technik und Methoden der mikrobiellen Diagnostik blieben anschliessend bis knapp vor Beginn des neuen Jahrtausends praktisch unverändert. Die durchaus wahrgenommene Qualitätssteigerung der Analytik war insbesondere Folge genereller Verbesserungen während der präanalytischen Phase des diagnostischen Prozesses. Dazu zählt die Entnahmetechnik sowie der Probentransport, die erst dank des stetig zunehmenden Grundlagenwissens bezüglich der Biologie der Erreger adaptiert und in der Folge optimiert werden konnten. Weiteres Optimierungspotenzial lieferte die Kulturtechnik, wobei die Produktion individueller Spezialnährmedien im Mittelpunkt der Anstrengungen lag. Geduld und Verständnis hinsichtlich der speziesspezifischen Generationszeit wird für kulturbasierte Diagnostik «natürlicherweise» vorausgesetzt bleiben, nehmen doch selbst schnell wachsende Bakterien dafür acht bis zwölf Stunden in Anspruch. Die Aufzählung abschliessend soll erwähnt sein, dass sich auch dank des Transfers diagnostischer Verfahren in die direkte Patientenumgebung (Point-of-careTestung) effiziente Wege ergaben, schnell und unkompliziert Basisanalytik durchzuführen. Die so erhaltenen Resultate liessen gelegentlich den Schluss zu, dass nur gefunden, was überhaupt gesucht wird. Eine Regel, die sich auch heute im täglichen Praxisbeziehungsweise Laboralltag bestätigt.
Revolution kurz vor der Jahrtausendwende
Regelrecht wachgerüttelt aus jahrelangem Dornröschenschlaf wurden die mikrobiologischen Laboratorien kurz vor der Jahrtausendwende. Gewohnt, mit Geduld das Wachstum von Bakterien oder anderer Mikroben abzuwarten, bot die bisher praktisch exklusiv in experimentellen Forschungslabors erprobte Nukleinsäurenamplifizierungstechnik grundlegend neue diagnostische Ansätze. Die anfänglich von vielen Laboratorien sich selbst auferlegte Zurückhaltung gegenüber der mit labortechnischen Hürden belasteten und deshalb vorerst nur selektiv eingesetzten Polymerasekettenreaktion (PCR) verschwand dank der Entwicklung routinetauglicher Analysesysteme bald, um kurz darauf in Anbetracht der überzeugenden Testresultate eine tragende Rolle im diagnostischen Menü einzunehmen. Häufig kam
die PCR-Analytik sodann nicht wie ursprünglich geplant als Reserveanalytik bei schwer kultivierbaren Bakterien oder Viren zum Einsatz, sondern sie verdrängte zunehmend auch viele der noch vor kurzem als «Goldstandard» betitelten klassischen Nachweismethoden der mikrobiologischen Diagnostik. Diese beispiellose labortechnische Evolution innerhalb der letzten 20 Jahre ist bis heute nicht abgeschlossen und verblüfft mit immer neuen Varianten des Erregernachweises. In Anbetracht dieser Umstände ist wenig erstaunlich, dass selbst erfahrene Laborfachleute zuweilen Mühe haben, den gerade aktuellsten Stand der Technik zu vermitteln. Als Konsequenz davon ist auch die Ärzteschaft gefordert, die häufig mutierenden Testangebote mit Geist und gesundem Menschenverstand zu verfolgen, um in dringlicher Situation patientengerechte Analytik anfordern zu können. Trotz in der Regel kontinuierlichen Informationen seitens des Einsendelabors zu neuen Testentwicklungen bleibt bei geringster Unklarheit die Kontaktaufnahme mit einem Laborspezialisten für alle Beteiligten lohnenswert. Angesichts der mehrheitlich herrschenden Begeisterung ob all dem Potenzial molekularer Techniken darf nicht in Vergessenheit geraten, dass im konventionellen Diagnostiksegment im selben Zeitraum ebenso eine hilfreiche Weiterentwicklung stattfand und Beachtung verdient. Nebst der in sämtlichen Laborbereichen expandierenden Laborautomation führte die Zunahme standardisierbarer Arbeitsprozesse zu besserer Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Testsysteme. Diese Errungenschaft bildete die notwendige Voraussetzung für den Aufbau regionaler und globaler Netzwerke zur Überwachung epidemiologischer Daten der verschiedensten Infektionskrankheiten und liessen Rückschlüsse auf die Prävalenz einzelner Erreger zu.
