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SCHWERPUNKT
Metabolische Laboruntersuchungen bei Kindern
Zucker- und Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter müssen möglichst frühzeitig erkannt werden, um langfristige Folgeschäden zu lindern oder im besten Fall ganz zu vermeiden. In diesem Artikel werden sinnvolle Laboruntersuchungen bei Hypo- und Hyperglykämie, bei Fettstoffwechselstörungen sowie die Interpretation der erhaltenen Laborwerte erläutert.
Von Anna Lauber-Biason1 und Martin Hersberger2
Hypoglykämie
Ein unterer Grenzwert für die Glukose ist vor allem bei Neugeborenen schwierig zu definieren. Häufig wird dieser jedoch auf < 2,6 mmol/l für eine venöse Blutglukosekonzentration festgelegt. Zur Diagnose einer Hypoglykämie müssen jedoch gleichzeitig klinische Zeichen einer Hypoglykämie, wie eine Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten, dazukommen (1). Eine venöse Blutglukosekonzentration < 2,6 mmol/l wird jedoch auch bei etwa 20 Prozent der Neugeborenen beobachtet, die ohne klinische Zeichen, aber mit einer Erhöhung der Ketonkörper im Plasma einhergeht. Eine solche kurzzeitige Hypoglykämie in den ersten 48 Lebensstunden scheint zu keinen bleibenden neurologischen Schädigungen zu führen. Hypoglykämien nach dieser Neugeborenenperiode sind aber eher selten, und deren neurologische Folgeschäden scheinen von Ausmass und Häufigkeit der Hypoglykämien und von weiteren metabolischen Faktoren abzuhängen. Deshalb sollte jede anamnestisch nicht erklärbare Hypoglykämie nach den ersten Lebenstagen weiter abgeklärt werden. Klinische Zeichen der Hypoglykämie: In der Neugeborenenperiode können klinische Zeichen von Apnoe, Zyanose oder Muskelzucken und -zittern auf eine Hypoglykämie hindeuten, doch viele Neugeborene weisen keine klinischen Zeichen auf. Bei Kindern und Jugendlichen hat die Hypoglykämie progrediente klinische Zeichen. Sie können von Hunger und Nahrungssuche über Schwitzen, Tremor und Tachykardie zu Beeinträchtigungen der kognitiven Fähigkeiten mit Konfusion sowie Verhaltensauffälligkeiten reichen und zu Bewusstseinsverlust, generalisierten Konvulsionen und letztlich zum Tod führen (2). Diagnostische Strategie: Obwohl die Hypoglykämie rasch behandelt werden muss, sind die klinische Un-
tersuchung und die Entnahme von Blut und Urin vor der ersten Intervention elementar, denn nur unter den Stressbedingungen der Hypoglykämie zeigen sich bei den labormedizinischen Untersuchungen mögliche Defizite der verschiedenen Energielieferanten Glukose, Fettsäuren und Ketonkörper (1, 2). Auslöser für eine Hypoglykämie ist meist eine Störung in einem von vier Systemen des Energiemetabolismus. Einerseits führen Störungen des endokrinologischen Systems durch einen Überschuss an Insulin oder durch einen Mangel an dessen Gegenspielern, wie Cortisol und Wachstumshormon, zur Hypoglykämie. Andererseits führen angeborene Störungen im Glukosestoffwechsel bei Defekten der Glukoneogenese oder der Glykolyse zu wiederkehrenden Hypoglykämien. Die dritte Gruppe sind angeborene Störungen im Fettsäure- und Ketonkörpermetabolismus, die zu einer vermehrten Energieabhängigkeit von Glukose führen und im katabolen Zustand eine Hypoglykämie auslösen. Die vierte Gruppe der Hypoglykämien wird durch Mangelernährung ausgelöst. Laborabklärungen: Bedingt durch die verschiedenen Differenzialdiagnosen der Hypoglykämien sollten verschiedenste Blutentnahmen während der Hypoglykämie und der erste Spontanurin nach dem Feststellen der Hypoglykämie gesammelt und vorsorglich auf Eis ins medizinische Laboratorium transportiert werden. Diese Laborabklärungen sollten, neben der Bestimmung von Blutgasen, Glukose und Laktat im Plasma, die Bestimmung der freien Fettsäuren im Serum und der Ketonkörper im Plasma und/oder Urin umfassen (Tabelle 1). Damit soll eine erste Triage zwischen den Hypoglykämien mit Laktat- oder Ketoazidämie und den Hypoglykämien ohne Azidose erfolgen. Gleichzeitig sollten die endokrinologischen Laboruntersuchungen auf Wachstumshormon- und Cortisolmangel so-
