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AKNE
Akne ist vielschichtig und langwierig
Von Anja Thielitz und Harald Gollnick
Akne ist mit einer Prävalenz von 80 bis 85 Prozent
bei Erwachsenen eine der häufigsten Erkrankungen
und stellt auch über die Pubertät hinaus ein weitver-
breitetes Hautproblem dar. Die psychologischen
Konsequenzen einer Akne können weitreichend sein,
da sie sich an den sichtbaren Körperteilen manifes-
tiert und in eine Lebensphase fällt, in der das Selbst-
wertgefühl noch leicht angreifbar ist.
15 bis 30 Prozent der Betroffenen benötigen aufgrund des Schweregrads, eines protrahierten Verlaufs oder einer erheblichen psychischen Beeinträchtigung eine fachärztliche Behandlung. Die anderen 70 Prozent sind physiologische Aknefälle, die mit wenigen Komedonen (Mitessern) und einigen entzündlichen Effloreszenzen einhergehen und in der Regel mit milden topischen Präparaten wie zum Beispiel Benzoylperoxid (BPO), Salicylsäurelösungen, OTC-Produkten wie Reinigungsgels und milden Peelings behandelbar sind.
Komplexes Krankheitsbild
störte Verhornung im Follikelausgang, eine bakterielle Hyperkolonisation mit Propionibacterium acnes (P. acnes) sowie Entzündungsreaktionen als Ausdruck der Immunantwort bei. Genetische Faktoren wie beispielsweise eine veränderte Androgenrezeptorsensitivität prädisponieren für die Entwicklung einer Akne, die dann in ihrem individuellen Verlauf durch exogene Faktoren wie Stress moduliert werden kann. Auch die Ernährung scheint nach neuesten Erkenntnissen eine grössere Rolle zu spielen als bisher angenommen. So zeigen aktuelle Studien, dass man über eine Ernährung mit einem niedrigen glykämischen Index (kohlenhydratarm, eiweissreich, wenig gesättigte Fettsäuren) die Ausprägung einer Akne auch beim normalen Aknepatienten ohne endokrinologische Auffälligkeiten signifikant bessern kann. Möglicherweise führt ein hoher glykämischer Index zu Insulinspitzen im Blut, die dann über eine Ausschüttung talgdrüsenstimulierender, insulinähnlicher Wachstumsfaktoren eine Akne verschlechtern können. Die Einteilung der Akne in verschiedene Schweregrade erfolgt anhand der Zahl der unterschiedlichen Akneeffloreszenzen. Dabei unterscheidet man nicht entzündliche Formen mit zahlreichen Komedonen und entzündliche Formen (Acne papulopustulosa). Zusammen werden sie als Acne vulgaris bezeichnet, von der wiederum die schwersten vernarbenden, mit tiefen Knoten und Stammbeteiligung einhergehenden Formen abzugrenzen sind.
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Akne tritt als Erkrankung der Talgdrüsenfollikeleinheit vorwiegend in talgdrüsenreichen Regionen wie
Schweregrad bestimmt Behandlung
Gesicht, Brust und Rücken auf. Zur Entstehung die- Die Therapie der Akne erfolgt je nach Schweregrad
ses komplexen Krankheitsbilds tragen als wesent- lokal oder systemisch und ist darauf ausgerichtet,
liche Faktoren eine Talgdrüsenvergrösserung mit mehrere pathogenetische Faktoren parallel zu be-
20 verstärkter Talgproduktion, eine verstärkte und ge- einflussen. Eine suffiziente Therapie der Akne erfor-
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dert daher meist eine Kombination von mehreren Substanzen mit additivem oder synergistischem Wirkmechanismus, was die Patientencompliance erschwert. Die Neuentwicklungen in der Aknetherapie der letzten Jahre zielten darauf ab, altbewährte Substanzen mit komplementärem Wirkmechanismus in einer fixen Kombination zu verbinden, um gleichzeitig die Therapieeffektivität und die Anwenderfreundlichkeit zu erhöhen, ohne Abstriche in der Verträglichkeit in Kauf nehmen zu müssen.