Methodenwechsel bei der Keimidentifikation
Als herausragendes Ereignis kann der Methodenwechsel bei der Keimidentifikation nach konventioneller Erregerkultur angefügt werden. Die bisher mittels Analyse biochemischer sowie enzymatischer Reaktionen durchgeführte Speziesidentifikation der bakteriellen Keime und Pilze der Gattung Candida konnte durch die Einführung der MALDI-TOF-Massenspektrometrie (MALDI-TOF: matrix assisted laser desorption/ionization – time of flight; eine Massenanalyse chemischer Verbindungen) enorm erleichtert werden. Allerdings wurde dadurch die Gesamtdauer der mikrobiologisch-kulturellen Abklärung nicht verkürzt, und so dauert diese auch im Zeitalter der MALDI-TOFTechnologie 48 bis 72 Stunden. Die vorgezogene, beschleunigte Keimidentifikation ergibt zumindest die Option, bei klinischer Notwendigkeit mit gezielter empirischer Antibiotikatherapie – entsprechend der epidemiologischen Resistenzlage des identifizierten Erregers – zeitnah beginnen zu können. Die im diagnostischen Prozess der Laboratorien problemlos sowie effizient durchführbare MALDI-TOFAnalytik erweist sich, nebst der Einführung molekularer Tests, zweifelsohne als weiteres herausragendes
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Highlight in der Weiterentwicklung und Optimierung der mikrobiologischen Diagnostik seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Trotzdem ist unumstritten, dass bei vergleichender Gesamtbeurteilung dieser unterschiedlichen Methodenergänzungen der Wirkungsgrad und Nutzen der molekularen Diagnostik klar über der MALDI-TOF-Technologie anzusiedeln ist. Während die massenspektrometrisch durchgeführte Keimidentifikation einzig der Optimierung eines Einzelschrittes innerhalb des etablierten Prozesses dient, stellt die molekulare PCR-Technik ein eigenständiges diagnostisches Werkzeug der mikrobiologischen Diagnostik dar und kommt bei nachgewiesenem Nutzen wirkungsvoll zum Zuge.
Erregernachweis mittels PCR
Der einzigartige Vorteil der PCR-Technologie gegenüber der mikrobiologischen Kultur stellt der ungleich schnellere Nachweis von einem oder mehreren, im Normalfall vorgängig definierten mikrobiellen Erregern in ausgewähltem Probenmaterial dar. Eine unter Berücksichtigung der klinischen Fragestellung fachgerechte Probenentnahme, eine möglichst kurze Transportdauer sowie das Vorhandensein einer genügend hohen Erregerlast im Probenmaterial ist die präanalytische Voraussetzung erfolgreicher PCR-Analytik. Als wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung fast aller molekularbiologischer Diagnostikverfahren gelten grundsätzlich räumlich getrennte, kontaminationsfreie Arbeitsplätze. Ebenso ist die permanente Überwachung aller Reaktionszwischenschritte vom Probeneingang bis zum validierten Resultat Pflicht. Von relativ einschränkenden Kriterien kann abgewichen werden, falls den Labors sogenannt «geschlossene» Testsysteme zur Verfügung stehen. Nicht ausgeschlossen ist, dass die zunehmend ausgeklügelten Analysegeräte in absehbarer Zeit auch den Weg ins Praxislabor finden könnten, falls die behördlichen Kontrollorgane zustimmen. Der Reaktionsablauf der etablierten PCR folgt schon seit jeher einem dreistufigen Muster, unabhängig von Untersuchungsmaterial und gesuchtem Pathogen: • In einem ersten Schritt werden aus eingesandtem
Probenmaterial dessen Nukleinsäuren aufgereinigt. • Anschliessend wird im eigentlichen PCR-Prozess