Tabelle 1: Laboruntersuchungen bei Hypoglykämie
Primäre Laboruntersuchungen • Blutgase im Vollblut • Glukose im Plasma • Laktat im Plasma • beta-Hydroxybutyrat und
Acetoacetat im Plasma • freie Fettsäuren im Serum • Urinstatus mit Ketonkörpern • Insulin im Serum • Wachstumshormon
im Serum • Cortisol im Plasma • Acylcarnitine im Vollblut
(Trockenblutkarte) • organische Säuren
im Spontanurin
Weitere Laboruntersuchungen • C-Peptid im Serum • ACTH im Plasma • Ammoniak im Plasma • Aminosäuren im Plasma
1 Endokrinologie, Departement Medizin, Universität Freiburg 2 Abteilung Klinische Chemie und Biochemie, Kinderspital Zürich – Eleonorenstiftung
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Tabelle 2: Interpretation der endokrinologischen und metabolischen Laborwerte bei Hypoglykämie
Hypoglykämie mit Laktatazidose Hypoglykämie mit Ketonämie
Hypoglykämie ohne Laktatazidose oder Ketonämie
• bei Neugeborenen zum Teil physiologisch • Stoffwechseldefekte der Glukoneogenese • normale ketotische Hypoglykämie mit verminderter
Toleranz für Nahrungskarenz • Glykogenspeicherkrankheiten • Cortisol- und/oder Wachstumshormonmangel • bei Neugeborenen zum Teil physiologisch • Hyperinsulinismus • neonatale Hypophyseninsuffizienz • Fettsäureoxidationsstörungen • angeborene Störungen der Ketogenese
Tabelle 3: Während der Hypoglykämie zu asservierendes Untersuchungsmaterial
• 1,2 ml Blut im Fluoridröhrchen
• 1,2 ml Blut im Heparinröhrchen
• 2,7 ml Blut im Serumröhrchen
• 5 Tropfen Blut auf einer Trockenblutkarte
• 10 ml Urin
wie die selektiven Screeningmethoden auf Störungen der Fettsäureoxidation und des Ketonsäuremetabolismus durchgeführt werden, um der zugrunde liegenden Krankheit näher zu kommen und diese zu diagnostizieren (Tabelle 2). Wie erwähnt, liefern diese Laboruntersuchungen nur aufschlussreiche Resultate, wenn diese in Proben durchgeführt werden, die während der Hypoglykämie gesammelt wurden (Tabelle 3). Häufig werden deshalb von pädiatrischen Laboratorien spezielle Probenahmesets zur Abklärung von Hypoglykämien zur Verfügung gestellt, die eine vollständige Probenahme in der Hypoglykämie gewährleisten.
Hyperglykämie
Eine Hyperglykämie wird im Allgemeinen als eine Blutzuckermessung > 6,1 mmol/l bei einer Nüchternblutentnahme oder > 7,8 mmol/l bei einer Spontanblutentnahme definiert. Wie in Abbildung 1 dargestellt, führen verschiedene Ursachen zu einer Hyperglykämie, wobei Medikamente bei Kindern eine ungewöhnliche Ursache darstellen, die schnell eruiert werden kann. Hingegen sind Hyperglykämien unter Stress üblich. Bei schwerkranken Kindern und Kindern unter Intensivbehandlung ist die Hyperglykämie eine regelrechte endokrine und metabolische Reaktion auf Stress und wahrscheinlich kein Indikator für einen beginnenden
Abbildung 1: Diagnostischer Algorithmus der Hyperglykämie, adaptiert nach (16)
