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Chirurgie
Weniger Wundinfektionen an Schweizer Spitälern
Die neuste Auswertung der Spitaldaten dokumentiert rückläufige Infektionsraten nach chirurgischen Eingriffen. Erfasst wurden Wundinfektionen, die innert 30 Tagen nach einer Operation auftraten, wurde ein Implantat eingesetzt, betrug der Beobachtungszeitraum ein Jahr. Als Wundinfektion galten Infektionen am Einschnitt oder in Organen und Körperhöhlen, die bei der Operation geöffnet oder manipuliert wurden.
Es wurden jeweils die Eingriffe innert eines Jahres berücksichtigt: für die Operationen ohne Implantate von 2014 bis 2015, für diejenigen mit Implantaten von 2013 bis 2014. Insgesamt wurden um 54 905 Operationen ausgewertet, die von 159 Schweizer Spitälern gemeldet worden waren. Die Spitäler sind verpflichtet, aus einem Katalog bestimm-
ter Indexoperationen mindestens drei auszuwählen und diese an Swissnoso zu melden. Swissnoso überwacht im Auftrag des Nationalen Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken (ANQ) die Entwicklung von Wundinfektionen nach chirurgischen Eingriffen. Im Verein Swissnoso sind Infektiologen in Kaderposition an Universitätsspitälern, aus kantonalen Spitalverbänden und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) vertreten. Im Vergleich mit früheren Auswertungen zeigten sich bei einigen Eingriffen in verschiedenen Infektionstiefen statistisch signikante Unterschiede. Es gab weniger Organ- und Hohlrauminfektionen nach Herzchirurgie (1,3 vs. 1,9%), weniger oberflächliche Infektionen nach elektiver Hüftgelenkimplantation (0,3 vs. 0,5%) sowie weniger Infektionen in allen Tiefen bei der elektiven Kniegelenkimplantation (0,8 vs. 1,1%). Bei Eingriffen am Darm waren zwar weniger oberflächliche Infektionen nach Kolonchirurgie zu verzeichnen (4,3 vs. 5,8%), die Organ- und Hohlrauminfektionen traten hier jedoch häufiger als früher auf (8,1 vs. 7,1%). Im Allgemeinen war die Infektionsrate bei der Darmchirurgie am höchsten. Sie
betrug 14,1 Prozent bei der Kolon- und
13,7 Prozent bei der Rektumchirurgie.
Danach folgten mit weitem Abstand
Wirbelsäuleneingriffe mit Implantat
(5,1%), Magenbypass (4,4%), Herzchir-
urgie (4,5%), Appendektomie (3,8%),
Hysterektomie (2,6%), Cholezystekto-
mie (2,1%) und Kaiserschnitt (1,4%). Bei
der Wirbelsäulenchirurgie ohne Im-
plantat (1,4%) war die Infektionsrate
niedrig, ebenso bei der elektiven Opera-
tion zum Einsatz eines neuen Hüft-
(1,3%) oder Kniegelenks (0,8%). Die
niedrigste Wundinfektionsrate zeigte
sich in diesem Vergleich bei Leistenher-
nienoperationen (0,6%).
Die Autoren von Swissnoso weisen aus-
drücklich darauf hin, dass die Infekti-
onsraten auf den ersten Blick im inter-
nationalen Vergleich hoch erscheinen
könnten. Ein solcher Vergleich sei je-
doch nur bedingt möglich, weil von Land
zu Land erhebliche Unterschiede in der
Erfassungsmethodik bestünden. Kein
anderes Land überwache die Entste-
hung von Wundinfektionen nach Spital-
austritt so sorgfältig wie die Schweiz,
heisst es in einer Pressemitteilung von
Swissnoso und ANQ.
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www.anq.ch/messergebnisse/ergebnisse-akutsomatik
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Diabetes
Höheres Amputationsrisiko wegen SGLT2-Hemmer?
Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) bei der Europäischen ArzneimittelAgentur (EMA) warnt vor einem möglicherweise erhöhten Risiko für Zehenamputation bei Diabetikern mit SGLT2Therapie (1). Grund für die Warnung sind Befunde aus den beiden noch laufenden Canagliflozin-Studien CANVAS und CANVAS-R. Eine Zwischenauswertung der Studie CANVAS nach 4,5 Jahren ergab, dass mit Canagliflozin bei 7 von 1000 Patienten (100 mg) beziehungsweise bei 5 von 1000 Patienten (300 mg) eine Amputa-
tion unterer Extremitäten vorgenommen wurde, während dies mit Plazebo bei 3 von 1000 Patienten der Fall war. Auch in der Studie CANVAS-R war ein ähnlicher, statistisch jedoch nicht signifikanter Trend zu erkennen. In 12 weiteren, bereits abgeschlossenen Studien mit Canagliflozin und Studien mit anderen SGLT2-Hemmern hatte man nichts dergleichen gesehen (2). Ein plausibler Mechanismus, der das erhöhte Amputationsrisiko erklären könnte, ist nicht bekannt. In den beiden genannten Studien geht es um Patienten mit einem erhöhten kardialen Ri-
siko. Man weiss, dass insbesondere Diabetiker mit schlecht eingestellten Blutzuckerwerten und erhöhten angiologischen und kardialen Risiken auch ein erhöhtes Risiko für Infektionen und Fussulzera haben. Der PRAC empfiehlt nun einen Warnhinweis für alle SGLT2-Hemmer, in dem auch die Bedeutung der regelmässigen Fusspflege betont werden soll. RBOO
1. EMA-Pressemitteilung vom 10. Februar 2017: PRAC concludes that diabetes medicine canagliflozin may contribute to risk of toe amputation.
