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Hypogonadismus bei Männern mit Typ-2-Diabetes
Ein interdisziplinärer Ansatz für Diagnostik und Therapie
FORTBILDUNG
Männliche Patienten mit Typ-2-Diabetes tragen ein erhöhtes Risiko, einen Hypogonadismus zu entwickeln. Ebenso ist Hypogonadismus häufig mit einem metabolischen Syndrom oder Typ-2-Diabetes assoziiert. Zwischen beiden Entitäten besteht ein bidirektionaler Zusammenhang, dem im medizinischen Alltag ein interdisziplinärer Ansatz am besten gerecht werden kann.
Peter J. Goebell1 und Oliver Schnell2
Die Prävalenz des Typ-2-Diabetes wird in Deutschland auf etwa 7 Prozent unter den 18- bis 79-Jährigen geschätzt, die Dunkelziffer für die noch nicht identifizierten Diabetiker auf weitere 2 bis 7 Prozent (1). Die Prävalenz von Hypogonadismus, der von Symptomen eines Testosteronmangels begleitet ist, wird für Männer im Alter von 40 bis 79 Jahren mit 2,1 bis 5,7 Prozent angegeben (2–4). Beim Hypogonadismus des Mannes handelt es sich definitionsgemäss um ein klinisches
MERKSÄTZE
O Testosteronmangel und Hypogonadismus sind als eigenständige Risikofaktoren für metabolisches Syndrom und Typ-2-Diabetes anzusehen.
O Metabolisches Syndrom und Typ-2-Diabetes bei Männern zählen zu den Erkrankungen, bei denen gemäss aktuellen Leitlinien eine Testosteronbestimmung auch ohne Vorliegen zusätzlicher Symptome sinnvoll ist.
O Bei der erstmaligen Diagnose eines metabolischen Syndroms/Typ-2-Diabetes sollte man die Möglichkeit eines vorbestehenden, gegebenenfalls therapiebedürftigen Hypogonadismus in Betracht ziehen.
O Bei älteren Patienten mit charakteristischer Symptomatik eines Testosteronmangels sollte man die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass ein bisher unentdecktes metabolisches Syndrom oder ein Typ-2-Diabetes vorliegen könnte.
O Vor Aufnahme einer Substitutionstherapie gilt es, den Patienten und den Hausarzt oder Internisten darauf hinzuweisen, dass sich aufgrund der Testosterongaben die glykämische Kontrolle verbessern könnte.
und biochemisches Syndrom, das durch ein Testosterondefizit und relevante klinische Symptome charakterisiert ist. Von dieser mit steigendem Alter und Begleiterkrankungen assoziierten endokrinen Funktionseinschränkung können unterschiedliche Organsysteme betroffen sein. Dies kann deutliche Beeinträchtigungen der Lebensqualität mit Veränderungen der Sexualfunktion und anderen charakteristischen Symptomen wie Gewichtszunahme, Abnahme der Muskulatur, Osteoporose, Störungen der Gedächtnisleistung oder Depressionen nach sich ziehen (5). Eine Untersuchung im niedergelassenen primärärztlichen Bereich an mehr als 2000 Männern mit einem durchschnittlichen Alter von 58,7 Jahren ergab für Deutschland eine Prävalenz von 19,3 Prozent für hypogonadale Gesamttestosteronwerte < 3,0 ng/ml (10,4 nmol/l) (6). Überdies zeigte diese Studie eine gehäufte Koinzidenz von hypogonadalen Testosteronkonzentrationen mit Adipositas und metabolischem Syndrom (6). Die Baltimore Longitudinal Study of Aging ermittelte eine jährliche Inzidenz des Hypogonadismus von 20 beziehungsweise 30 Prozent für Männer im 7. und 8. Lebensjahrzehnt (7). Darüber hinaus gibt es deutliche Assoziationen zwischen dem Lebensstil und sinkenden Testosteronspiegeln: So haben etwa Genuss von Tabak, Alkohol oder Koffein, Sozialverhalten, ausgeprägter psychosozialer Stress, körperliche Aktivität und Adipositas einen Einfluss auf den Testosteronspiegel. Ebenso sind signifikante Zusammenhänge mit chronischen Erkrankungen wie Bluthochdruck und/oder der dauerhaften Einnahme unterschiedlicher Medikamente bekannt (5). Metabolisches Syndrom beziehungsweise Typ-2-Diabetes und Hypogonadismus treten häufig gemeinsam auf und beeinflussen sich gegen- beziehungsweise wechselseitig. Die daraus entstehenden Risiken und Konsequenzen zu erfassen und präventiv eingreifen zu können, betrifft in gleicher Weise Urologen, Internisten und Allgemeinärzte. Die interdisziplinäre Kooperation dieser Fachgruppen kann bei der Patientenbetreuung nur vorteilhaft sein. Ziel dieses Fortbildungsbeitrags ist es, alle praxisrelevanten Aspekte dieses komplexen Themas in einem interdisziplinären Kontext darzustellen – nicht zuletzt mit Blick auf den zu erwartenden Vorteil einer Testosteronsubstitution bei Hypogonadismus. Leitlinien zum männlichen Hypogonadismus zielen darauf ab, evidenzbasierte Empfehlungen zum Umgang mit