Typ-1-Diabetes (T1DM). Hingegen können Hyperglykämien bei milderen Erkrankungen auf eine Prädisposition für T1DM oder auf MODY (maturity onset diabetes of the young) hindeuten und sollten weiter abgeklärt werden (3–5). Diabetes mellitus: 1997 hat die American Diabetes Association (ADA) neue diagnostische Kriterien und eine neue Klassifikation des Diabetes empfohlen, die auf der Etiopathogenese der Krankheit und nicht auf der therapeutischen Reaktion beruhen. Die beiden Haupttypen des Diabetes sind Typ-1-Diabetes (T1DM) und Typ-2-Diabetes (T2DM). Die Begriffe IDDM und NIDDM sollten nicht mehr verwendet werden. T1DM ist eine durch Insulinmangel charakterisierte Erkrankung als Folge der autoimmunen Zerstörung der Betazellen, während T2DM durch Insulinresistenz mit relativem, aber progressivem Insulinmangel charakterisiert ist (6). Die Diagnose des T1DM ist in der Regel relativ einfach zu stellen (Abbildung 1). T1DM ist die häufigste Ursache für Hyperglykämien bei Kindern (3, 7, 8). Die Untersuchungen auf Inselzell-Autoantikörper (ICA), Insulin-Autoantikörper (IAA), Glutamin-Decarboxylase-Autoantikörper (GAD) und eventuell TyrosinPhosphatase-IA-2-Autoantikörper (IA-2A) lassen die Diagnose schnell stellen (Abbildungen 1 und 2). Ebenfalls lassen sich Hyperglykämien, die bei Patienten mit sekundären Erkrankungen auftreten, wie zum Beispiel bei zystischer Fibrose, rasch zuordnen. Die Veranlagung für einen Diabetes mellitus ist bei zystischer Fibrose so hoch, dass bei diesen Kindern bei Pubertätsbeginn routinemässig Glukosetoleranztests durchgeführt werden, um eine Hyperglykämie frühzeitig zu erkennen (9, 10). Wesentlich seltener ist zurzeit der klassische T2DM bei Kindern, wobei wir uns aber bei einer möglichen Zunahme der Fettleibigkeit auf eine erhöhte Inzidenz für den T2DM in der pädiatrischen Population vorbereiten müssen (Abbildung 3) (11, 12). Die Anamnese ist meist durch Adipositas mit einer Familiengeschichte von Fettleibigkeit und/oder T2DM gekennzeichnet, wobei bestimmte ethnische Gruppen, wie manche Asiaten und Pima-Indianer, ein erhöhtes Risiko aufweisen (11, 13, 14). Eine sehr seltene Ursache für Diabetes bei Kindern sind die genetisch bedingten MODY-Formen, die aber bei Kindern ohne typische T1DM-Präsentation in Betracht gezogen werden sollten (Abbildung 2) (15). Der Phänotyp kann extrem variabel sein, jedoch sind betroffene Individuen schlank, Autoantikörper-negativ, und sie haben eine Familienanamnese für Diabetes. Die Verdachtsdiagnose sollte gestellt werden, wenn Patienten jünger als 30 Jahre sind, Zeichen und Symptome von Diabetes und mindestens ein oder idealerweise zwei Familienmitglieder mit Diabetes mellitus aufweisen. Zudem sollte auch bei Autoantikörper-negativen Patienten oder bei Patienten mit einem seit mehreren Jahren niedrigen Insulinbedarf an die MODY-Formen gedacht werden (siehe auch Abbildung 2). Klinische Zeichen des Diabetes: Meist zeigen Kinder mit einem T1DM eine akute klinische Präsentation mit Gewichtsverlust, Polyurie und Polydipsie.
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Abbildung 2: Diagnostischer Algorithmus bei Verdacht auf MODY, adaptiert nach (16)
Tabelle 4: Interpretation der Laborwerte bei Hyperglykämie (6)
Diabetes mellitus (Glukose) Diabetes mellitus (HbA1c) abnorme Nüchternglukose gestörte Glukosetoleranz gestörter Glukosemetabolismus (HbA1c) normale Glukose normales HbA1c
Nüchtern ≥ 7,0 mmol/l ≥ 6,5% 5,6–6,9 mmol/l
5,7–6,4% < 5,6 mmol/l 4,4–5,6%
2 Std. nach 75 g Glukose ≥ 11,1 mmol/l
7,8–11 mmol/l < 7,8 mmol/l
