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Serie: Good Distribution Praxis
Arzneimittelvertrieb: Neue Regeln für mehr Sicherheit
Die Leitlinien für gute Vertriebspraxis von Arzneimitteln (Good Distribution Praxis, GDP) wurden in der EU überarbeitet und von der Schweiz übernommen. Ziel dieser umfassenden Revision ist die deutliche Erhöhung der Qualitätsanforderungen an den Arzneimittelvertrieb. Dahinter steht die Steigerung der Patientensicherheit. Einhaltung und Kontrolle der neuen Leitlinien verursachen recht hohe Investitionen und laufende Kosten.
HANS WIRZ
Jürg H. Schnetzer, Direktor der Swissmedic
Auch wenn es im ersten Moment nicht so aussehen mag, hat die Umsetzung der überarbeiteten GDP-Leitlinien beachtliche Auswirkungen auf alle, die in den Arzneimittelvertrieb eingebunden sind. Das Ziel der angepassten Leitlinien ist die Sicherstellung einer guten Distributionspraxis, also die Erhöhung der Sicherheit und Qualität zugunsten der Patienten (Details dazu im Kasten). Der grossen Bedeutung des GDP-konformen Lagerns und Verteilens von Arzneimitteln entsprechend werden wir in mehreren Folgebeiträgen die Zielsetzungen, Anforderungen und Auswirkungen der revidierten GDP-Leitlinien auf die verschiedenen Leistungserbringer darstellen. Was bedeuten sie im Detail? Wer zahlt wie viel für die zusätzlichen Kosten? Haben die ausgeweiteten Leitlinien auch negative Folgen? Für den Anfang unserer Informationsreihe betrachten wir das Thema
aus Sicht des obersten Kontrollorgans: Jürg H. Schnetzer, Direktor der Swissmedic, hat sich unseren grundsätzlichen Fragen gestellt.
Welches sind die Ziele der überarbeiteten GDP-Leitlinien? Jürg H. Schnetzer: Die bisher gültigen Leitlinien wurden in einer Zeit verfasst, in der die Vertriebskette von Arzneimitteln anders als heute gestaltet war. Sie ist mittlerweile viel komplexer geworden und umfasst heute zahlreiche Akteure. Eine Anpassung der Leitlinien war daher international notwendig. Wie es in der Einführung der Leitlinien treffend beschrieben wird: «Die Leitlinien enthalten geeignete Instrumente, die die Grosshändler bei ihrer Tätigkeit unterstützen und verhindern sollen, dass gefälschte Arzneimittel in die legale Lieferkette gelangen. Durch die Einhaltung dieser Leitlinien wird eine Kon-
trolle der Vertriebskette sichergestellt und somit die Qualität und Unversehrtheit von Arzneimitteln aufrechterhalten.» Was natürlich im Interesse der Abgabestelle und der Patientinnen und Patienten ist.
Welches sind die hauptsächlichen Änderungen? Das Anliegen ist grundsätzlich dasselbe geblieben, wie es in Art. 1, 2 und 3 des Heilmittelgesetzes steht. In den überarbeiteten Leitlinien werden die Anforderungen aber präziser und detaillierter beschrieben. Die meisten Themen waren allerdings schon in den früheren Leitlinien adressiert. Die wichtigsten Änderungen/Präzisierungen sind konkret folgende: O Ausgelagerte Tätigkeiten: Zwischen
dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer muss ein schriftlicher Vertrag geschlossen werden, in dem die
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Das Wichtigste zu den GDP-Leitlinien in Kürze
Angesprochen von den revidierten Leitlinien sind vor allem die entsprechenden Fachleute – hauptsächlich die Industrie und die Pharmagrossisten. Aber auch für alle anderen Leistungserbringer ist das Thema mehr als nur interessant. O Die GDP-Leitlinien sind eine ausführliche und präzise
Sammlung von verbindlichen Vorschriften, die von der EU aufgestellt und deren Umsetzung durch die verantwortlichen Stellen in den jeweiligen Ländern kontrolliert werden. In der Schweiz ist das die Swissmedic. O Sinn und Zweck der GDP-Leitlinien ist die Sicherstellung einer «guten Distributionspraxis» von Humanarzneimitteln. O Die überarbeiteten Leitlinien gelten für alle, die Arzneimittel – auf welcher Stufe auch immer – lagern, vertreiben und verteilen. O Das Ziel der überarbeiteten Leitlinien ist das konstante Hochhalten der Qualität von Arzneimitteln von der Lagerung bis zum Patienten. O Der Patient soll sich also auf eine fehlerlose Lagerung und Verteilung von Arzneimitteln verlassen können. Damit ihre Wirksamkeit und Sicherheit erhalten bleiben. Auch beispielsweise die von gekühlten Arzneimitteln. O Die Hersteller von Arzneimitteln müssen sich ebenfalls darauf stützen können, dass alle im Lagerungs- und Verteilprozess involvierten Verantwortlichen die Arzneimittelsicherheit bis hin zu den Patienten garantieren können. O Es geht also um die konstant sachgerechte Lagerung und Verteilung. Um eine tadellos funktionierende Kette ab Hersteller. O Gestützt werden die Leitlinien auf Artikel 3 des Heilmittelgesetzes: «Wer mit Heilmitteln umgeht, muss dabei alle Massnahmen treffen, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlich sind, damit die Gesundheit von Mensch und Tier nicht gefährdet wird.»
