Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Ein Chirurg Mitte des letzten Jahrhunderts: «Aegroto praesente risus non effugiat.» Ob das heute auch noch gilt? (Und ob’s die heutigen Kollegen überhaupt noch verstehen?)
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Der Zürcher Regierungsrat braucht, wie alle Kantone, immer mehr Geld. Schliesslich sind die Ansprüche fast aller, die Geld vom Staat erwarten können, nach oben unbegrenzt. Grundsätzlich hat ein Staatswesen auch kein Problem, zu Geld zu kommen. Es erhöht die Steuern oder – erfindet neue. Und da entwickelt der Staat gelegentlich ganz ungeahnte Fantasie, wie die Vergangenheit und auch ausländische Beispiele zeigen: Wir in der Schweiz haben eine nicht so recht verfassungskonforme Mediensteuer, andere Staaten (der Bundesrat beobachtet das sicher mit Interesse) haben oder hatten eine Bartsteuer (Russland, 1698), eine Dachsteuer (Österreich, 18. Jh.), eine Fahrradsteuer, eine Fenstersteuer, eine Jungfernsteuer für unverheiratete Frauen (Preussen, 18. Jh.), eine Katzensteuer, eine Leuchtmittelsteuer, eine Papiersteuer (England), eine Perückensteuer (Preussen), eine Salzsteuer, eine Spatzensteuer (kein Witz!), eine Glacesteuer, eine Spielkartensteuer, eine Teesteuer, eine Zuckersteuer (kommt bei uns vermutlich bald), eine Zündholzsteuer. Der bedürftige Zürcher Regierungsrat hat eine modernere Idee: Er will die Erträge von Spitälern progressiv besteuern, die diese aus der Behandlung von Zusatzversicherten erzielen. Das ist clever. Betroffen sind vor allem die Privatkliniken, die staatlichen Kliniken hingegen bleiben quasi unangetastet. Wie gesagt: Wenn’s ums Geld geht, werden sogar Beamte kreativ.
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«Die Jugend wäre eine schönere Zeit, wenn sie erst später im Leben käme.» (Charlie Chaplin)
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Der Unterschied zwischen vorgetäuschter und wirklicher Unordnung ist nur schwer zu erkennen. Und genau so soll es auch sein, denn das Vortäuschen von Chaos ist eine wirksame (Kriegs-)List und erfordert höchste Disziplin. Chinesische Kriegsstrategen wissen das schon lange. Das 27. der 36 Strategeme des chinesischen Generals Tan Daoji (er wirkte im 5. Jahrhundert) beziehungsweise von General Sunzi, der 1000 Jahre früher lebte, heisst: «Verrücktheit mimen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren.» Ob diese Strategie auch der Crew von Donald Trump bekannt ist – es ist sehr anzunehmen. Ob Trumps Berater auch so arbeiten – man weiss es nicht. Aber man unterschätze nie einen Gegner. Auch das wissen die Chinesen schon lange.
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Ein aktueller «Witz» (leider gar nicht witzig) aus Chirurgenkreisen: «Möchten Sie einen Arzt oder jemanden, der Deutsch spricht?»
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Die frivole Gisela: Was bin ich heute Morgen erschrocken! Ich wache auf und nichts tut mir weh! Nicht meine Mittelfussarthrose, nicht mein Hammerzeh, die Daumenarthrose nicht, der Rücken nicht und sogar Nacken und Schulter – keinen Mucks. Ich denke schon, ich bin tot. Aber nein. Bei Toten drückt doch die Blase nicht, oder? Eben. Nun, bis zum Frühstück haben sich dann die ersten befreundeten Schmerzen wieder zurückgemeldet. Ich lebe wohl doch noch.
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Das Ehepaar Litoris würde heute wohl auch eine andere Entscheidung treffen: Der gemeinsame Beschluss, ihren Sohn Mike zu nennen, war ver-
mutlich eine der unbedachtetsten oder unbedarftetsten Namensgebungen. Oder, Mike Litoris?
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Die EMA, die European Medicines Agency, hat ihren Sitz in London. Rund 1000 Mitarbeiter arbeiten dort am Canary Wharf. Leiter ist Herr Rasi aus Italien, Professor für Mikrobiologie. Seine Sorge: Was passiert nach dem Brexit beziehungsweise schon vorher? Denn der Sitz kann natürlich nicht in London bleiben (natürlich? nicht?), die meisten Mitarbeiter müssen umziehen, die 50 britischen Angestellten verlieren vermutlich ihren Job. Ausserdem: 4000 Experten und 36 000 Besuche jährlich, 350 Hotelübernachtungen täglich sind eine gewaltige logistische Herausforderung. Ob Lyon, Mailand, Leyden, Amsterdam, Kopenhagen, Wien und ein weiteres Dutzend Interessenten da so einfach einspringen könnten – höchst fraglich. Tja, so ist das eben in Europa. Eigentlich könnte man ja auch alles belassen, wie es ist – nichts Nichtpolitisches spräche dagegen –, und die Entscheide der EMA–EU/GB allerseits anerkennen. Könnte man. Wäre aber zu einfach. Und politisch nicht machbar. Das heisst machbar schon, aber nicht gewollt. Nun, vielleicht haben die Briten ja genau deswegen für den Brexit gestimmt, weil Europa nicht an vernünftigen, sondern an politisch ausgemauschelten Lösungen interessiert ist. Oder: Nicht immer folgt die Wirkung auf die Ursache, manchmal ist die Wirkung die Ursache.
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Und das meint Walti: Geniesse das Leben, es könnte dein letztes sein.
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 6 I 2017