Mindestens 60 Prozent der Kinder, bei denen ein T2DM diagnostiziert wird, sind adipös. Weitere klinische Zeichen, die auf einen T2DM hindeuten können, sind Acanthosis nigricans, Hirsutismus und Merkmale des polyzystischen Ovarialsyndroms (PCOS), die oft mit Insulinresistenz und damit mit einer Hyperinsulinämie assoziiert sind. Diese Insulinresistenz kann bei genetisch prädisponierten Individuen zu einem T2DM führen, wenn die Sekretionsreserve der Betazellen des Pankreas schwindet. Auch eine Hypertonie kann bei Adipositas zu einem Typ-2-Diabetes prädestinieren, vermutlich in Kombination mit einer Insulinresistenz (11, 12). Diagnostische Strategien: Die Abklärungsschemen für die verschiedenen Verdachtsdiagnosen, T1DM, T2DM und MODY, sind in den Abbildungen 1 bis 3, die Definitionen für die Diagnose des Diabetes mellitus in Tabelle 4 dargestellt. Ein oraler Glukosetoleranztest (OGTT) sollte durchgeführt werden, wenn eine gestörte Glukosetoleranz, ein T2DM oder eine der MODY-Formen in Betracht gezogen werden. Maturity Onset Diabetes of the Young (MODY): Die Gruppe der MODY-Formen umfasst eine genetisch und klinisch heterogene Gruppe von Diabetes-mellitus-Krankheiten, die durch einen frühen Beginn (zwischen 9 und 30 Jahren), eine autosomal-dominante Vererbung und einen primären Defekt der Insulin-
sekretion charakterisiert sind. Die Kriterien für die MODY-Diagnose sind streng und umfassen einen Diabetes mellitus, der mit Insulin oder mit oralen Antidiabetika (Sulfonylharnstoffe) behandelt wird, in mindestens drei Generationen autosomal-dominant vererbt wurde und bei welchem die Diagnose bei mindestens einem Familienmitglied in einem Alter von unter 30 Jahren gestellt wurde. Die Abwesenheit einer Familiengeschichte, die auf autosomal-dominantes Erbe hindeutet, schliesst eine Diagnose der MODY praktisch aus. Bislang wurden etwa 14 MODY-Gene identifiziert, wovon 5 klinisch relevant sind. Mit Ausnahme der MODY-2-Krankheit, die auf Mutationen in einem Glukose-metabolisierenden Enzym zurückzuführen ist, was dazu führt, dass die Betazellen weniger empfindlich gegen Glukose werden und weniger Insulin sekretieren, sind bei den anderen Formen Transkriptionsfaktoren inaktiviert, die die Insulinsekretion oder die Pankreasentwicklung regulieren (15, 17, 18). Die Differenzierung der 5 MODY-Formen hat klinische Relevanz für die Beratung und die Betreuung der Patienten. Zum Beispiel haben Patienten mit einem MODY 2 weniger kardiovaskuläre Komplikationen, und Patienten mit MODY 1, 3 und 4 können mittels oraler Antidiabetika therapiert werden. Die orale Antidiabetikatherapie führt bei diesen MODY-Formen zu einer nahezu normalen Insulinsekretion mit einem «Inkretin»-Effekt, der zu fast normalen HbA1c-Konzentrationen führt. Mit der Zeit müssen jedoch einige der Patienten mit MODY 1, 3 und 4 mit Insulin behandelt werden (15, 19). Molekulare Analysen für Genmutationen in MODY 1 bis MODY 5 sind in der Schweiz für eine routinemässige klinische Anwendung zur Diagnosestellung, zum Patientenmanagement und zur genetischen Beratung verfügbar. Neue Gendefekte, die MODY verursachen, werden wahrscheinlich bald identifiziert werden. Insulingenmutationen: Bei Fehlen von Autoimmunmarkern, einer entsprechenden Familiengeschichte sowie bei milderen Diabetes-mellitus-Formen oder bei einer verlängerten «Honeymoon-Phase» bei einer jüngeren Person sollten die üblichen Risikofaktoren für den T2DM und für die sekundären Diabetesformen abgeklärt werden (siehe auch die Algorithmen in Abbildung 2 und 3 für weitere Details). Sobald die übliche Insulinresistenz ausgeschlossen ist, deuten unpassend hohe Insulinspiegel bei einem leichten bis mässigen Diabetes mellitus auf eine Insulinresistenz durch eine Mutation im Insulingen hin. Patienten mit Mutationen im Insulingen können ebenfalls eine autosomal-dominante Vererbung aufweisen. In diesem Fall kann das Plasmainsulin auf strukturelle Defekte über chromatografische Elutionsmuster oder gendiagnostisch analysiert werden.
