Transkript
EADV
Late Breaker beim EADV-Kongress 2016
Rhabarber gegen Blasen – Creme gegen Schwitzen – neues Target IL-23
Die Sitzung «Late breaking news» zog auch 2016 beim EADV-Kongress die meisten Besucher in ihren Bann. Hier wurden neue Studien aus den verschiedensten Bereichen der Dermatologie vorgestellt; nachfolgend eine kleine Auswahl der präsentierten Neuigkeiten.
Rhabarberextrakt reduziert Blasenbildung
Die Epidermolysis bullosa simplex (EBS) ist eine seltene erbliche Hauterkrankung, bei der Betroffene aufgrund von Mutationen des Keratin-5- oder Keratin-14-Gens pathologisch veränderte Keratinozyten aufweisen, die ein abnormes und nicht belastbares Keratin bilden. «Klinisch leiden die Patienten an unterschiedlich stark ausgebildeter Blasenbildung der Haut, selbst bei nur geringen Traumen. Durch Schmerzen und Juckreiz wird ihre Lebensqualität empfindlich beeinträchtigt», erklärte Prof. Johann Bauer aus Salzburg (A), Leiter einer Phase-II-Studie, in der die Wirksamkeit und die Sicherheit von 1-prozentigem Diacerein zur topischen Anwendung an 17 Patienten mit schwerer EBS im Vergleich zu Plazebo untersucht wurden (1). Diacerein ist ein Extrakt aus Rhabarberwurzel, der das Zytokin IL-1β blockiert, dem eine wesentliche Rolle bei EBS zugesprochen wird. Alle Teilnehmer wiesen K15- oder K4-Genmutationen auf und benutzten die Creme 1 Monat lang 1-mal täglich, danach folgte eine 3 Monate währende Nachbeobachtungsphase in den 2 darauffolgenden Jahren mit einem Cross-over der Gruppen im 2. Jahr. 60 Prozent der Patienten in der Diacereingruppe erreichten durch die Behandlung eine Reduktion der Anzahl an Blasen um mindestens 40 Prozent (primärer Studienendpunkt) im Vergleich zu 15 Prozent bei Plazebo. Zudem zeigte sich der Vorteil der Behandlung noch während der gesamten Nachbeobachtungsphase von 12 Wochen. «Wir sind jetzt sicher, dass EBS-Patienten von dieser Behandlung profitieren. Besonders interessant ist, dass die Effekte auch noch nach Ende der Applikation anhalten», so das Fazit von Bauer.
Topisches Anticholinergikum verhindert übermässige Schweissbildung
«Eine starke Hyperhidrosis wirkt sich mindestens so ungünstig auf die Lebensqualität der Betroffenen aus wie eine Psoriasis oder Ekzeme», so die Ansicht von Prof. David Pariser aus Norfolk (Virginia/USA). Zudem gibt es zurzeit nur wenige Therapieoptionen. In den Studien ATMOS-1 und ATMOS-2 wurde der Einfluss von DRMO4, einem Anticholinergikum, das für die topische Therapie der primär axillär auftretenden Hyperhidrose entwickelt wurde, auf die axilläre Schweissproduktion untersucht (2). Alle Probanden litten seit mindestens 6 Monaten an einer
vermehrten Schweissproduktion von ≥50 mg/5 min in jeder Axille. Die Wirksamkeit wurde anhand des Einflusses auf die Schweissproduktion gemäss Axillary Sweating Daily Diary (ASDD), einer 11-Punkte-Skala, untersucht. Primäre Endpunkte waren ein Ansprechen im ASDD (Verbesserung um mindestens 4 Punkte) sowie das Absinken der absoluten Schweissproduktion. Insgesamt 330 Patienten erhielten randomisiert entweder DRM04 oder ein wirkstofffreies Vehikel. In der ATMOS-1Studie sprachen 52,8 Prozent der Patienten, die das Anticholinergikum erhielten, im Vergleich zu 28,3 Prozent unter Plazebo auf die Therapie an (p < 