angestrebt – ähnlich der Suche einer Stecknadel im Heuhaufen – spezifische Genabschnitte des Erregers aufzuspüren und diese millionenfach anzureichern. PCR-basierte Verfahren nutzen dazu die spezifische komplementäre Bindung kurzer gegenläufiger Oligonukleotide (Primer) an die nachzuweisende DNA. • Nach der Vervielfältigung (Amplifikation) wird im dritten Schritt das neugebildete Produkt analysiert, um die Spezifität sicherzustellen. Bei unseren diagnostisch verwertbaren PCR-Verfahren dominiert eine direkte Amplifikationsdetektion mithilfe fluoreszenzmarkierter Sonden, was zu erheblicher Zeitersparnis im Testablauf führt und ergänzend eine automatisierte Auswertung ermöglicht. Im Vergleich zu bisherigen, konventionellen Nachweismethoden erweist sich diese auch als «EndpunktPCR» bezeichnete Variante als höchst sensitiv und spezifisch für den qualitativen oder sogar quantitativen
Nachweis von Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten. Nachteilig ist einzig, dass je Untersuchungsgang gleichzeitig nur ein einziges spezifisches Nukleinsäuretarget für einen bestimmten Keim nachgewiesen werden kann. Somit muss, falls verschiedene Keime bei entsprechender klinischer Ausgangslage infrage kommen, in der Regel kosten- sowie zeitintensiv eine Mehrzahl individueller PCR-Analysen veranlasst werden. Eine praktikable Ausnahme der gezielten Erregersuche stellt die sogenannte universelle PCR dar, die mit Primern gegen flankierende, konservierte Bereiche variable Sequenzen dieser Gene amplifiziert. Nachfolgend können durch Sequenzierung der variablen Genabschnitte und anschliessenden Abgleich mit Datenbanken die Erregeridentifikation vorgenommen werden. Nachteile dieser Methode sind deutlich verringerte Sensitivität im Vergleich zur spezifischen PCR sowie die Beschränkung auf die Erregerdiagnostik im Falle einer Monoinfektion, da resultierende Mischsequenzen eine Auswertung nicht zulassen.
Neueste Routine: die Multiplex-PCR
Die nun folgend beschriebene PCR-Variante kommt seit zirka zwei Jahren im mikrobiologischen Routinelabor zum Einsatz und gilt als fortschrittlichste molekulare Technik. Die Multiplex-PCR ermöglicht es, im identischen Testansatz beziehungsweise Probenmaterial simultan mehrere unterschiedliche Nukleinsäurezielsequenzen mit hoher Zuverlässigkeit nachzuweisen. Praktische Beispiele sind der Nachweis eines mikrobiellen Erregers mit gleichzeitiger Detektion einer oder mehrerer genetisch determinierter Eigenschaften. Infrage kommen hierbei spezifische Toxin- oder Resistenzformen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, mittels Multiplex-PCR gleichzeitig eine Vielzahl möglicher Erreger in identischem Material nachzuweisen und dadurch auf die Ursache einer bestimmten Erkrankung zu schliessen. Diese kurz als «Syndromanalytik» bezeichneten PCR-Testungen betreffen respiratorische, gastrointestinale sowie urogenitale Infekte, zudem werden sie häufig zur Meningitisdiagnostik eingesetzt. Die vollautomatisierte Multiplex-PCR, bei der nach Zugabe des Probenmaterials die Nukleinsäureextraktion, die Amplifikation, die Detektion sowie die Probenauswertung innert kurzer Zeit selbstständig abläuft und als weiteren gewichtigen Vorteil die Gesamtdauer der mikrobiologischen Analytik maximal verkürzt, stellt für diagnostische Labors und deren Einsender das bisher attraktivste molekular diagnostische Hilfsmittel dar. Die Möglichkeit, fast beliebig kombinierte Testpanels in der täglichen Routinediagnostik einzusetzen, garantiert diesen Systemen eine höchst lukrative Zukunft. Ob eine solche Analytik der klinischen Grundsituation in jedem Falle gerecht wird, muss im Einzelfall evaluiert werden und ist ein häufiges Diskussionsthema der Fachspezialisten.