Fettstoffwechselstörungen
Labordiagnostisch werden die angeborenen Fettstoffwechselstörungen häufig in fünf Gruppen unterteilt. Vier dieser Gruppen gehen mit Erhöhungen einzelner oder mehrerer Lipoproteinfraktionen einher, wie bei den Hypercholesterinämien, den Hypertriglyzeridämien und den kombinierten Hyperlipidämien. Bei zwei Gruppen von Fettstoffwechselstörungen fehlen
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hingegen einzelne oder mehrere Lipoproteinfraktionen, wie bei der HDL-Defizienz und den Hypobetalipoproteinämien. Im Folgenden werden die klinischen und labordiagnostischen Charakteristika der wichtigsten monogenen Fettstoffwechselstörungen dargestellt, wobei anzumerken ist, dass die klinischen Zeichen vor allem bei Kindern nicht immer vorhanden sein müssen (20). Diagnostische Strategie: Um die wichtigsten Fettstoffwechselstörungen zu diagnostizieren und eine Risikoabklärung für die Atheroskleroseneigung durchzuführen, sollte ein vollständiger Lipidstatus erhoben werden, der die Bestimmung von Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin und der Triglyzeride beinhaltet (Tabelle 5). Der Lipidstatus muss nicht nüchtern durchgeführt werden, ausser zur Diagnose und Verlaufsbeurteilung ausgeprägter Hypertriglyzeridämien (21). Familiäre Hypercholesterinämie: Die familiären Hypercholesterinämien (FH) sind klinisch durch ein erhöhtes Gesamtcholesterin und LDL-C, eine Xanthomatose der Sehnen und der Haut sowie eine früh einsetzende Koronarsklerose gekennzeichnet sowie genetisch durch einen meistens autosomal-kodominanten Erbgang. Unter den monogen vererbten Stoffwechselkrankheiten zählen diese mit einer Inzidenz von 1/200 bis 1/250 zu den häufigsten. Patienten mit einer heterozygoten FH haben meist Gesamtcholesterinwerte > 6,5 mmol/l und Triglyzeridwerte < 2,0 mmol/l, während Patienten mit einer homozygoten FH Gesamtcholesterinwerte > 13 mmol/l aufweisen. Die HDL-C-Konzentration ist oft erniedrigt. Unbehandelte heterozygote FH-Patienten haben ein 30- bis 50-prozentiges Risiko, einen frühen Herzinfarkt zu erleiden (22). Eine frühe Diagnose der Krankheit ist wichtig, um die Progression der Atherosklerose frühzeitig zu stoppen. Das Consensus Panel der European Atherosclerosis Society empfiehlt deshalb bei Kindern ab fünf Jahren, ein Lipoproteinprofil zu erstellen, wobei bei Verdacht auf eine homozygote Form schon früher untersucht werden soll. Ein LDL-C > 5,0 mmol/l oder ein LDL-C > 4,0 mmol/l mit einer Familienanamnese für frühzeitige KHK oder Hypercholesterinämie bei einem Elternteil stellen die phänotypische Diagnose einer FH. Dabei ist zu beachten, dass die Lipoproteinbestimmung nach einer dreimonatigen Diät wiederholt werden sollte. Adipositas- und lebensstilbedingte Hypercholesterinämien sprechen vor allem bei Kindern auf diese Intervention an und können so von einer FH unterschieden werden (22). Eine genetische Untersuchung zur Bestätigung der Diagnose wird von den meisten Fachgesellschaften unterstützt, da Patienten mit FH ein höheres KHKRisiko als Patienten mit polygenen Hypercholesterinämien aufweisen und ein familienbasiertes Screening auf genetischer Ebene die effektivste und zuverlässigste Methode darstellt, weitere Familienmitglieder mit FH zu identifizieren (22). Es stellt sich aber die Frage, ob ein selektives familienbasiertes Screening für die Erfassung der FH geeignet ist. Diese Strategie hat die Einschränkung, dass sie nur FH-Patienten in schon bekannten FH-Familien identifiziert. Verschiedene Studien haben aber
Abbildung 3: Diagnostischer Algorithmus bei Verdacht auf T2DM, adaptiert nach (16)