0,001). Ähnlich positiv verlief die ATMOS-2-Studie (66,1% vs. 26,9%; p < 0,001). Auch bei der absoluten Schweissproduktion zeigten sich statistisch signifikante Unterschiede. In beiden Gruppen traten Nebenwirkungen ähnlich häufig auf, bei Therapie mit dem Anticholinergikum typische (vorübergehende) Begleiterscheinungen wie ein trockener Mund und Mydriasis. Selektive IL-23-Inhibition: vielversprechend bei Psoriasis Guselkumab ist ein humaner Antikörper, der selektiv IL-23 blockiert, indem er an dessen P19-Untereinheit bindet. Im Gegensatz dazu hat Ustekinumab die P40-Untereinheit zum Ziel, die sowohl in IL-12 als auch in IL-23 enthalten ist, es inhibiert also IL-12 und IL-23. Die Wirksamkeit von Guselkumab wurde im Vergleich zu Plazebo und Adalimumab in der doppelblinden und plazebokontrollierten Studie VOYAGE-1 untersucht. Die 12-WochenDaten bestätigten eine signifikante Überlegenheit versus Plazebo bei dem Endpunkt PASI-90-Ansprechen und bei der Abheilung der Hautläsionen nach Einschätzung der Prüfärzte (IGA: Investigator’s Global Assessment); ab Woche 16 war Guselkumab auch Adalimumab überlegen. Beim EADV-Kongress wurden jetzt die Behandlungsergebnisse nach 48 Wochen vorgestellt, welche die Wirksamkeit dieses Antikörpers bestätigen (3). Nach dieser Zeit erreichten 76,3 Prozent der Patienten mit dem Newcomer ein PASI-90-Ansprechen, verglichen mit 47,9 Prozent derjenigen, die Adalimumab erhielten. 87,8 Prozent erreichten mit Guselkumab ein PASI-75-Ansprechen, verglichen mit 62,6 Prozent mit dem TNF-Blocker. Fast die Hälfte dieser schwer betroffenen Patienten (47,4%) habe eine vollständige Abheilung ihrer Hautläsionen 14 • CongressSelection Dermatologie • Januar 2017 EADV (PASI 100) erreicht, erklärte Dr. Anthony Blauvelt aus Portland (Oregon/USA) bei der Vorstellung der Studienergebnisse. Weiterer Vorteil ist das lange Injektionsintervall: so muss Guselkumab zu Therapiebeginn nur alle 4 Wochen injiziert werden, in der Erhaltungsphase sogar nur alle 8 Wochen. Immunsuppressiva können auch werdenden Vätern verordnet werden In zahlreichen Studien wurde geprüft, welchen Einfluss Immunsuppressiva auf die Schwangerschaft haben. Dagegen gibt es kaum Informationen, wie sich deren Einnahme bei Männern kurz vor der Konzeption auswirkt. Diese Fragestellung untersuchte Dr. Anne Egeberg aus Hellbaek (DK) anhand des dänischen Geburtsregisters, in dem sämtliche Daten der dänischen Bevölkerung enthalten sind (4). In der Analyse wurden alle Väter, die jemals eine Verschreibung für Methotrexat, Ciclosporin oder Azathioprin irgendwann vor der Konzeption oder in den letzten 3 Monaten vor der Konzeption erhielten, mit Vätern verglichen, die keine Immunsuppressiva einnahmen. Die Forscher untersuchten, wie sich die Einnahme auf die drei Faktoren vorzeitige Geburt, Missbildungen und ein niedriges Geburtsgewicht auswirkten, wobei bekannte Einflussfaktoren, zum Beispiel das Alter der Mutter, berücksichtigt wurden. Die Einnahme der Immunsuppressiva führte für keinen der drei Endpunkte zu einer Risikoerhöhung. «Die väterliche Einnahme von Azathioprin, Ciclosporin oder Methotrexat vor der Konzeption scheint relativ sicher zu sein», erklärte Egeberg. Eine Verschreibung von Ciclosporin vor der Konzeption resultierte in einem nicht