Ist der nachgewiesene Erreger klinisch relevant?
Am Beispiel des Gastrointestinalpanels, das den simultanen Nachweis von über 20 unterschiedlichen
Nur die bekannt obligat pathogenen Keime sind bei positivem Nachweis zu würdigen.
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SCHWERPUNKT
Sinnvolle Analytik hängt von der Verdachtsdiagnose, Eigenheiten des Patienten, Diagnosedringlichkeit und geplanter Therapie ab.
Krankheitserregern im Stuhl des Patienten ermöglicht, sei die Problematik kurz aufgezeigt. Ohne Zweifel würde der alleinige Nachweis eines Norovirus, einer enterischen Salmonelle oder eines Campylobacter jejuni bei entsprechender Klinik die Symptomatik erklären und weitere Diagnostik wäre obsolet. Wie jedoch mit dem Nachweis eines nur bedingt pathogenen Keimes, hier mit dem ebenso im Panel enthaltenen enteroaggregativen Escherichia coli umzugehen ist, steht zur Diskussion. Dieser Keim kann sowohl Ursache der Magen-Darm-Erkrankung darstellen als auch nur als harmloser Besiedler des Darmes in Erscheinung treten. Diese Abgrenzung ist ein noch offener Punkt der Syndromanalytik. Unabhängig vom gewählten Panel ist folglich darauf hinzuweisen, dass nur die bekannt obligat pathogenen Keime bei positivem Nachweis zu würdigen sind, während beim Nachweis fakultativ pathogener Keime auf die Wahrscheinlichkeit einer blossen Kolonisation hingewiesen werden sollte. Erfahrungsgemäss darf davon ausgegangen werden, dass mit zunehmender Erfahrung diese Fragen zukünftig verständlich beantwortet werden können.
Kosten der Multiplex-PCR
Anders als gewohnt, in der aktuellen Analysenliste verbindliche Angabe zur Tarifierung vorzufinden, kann hier vorerst nach eigenem Gutdünken ein selbstgestalteter Preis eingefordert werden. Dadurch variert die Verrechnung laborabhängig zwischen 180 und maximal 720 Franken. Somit sollte ein entsprechender Analysenauftrag mit Vernunft erteilt werden.
Welche Diagnostik für wen?
Zum Schluss gilt es, die im Titel gestellte Frage zu beantworten. Ein Leichtes wäre es, das verfügbare molekulare Testangebot bezüglich Nachweisqualität, Nutzen für den Patienten und Wirtschaftlichkeit zu werten. Daraus eine Aussage abzuleiten und allgemeine Regeln zu erstellen würde dem einzelnen Individuum aber kaum gerecht. Wie Sie, geschätzte Leserin und geschätzter Leser, in meiner Zusammenstellung am Rande haben entnehmen können, ist im modernen molekularen, mikrobiologischen Diagnostiklabor der Nachweis beinahe aller bekannter mikrobieller Erreger – einzeln oder syndrombasierend – mit sehr guter Qualität möglich. Sinnvolle Analytik setzt jedoch zumindest die Kenntnis der ärztlichen Verdachtsdiagnose voraus, nimmt Rücksicht auf Eigenheiten des Patienten und beachtet die Dringlichkeit der Diagnostik sowie die geplante Therapie. Meine eigene Erfahrung zeigt zudem, dass persönliche Vorlieben der Einsender und Einsenderinnen ganz massgeblich die Wahl der diagnostischen Mittel beeinflusst. Eine allgemeine Bewertung meinerseits bezüglich Sinn und Unsinn im jetzigen Moment ist somit nutzlos. Ausnahmen gäbe es jedoch, das ist völlig klar – aber diese erläutere ich Ihnen lieber im persönlichen Gespräch. Das Versprechen gilt.
Korrespondenzadresse: Dr. phil. nat. Hans Fankhauser Abteilungsleiter Med. Mikrobiologie FAMH Stv. Institutsleiter IfLM Kantonsspital Aarau AG Institut für Labormedizin Tellstrasse 25 5001 Aarau E-Mail: hans.fankhauser@ksa.ch
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