Topische Therapie oft mit Retinoiden
Eine wenig entzündliche Komedonenakne behandelt man in der Regel mit topischen Retinoiden (Adapalen, Tretinoin, Isotretinoin, Retinaldehyd). Als Alternativen können auch Salicylsäure oder, bei milden Formen, Azelainsäure zum Einsatz kommen. Leichte bis mittelgradige Formen der Acne papulopustulosa werden idealerweise mit topischen Retinoiden behandelt, kombiniert mit antimikrobiellen Substanzen wie BPO oder topischen Antibiotika. Topische Retinoide wirken dabei nicht nur komedolytisch, sondern verschlechtern über eine kontinuierliche Follikelhygiene die Wachstumsbedingungen des fakultativ anaeroben P. acnes, verbessern die Penetration anderer Substanzen und haben auch direkt antiinflammatorische und immunmodulatorische Effekte. Adapalen als Retinoid der dritten Generation weist im Vergleich zu anderen Retinoiden ein geringes Irritationspotenzial auf. In zahlreichen Studien konnte inzwischen belegt werden, dass durch Kombination mit topischen Retinoiden eine signifikant bessere und schnellere Reduktion sämtlicher Akneeffloreszenzen erreicht wird. Zusätzlich wird über eine Verminderung der Mikrokomedonen (mikroskopisch sichtbare Vorläufereffloreszenzen der Akne) auch der Neubildung sämtlicher Akneeffloreszenzen präventiv entgegengewirkt. Eine neue fixe Kombinationstherapie aus Adapalen 0,1 Prozent und BPO 2,5 Prozent ist bei vergleichbar guter Verträglichkeit bereits nach einer Woche bei der Reduktion sämtlicher Effloreszenzen deutlich effektiver als die entsprechenden Monotherapeutika. Die Kombination erwies sich auch in einer zwölfmonatigen Langzeitstudie als gut verträglich und sicher.
Antibiotika nur in Kombination
Topische Antibiotika (Erythromycin, Clindamycin, Nadifloxacin) sind als Monotherapeutika wegen der
Gefahr einer bakteriellen Resistenzentwicklung für eine längerfristige Therapie ungeeignet. Sie sollten daher mit Substanzen wie BPO oder Zink, die diese Gefahr vermindern, eingesetzt werden. BPO gilt aufgrund fehlender Resistenzentwicklung als Goldstandard in der antimikrobiellen Therapie; lokale Reizungen wie Juckreiz, Schuppung, Spannungsgefühl sind dosisabhängig und können durch eine Kurzkontakttherapie (Waschlösung) vermindert werden. Nachteilig sind Bleicheffekte bei Kleidungskontakt, über die man die Patienten vorher aufklären sollte. Zur lokalen Behandlung der leichten bis mittelschweren Akne steht unter anderem ein Kombinationspräparat aus 1 Prozent Clindamycin und 5 Prozent BPO zur Verfügung. Es wirkt antimikrobiell, antiinflammatorisch und leicht komedolytisch. Bei guter Verträglichkeit tritt die Wirkung rasch ein, eine deutliche klinische Besserung zeigt sich vielfach bereits nach zwei Wochen. Auch Azelainsäure als Monopräparat wirkt leicht komedolytisch sowie antibakteriell und ist als 20prozentige Creme oder als 15-prozentiges Gel erhältlich. Da Azelainsäure die Melaninproduktion der Melanozyten hemmt, kann es auch zur Verminderung postinflammatorischer Hyperpigmentierungen eingesetzt werden. Eine bakterielle Resistenzentwicklung wurde bisher nicht beobachtet.
Schwere Akne systemisch behandeln
Die systemische Aknetherapie ist gerechtfertigt bei mittelschweren bis schweren Akneformen, bei familiärer Belastung hinsichtlich einer vernarbenden Akne, bei einer unter adäquater Lokaltherapie nicht kontrollierbaren Akne oder bei einer starken psychoreaktiven Beeinträchtigung. Systemische Antibiotika sind bei mittleren bis schweren Akneformen mit deutlicher inflammatorischer Komponente indiziert. Sie sollten jedoch zur Vermeidung einer Resistenzentwicklung nie als Monotherapie eingesetzt werden. Durch Kombination mit topischen Retinoiden und/oder BPO erreicht man auch hier eine signifikant bessere und schnellere Reduktion sämtlicher Akneeffloreszenzen. Therapeutika der Wahl sind Tetrazykline insbesondere der zweiten Generation (Minocyclin, Doxycyclin). Ihr Vorteil: schnellerer Wirkeintritt und ausreichende Absorption bei Einnahme zu den Mahlzeiten. Alternativ können bei Unverträglichkeit oder Kontraindikationen gegenüber Tetrazyklinen Clindamycin oder Makrolide verabreicht werden. Insbesondere beim Erythromycin als Prototyp ist dabei die zunehmende Resistenzentwicklung von P. acnes zu berücksichtigen.