2. EMA: Amputation warning with SGLT2 inhibitors must be on label. Medscape; Feb 10, 2017.
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Neurologie
Rückschlag für Alzheimer-Forschung
Rückspiegel
Eine der beiden klinischen Studie mit dem neuen Antikörper Verubecestat gegen Alzheimer-Demenz wurde vorzeitig abgebrochen. Ursprünglich sollte sie bis 2019 laufen, doch bereits jetzt sei klar, dass der gewünschte therapeutische Effekt nicht eintreten werde, heisst es in einer Pressemitteilung des Herstellers MSD (1). Abgebrochen wird die Studie EPOCH mit Alzheimer-Patienten in einem frühen bis mittleren Erkrankungsstadium.
Weiterlaufen soll noch die Studie
APECS mit Patienten, die Vorzei-
chen einer drohenden Demenz auf-
weisen. Hier rechnet man in etwa
vier Jahren mit ersten Ergebnissen.
Man hatte grosse Hoffnungen in
das neue Molekül gesetzt. Im Tier-
versuch konnte der Antikörper die
Entstehung der pathologischen
Beta-Amyloide von vornherein
durch Blockade des Enzyms BACE1
verhindern und wird darum als
BACE-Hemmer bezeichnet. Ein
weiterer BACE-Hemmer (AZD3293
von AstraZeneca/Eli Lilly) wird in der
AMARANTH-Studie getestet, in die zurzeit
Patienten in den USA und Kanada aufgenom-
men werden (2).
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1. Pressemitteilung vom 14. Februar 2017: Merck announces EPOCH study of Verubecestat for the treatment of People with mild to moderate Alzheimer’s disease to stop for lack of efficacy.
2. www.nia.nih.gov/alzheimers/clinical-trials/azd3293-earlyalzheimers-disease-amaranth
Neurologie
Schützen Vitamin-E-Supplemente vor Demenz?
Vitamin E gilt mit seinem antioxidativen Potenzial als «Falle» für toxische freie Radikale, die in den Zellen des Organismus mannigfaltige Schäden anrichten können. Da freie Radikale auch bei der Entwicklung kognitiver Einschränkungen, die unter dem Begriff «mild cognitive impairement» (MCI) subsumiert werden, oder auch für die Alzheimer-Demenz (AD) eine Rolle spielen sollen, liegt es nahe, Vitamin E als Demenzprävention oder -therapie zu versuchen. Die Datenlage ist allerdings nach wie vor sehr dünn. Dies mussten die Cochrane-Autoren feststellen, als sie die vor 17 Jahren erstmals publizierte Analyse zum Nutzen von Vitamin-E-Supplementen zur Demenzprävention zum dritten Mal aktualisierten. Ihre umfangreiche Literaturrecherche lieferte am Ende nur zwei Studien, die den CochraneAutoren gut genug waren: eine bei MCI (n = 516) und eine bei AD (n = 304). Die Dosis betrug jeweils zweimal täglich 1000 IE Alpha-Tocopherol
(Kapseln); beide Studien waren plazebokontrolliert. Geschadet hat die Vitamin-E-Supplementation nicht. Die Autoren fanden aber weder Beweise dafür, dass Vitamin E die Progredienz von MCI zu AD verhindern noch dass das Vitamin die kognitive Leistung von MCI- oder AD-Patienten verbessern könnte. Vitamin-E-Supplemente schützen also wahrscheinlich nicht vor Demenz. Allerdings hatte sich in der AD-Studie gezeigt, dass die Patienten mit Vitamin E etwas besser im Alltag zurechtkamen, weil sich ihr demenzieller Zustand langsamer verschlechterte als unter Plazebo. Insofern habe sich die Konklusion gegenüber früheren Cochrane-Analysen leicht verändert, so die Autoren. Es gebe aber immer noch zu wenige Studien mit zu wenig Patienten. RBOO
Farina N et al.: Vitamin E for Alzheimer’s dementia and mild cognitive impairment. Cochrane Database Syst Rev 2017; 1:CD002854.
Vor 10 Jahren
Biostents
Kardiologen machen erste klinische Erfahrungen mit Stents aus einem Milchsäurepolymer. Wie übliche Drug-elutingStents (DES) sind sie mit Everolimus beschichtet. Der Vorteil scheint auf der Hand zu liegen: Diese Stents lösen sich im Lauf der Zeit wieder auf, sodass in den Koronargefässen keine Metallgitter zurückbleiben. Heute weiss man, dass die Biostents, zumindest in den bislang überschaubaren Zeiträumen, nicht besser sind als DES. Die Stenoserate im ersten Monat ist höher als bei DES (1,3 vs. 0,5%), beim langfristigen Restenoserisiko gibt es aber offenbar keine Unterschiede.
Vor 50 Jahren
Indometacin
Indometacin kommt als neues Medikament gegen Schmerzen, Fieber und Entzündungen auf den Markt. Heutzutage wird das NSAR noch immer verwendet, mittlerweile auch als Retardpräparat sowie in Tropfenform oder als Lösung zum Auftragen auf schmerzende Gelenke.
Vor 100 Jahren
Opiumumschläge
Bei Unterschenkelgeschwüren helfen
heisse Opiumumschläge, drei- bis viermal
täglich für je zwei Stunden. Damit hören
die Schmerzen sofort auf, und die Ge-
schwüre heilen – je nach Schwere – in
zwei bis fünf Wochen, so Dr. E. Knotte
in der «Feldbeilage» der Medizinischen
Wochenschrift 1917.
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