gezeigt, dass 30 bis 60 Prozent der FH-Patienten damit nicht identifiziert werden können (23). Deshalb wurde in den USA und Deutschland ein generelles Screening auf Hypercholesterinämie bei allen Kindern zwischen 5 und 11 Jahren vorgeschlagen und in Slowenien auch bereits eingeführt. Es stellt sich deshalb auch für die Schweiz die Frage, ob nicht ein generelles Screening auf Hypercholesterinämien zwischen dem 5. und 10. Lebensjahr mittels vollständigem Lipidstatus durchgeführt werden soll. Hypertriglyzeridämien: Die häufigste Form der Hypertriglyzeridämie ist polygen und wird beim metabolischen Syndrom in Kombination mit niedrigen HDL-CSpiegeln gefunden. Die seltenen angeborenen Hypertriglyzeridämien hingegen gehen mit einer Chylomikronämie einher, die von eruptiven Xanthomen, Lipaemia retinalis und wiederkehrender akuter Pankreatitis begleitet werden. Die Triglyzeridwerte erreichen dabei Plasmaspiegel weit über > 10 mmol/l und führen zu milchigem Plasma. In der Lipidelektrophorese erscheinen die Chylomikronen kräftig am Auftragspunkt (20). HDL-Defizienz: Erniedrigte HDL-C-Spiegel sind mit einem erhöhten Atheroskleroserisiko assoziiert und eine häufige Fettstoffwechselstörung. Auch hier sind die meisten Fälle polygener Natur und mit leicht erniedrigtem HDL-C. Die angeborenen Fettstoffwechselstörungen des HDL-Metabolismus hingegen werden rezessiv vererbt, und heterozygote Träger einer Mutation weisen meist HDL-C-Werte < 0,9 mmol/l auf, während Patienten mit einer vollständigen Defizienz kein messbares HDL-C im Plasma besitzen. Klinisch unterscheiden sich drei Krankheitsbilder mit Korneatrübungen (Apo-A1-Defizienz), Korneatrübungen und Nephropathie (LCAT-Defizienz), Neuropathie und Hepatospelomegalie (ABCA1-Defizienz) (24). Abeta- und Hypobetalipoproteinämien: Abeta- und Hypobetalipoproteinämien sind sehr seltene rezessiv oder kodominant vererbte Krankheiten und zeigen sich klinisch durch Fettmalabsorption, Diarrhö, hepatische Steatose, Hypovitaminose, Myopathien und verminderte Lipoproteine im Plasma (Tabelle 6). Dabei
Tabelle 5: Laboruntersuchungen bei Fettstoffwechselstörungen
Primäre Laboruntersuchungen • Gesamtcholesterin • LDL-Cholesterin • HDL-Cholesterin • Triglyzeride
Weitere Laboruntersuchungen • Lipoproteinelektrophorese • VLDL-Cholesterin/
Triglyzeridquotient • Lipoprotein a
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Tabelle 6: Messwerte und Verdachtsdiagnosen bei verschiedenen Fettstoffwechselstörungen
Lipoproteinfraktion LDL LDL LDL Triglyzeride HDL
Messwert < 0,3 mmol/l > 4 mmol/l >13 mmol/l > 10 mmol/l < 0,2 mmol/l
Verdacht auf Abetalipoproteinämie heterozygote familiäre Hypercholesterolämie homozygote familiäre Hypercholesterolämie Chylomikronämiesyndrom Hypoalphalipoproteinämie
(adaptiert nach [21])
ist im Lipoproteinprofil vor allem das LDL-C stark erniedrigt oder gar nicht messbar, doch auch die HDLC- und zum Teil die Triglyzeridspiegel sind stark erniedrigt (25). Kombinierte Hyperlipidämien: Die häufigste Form dieser Fettstoffwechselstörungen ist die kombinierte Form mit erhöhten Remnant-Lipoproteinen, die zu Triglyzeridwerten > 3,0 mmol/l und Cholesterinwerten > 5,0 mmol/l führen. Die meisten der kombinierten Hyperlipidämien sind polygenen Ursprungs, und nur ein kleiner Teil wird durch angeborene Fettstoffwechselstörungen verursacht, wie durch die homozygote Form des ApoE2-Genotyps (familiäre Disbetalipoproteinämie). Klinisch zeigt sich die rezessiv vererbte familiäre Disbetalipoproteinämie meist durch Triglyzeridwerte > 3,5 mmol/l und Cholesterinwerte > 7,0 mmol/l mit zum Teil tuberösen, Handlinien- und Sehnenxanthomen, Arcus lipoides und frühzeitiger Atherosklerose. Eine Lipoproteinelektrophorese zeigt in diesem Fall eine breite beta-Bande, und der VLDLCholesterin-/Triglyzeridquotient liegt > 0,69 (20).
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Martin Hersberger Abteilungsleiter Abt. Klinische Chemie und Biochemie Kinderspital Zürich – Eleonorenstiftung Steinwiesstrasse 75 8032 Zürich E-Mail: martin.hersberger@kispi.uzh.ch
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