signifikanten Trend eines erhöhten Risikos für ein niedriges Geburtsgewicht, vor allem, wenn die Männer mehrere Verschreibungen eingelöst hatten. Die Verschreibung von Ciclosporin innerhalb von 3 Monaten vor der Konzeption war dagegen mit einem erhöhten Risiko für Missbildung verbunden. Furosemidcreme lässt Warzen schrumpfen Eine Creme, die Digoxin und Furosemid enthalte, sei gegen kutane Warzen aktiv, berichtete Robert Rissmann aus Leiden (NL) (5). Dies zeigte eine doppelblinde, vehikelkontrollierte Phase-II-Studie, in der 80 Patienten mit kutanen Warzen (die meisten hatten viele kutane Warzen an Händen und Füssen) untersucht wurden. Es gab vier Studiengruppen: Eine bekam eine Zubereitung, die nur Digoxin enthielt, die zweite eine Furosemidcreme, die dritte eine Creme mit der Kombination aus Digoxin und Furosemid, und Gruppe vier wurde nur mit dem Vehikel behandelt. Jede Zubereitung wurde 1-mal täglich über einen Zeitraum von 42 Tagen auf die Warzen aufgetragen. 4 und 8 Wochen nach der letzten Behandlung führte man eine Nachbeobachtung durch, bei der die Grösse der Warzen sowie die Viruslast bestimmt wurden. Studienteilnehmer, die mit der Kombination aus Furosemid und Digoxin behandelt worden waren, erreichten eine statistisch signifikante Abnahme der Warzengrösse (p < 0,05), wogegen die einzelnen Bestandteile zwar auch einen Effekt auf die Warzen hatten, der jedoch die statistische Signifikanz verfehlte. Der Warzendurchmesser verkleinerte sich bei Auftragen aller aktiven Bestandteile signifikant. Zwar heilten einige kutane Läsionen vollständig ab, doch diese Effekte waren nicht signifikant. Vor dem Grössenrückgang zeigte sich eine Reduktion der Viruslast. Alle drei Zubereitungen wurden gut vertragen, zudem führten sie nicht zu einer Veränderung der Laborparameter oder des EKG. Da der Effekt der Behandlung über die Zeit zunimmt, könnten die langfristigen Ergebnisse des Topikums sogar noch günstiger ausfallen, so der Schluss der Autoren. Vermutet wird, dass die Creme den Kaliumstoffwechsel der Warzen stört. Susanne Kammerer Referenzen: 1. Bauer B: Diacerein for the treatment of epidermolysis bullosa – a phase II randomized, placebo controlled, double-blind clinical trial. Vortrag D3T01.1B beim EADV 2016. 2. Pariser D: DRM04 for the treatment of axillary hyperhidrosis: Primary results from the ATMOS-1 and ATMOS-2 Phase 3 randomized controlled trials. Vortrag D3T01.1E beim EADV 2016. 3. Blauvelt A: Efficacy and safety of guselkumab, an anti-interleukin-23 monoclonal antibody, compared with adalimumab for the continuous treatment of moderate-to-severe psoriasis in the phase 3 VOYAGE 1 trial. Vortrag D3T01.1D beim EADV 2016. 4. Egeberg A: Birth outcomes in children fathered by men treated with immunosuppressant drugs before conception. Vortrag D3T01.1A beim EADV 2016. 5. Rissmann R.: Results from a phase 2 randomised, double-blind, vehicle-controlled trial: Proof-of-efficacy of ionic contra viral therapy in cutaneous warts. Vortrag FC03.07 und E-Poster beim EADV 2016. Quelle: Sessions FC03 «Free communications in therapy» und «Late breaking news» beim 25. Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 29. September und 1. Oktober 2016 in Wien. 16 • CongressSelection Dermatologie • Januar 2017