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Tetrazykline als Mittel der Wahl
Da die paraantiobiotischen Effekte der Tetrazykline für den Therapieeffekt mindestens ebenso wichtig sind wie die antimikrobielle Wirkung, sollte der Effekt einer peroralen Antibiotikatherapie erst nach zirka sechs bis acht Wochen bewertet werden. Die empfohlene Therapiedauer beträgt drei Monate; die Kombination mit BPO kann zur Verhinderung bakterieller Resistenzen generell empfohlen werden. Zu den häufigen Nebenwirkungen zählen gastrointestinale Symptome sowie eine erhöhte UV-Photosensitivität, insbesondere bei Tetracyclin und Doxycyclin, die entsprechende Schutzmassnahmen erfordert. Kontraindiziert sind Tetrazykline in der Schwangerschaft und bei Kindern (unter 8 bis 10 Jahren). Gründe sind die Gelbfärbung der Zähne und ein verzögertes Knochenwachstum.
Antiandrogene Therapie
Eine hormonelle antiandrogene Therapie ist angezeigt, wenn Frauen nicht ausreichend auf eine konventionelle Therapie ansprechen und/oder der Wunsch nach oraler Kontrazeption besteht, beziehungsweise im Rahmen einer systemischen Isotretinoinbehandlung notwendig wird. Sie eignet sich besonders beim Vorliegen weiterer Androgenisierungszeichen wie beispielsweise starker Seborrhö, androgenetischer Alopezie oder Hirsutismus. Frauen jenseits der Pubertät mit einer entzündlichpapulös bis knotigen Akne typischerweise der unteren Gesichtshälfte (sogenannte Acne tarda = Spättypakne) sprechen häufig gut auf eine hormonelle Therapie an.
Europäischen Direktive (EMEA) zur Verschreibung von systemischem Isotretinoin bei Acne vulgaris, aufgrund seiner Teratogenität nur noch bei schweren Formen der Akne indiziert, die sich gegenüber adäquaten Standardtherapien mit systemischen Antibiotika und topischer Therapie als resistent erwiesen haben (Second-Line-Therapeutikum). Die Verordnung von Isotretinoin muss entsprechend den Richtlinien des Schwangerschaftsverhütungsprogramms erfolgen.
Erhaltungstherapie
Akne zeigt einen oft jahrelangen individuellen Ver-
lauf und ist prinzipiell rückfällig. Aus diesem Grund
ist nach der anfänglichen Kombinationstherapie
eine Erhaltungstherapie anzustreben, um Rückfälle
zu vermeiden oder zu verzögern. Retinoide eignen
sich zur Erhaltungstherapie, da sie die Neubildung
von Mikrokomedonen verhindern und keine bakte-
riellen Resistenzen erzeugen.
Mehrere kontrollierte Studien zeigen, dass ein topi-
sches Retinoid (z.B. Adapalen) in der Lage ist, den
Therapieerfolg nach einer topischen oder systemi-
schen Kombinationstherapie zu stabilisieren und
den Wiederanstieg der Mikrokomedonen zu verhin-
dern.
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Korrespondenzadresse: Dr. med. Anja Thielitz Klinik für Dermatologie Otto-von-Guericke-Universität Leipziger Strasse 44 D-39120 Magdeburg E-Mail: Anja.Thielitz@med.ovgu.de
Isotretinoin: effektiv, aber teratogen
Perorales Isotretinoin, als wirksamstes systemisches Aknetherapeutikum, beeinflusst alle pathogenetischen Hauptfaktoren und ist, entsprechend der
Interessenkonflikte: keine deklariert
Diese Arbeit erschien zuerst in «Pharmazeutische Zeitung» 31/2009. Die Übernahme erfolgte mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autoren.
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