Pflichten jeder Partei klar festgelegt sind. Der Auftraggeber ist für die ausgelagerte Tätigkeit verantwort-
«Uns ist sehr daran gelegen, dass die überarbeiteten GDP-Leitlinien ordnungsgemäss umgesetzt werden.»
lich. Der Auftraggeber muss den Auftragnehmer auditieren, also auf der Basis von Qualitätsstandards prüfen, bewerten und zertifizieren.
O Lagerung und Transport: Der Transport fällt klar in die Verantwortung des Grossisten. Temperatur: Die erforderlichen Lagerbedingungen für Arzneimittel sollten während des Transportweges innerhalb der vom Hersteller oder auf der äusseren Umhüllung angegebenen Grenzen gehalten werden.
O Qualifizierung der Zulieferer/Qualifizierung der Kunden: Jeder Grosshändler muss mittels Qualifizierung von Zulieferern und Kunden sicherstellen, dass die Arzneimittel nur von dazu berechtigen Personen geliefert wurden und nur an dazu berechtigte Personen geliefert werden.
O Beschwerde/Retouren: Beschwerden müssen aufgezeichnet und untersucht werden, und es müssen gegebenenfalls Massnahmen getroffen werden. Die Bedingungen für den Wiederverkauf von retournierten Waren sind sehr detailliert beschrieben.
Seit wann sind die überarbeiteten Leitlinien in Kraft, und wie weit sind die jeweils Verantwortlichen in der Umsetzung? Die überarbeiteten Leitlinien sind durch die Anpassung des Anhangs 2 der Arzneimittel-Bewilligungsverordnung am 1. Juli 2015 in Kraft getreten. Eine Umsetzungsfrist von 6 Monaten wurde eingeräumt. Entsprechend werden die überarbeiteten Leitlinien seit 1. Januar 2016 als Basis für die GDP-Inspektionen in der Schweiz verwendet. Die praktische Umsetzung verläuft ohne nennenswerte Schwierigkeiten. Die im Jahre 2016 schon erfolgten GDPInspektionen weisen keine kritische und/ oder systematische Non-Compliance auf.
Das sehen Sie so aus ihrer Optik. Für wen gelten die Vorschriften? Die überarbeiteten Leitlinien gelten für alle Händler, welche Arzneimittel in die Schweiz importieren, aus der Schweiz exportieren und/oder in der Schweiz vertreiben. Für Veterinärarzneimittel und Wirkstoffe sind zwei «Technical Interpretations» von Swissmedic verfasst worden, um die sinngemässe Anwendung der überarbeiteten Leitlinien zu präzisieren.
Wie sieht es bezüglich der Umsetzung aus? Natürlich haben Marktteilnehmer, die bereits vor Inkrafttreten der überarbeiteten Leitlinien aus eigener Initiative die veränderten Verhältnisse erkannt und entsprechend reagiert haben, weniger Umstellungsaufwand als jene, die ihre Prozesse jetzt allenfalls anpassen müssen. Diese Lösungsanbieter sind inzwischen auch aktiv geworden.
Inwiefern betreffen die überarbeiteten Leitlinien die Bevölkerung? Die überarbeiteten Leitlinien verbessern die Kontrolle der Versorgungskette und tragen zur Sicherstellung der Qualität und Unversehrtheit von Arzneimitteln von der Herstellung bis zur Verwendung bei; das ist für alle einsichtig. Das gilt natürlich auch für die Bekämpfung der Fälschung von Medikamenten; das «Einspeisen» von Fälschungen in den Heilmittelmarkt wird erheblich schwieriger. Es geht also darum, das Vertrauen der Bevölkerung in Heilmittel zu rechtfertigen. Im Lebensmittelbereich sind die Konsumentinnen und Konsumenten schon längst auf diesem Standard versorgt.
Herr Dr. Schnetzer, wir danken Ihnen bestens für das Interview.
Stand der Dinge
So weit die offiziellen Ausführungen von Direktor Jürg Schnetzer – alles scheint nach seinen Ausführungen gut geregelt und problemlos zu sein. In der Praxis liegt die Krux allerdings im Detail. Im Fall GDP ganz speziell, weil es eine sehr grosse Zahl von interprofessionellen Schnittstellen gibt. Noch gibt es offene Fragen bei etlichen Leistungserbringern, auf die wir in mehreren Folgebeiträgen eingehen werden. O
Wir danken dem Verlag Sanatrend (OTXWORLD) für die freundliche Überlassung des Texts.
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