dem primären, sekundären und «Late-onset»- 1 Urologische Klinik, Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen. 2 Forschergruppe Diabetes e. V. am Helmholtz-Zentrum München, München-Neuherberg. ARS MEDICI 1+2 I 2017 35 FORTBILDUNG Männer mit Typ-2-Diabetes … … haben gemäss einer Metaanalyse von Corona et al. signifikant niedrigere Testosteronspiegel im Vergleich zu Nichtdiabetikern (ca. –3 nmol/l) … zeigten in verschiedenen Studien eine hohe Prävalenz für einen Hypogonadismus (bis zu 50%) Typ-2-Diabetes Hypogonadismus Hypogonadale Männer … … haben ein höheres Risiko für Typ-2-Diabetes. Abbildung 1: Bidirektionaler Zusammenhang zwischen Hypogonadismus und Typ-2-Diabetes (8, 12, 21) Hypogonadismus männlicher Patienten sowie zur Behandlung von Testosterondefiziten zu geben. Sie können jedoch nicht praktische klinische Erfahrung ersetzen, wenn es um eine Therapieentscheidung für einen individuellen Patienten geht. Hier sind persönliche Werte und Präferenzen sowie die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Testosteronmangel/Hypogonadismus bei Typ-2-Diabetikern Aus einer umfangreichen Metaanalyse von insgesamt 37 Publikationen geht hervor, dass bei Männern mit Typ-2-Diabetes häufiger als bei Vergleichspersonen ein Testosteronmangel diagnostiziert wird (8). Die Auswertung der Daten von 1822 diabetischen und 10 009 nicht diabetischen Patienten ergab bei Typ-2-Diabetikern ein um etwa 3 nmol/l (0,87 ng/ ml) niedrigeres Gesamttestosteron (8). Die praktische Relevanz dieser Abweichung ergibt sich aus den Daten von 3220 Teilnehmern der European Male Aging Study (EMAS) in einem mittleren Alter von 59,7 Jahren, bei denen ein Gesamttestosteron von durchschnittlich 16,5 nmol/l (4,76 ng/ml) ermittelt wurde (9). Es besteht allgemeiner Konsens, dass Patienten mit Werten < 8 nmol/l (2,31 ng/ml) von einer Substitutionstherapie profitieren und dass bei Werten > 12 nmol/l (3,46 ng/ml) keine Substitution erforderlich ist (10, 11). Auch die Prävalenz von klinisch apparentem Hypogonadismus ist bei Patienten mit Typ-2-Diabetes deutlich erhöht (12, 13): In einer Studie an 355 männlichen Typ-2-Diabetikern war bei 17 Prozent der Teilnehmer ein eindeutiger Befund mit klinischer Symptomatik und einem Gesamttestosteron < 8 nmol/l zu verzeichnen; darüber hinaus lag bei 25 Prozent der Männer ein «Borderline-Hypogonadismus» mit klinischer Symptomatik und einem Gesamttestosteron von 8–12 nmol/l (2,31–3,46 ng/ml) vor (13). Zu ähnlichen Resultaten kommt die in den USA durchgeführte Studie HIM (Hypogonadism in Males) an 2162 Männern mit einem Mindestalter von 45 Jahren (14): 836 dieser Männer wiesen hypogonadale Testosteronwerte (Gesamttestosteron < 300 ng/dl [10,4 nmol/l]) auf, entsprechend einer Prävalenz von 38,7 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit erniedrigter Testosteronwerte war erhöht bei Patienten mit: O Bluthochdruck (Faktor 1,84) O Hyperlipidämie (Faktor 1,47) O Diabetes (Faktor 2,09) O Adipositas (Faktor 2,38) O Prostataerkrankungen (Faktor 1,29) O Asthma oder chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (Faktor 1,40) (14). Von praktischer Relevanz sind auch die Hinweise, dass die mit einem metabolischen Syndrom einhergehenden Veränderungen und Prozesse das Risiko für die Entwicklung einer Demenz vergrössern können (15, 16). Wenn, wie zuvor ausgeführt, Testosteronmangel zur Entwicklung eines metabolischen Syndroms und von Typ-2-Diabetes beitragen kann, ist er mittelbar auch an der Entstehung eines erhöhten Demenzrisikos beteiligt – nicht zuletzt deshalb, weil bei Diabetikern Hypoglykämien mit einem erhöhten Demenzrisiko in Verbindung gebracht werden (17). Hypoglykämien werden als unerwünschter Effekt einer normnahen Einstellung der Blutglukose gefürchtet, die mit dem Ziel der Prävention von Spätkomplikationen des Diabetes nach Möglichkeit anzustreben ist (18, 19). Die Angst vor Hypoglykämien stellt ein gravierendes Hindernis für ein intensives Diabetesmanagement mit normnahen Blutglukosekonzentrationen dar und ist eine häufige Ursache für mangelnde Therapieadhärenz (20). Eine longitudinale Studie mit knapp 17 000 Typ-2-Diabetikern in einem mittleren Alter von 65 Jahren hat ergeben, dass mit jeder ernsthaften hypoglykämischen Episode das Risiko einer demenziellen Entwicklung steigt. Bei Patienten mit nur einer hypoglykämischen Episode war das relative Risiko bereits um den Faktor 1,26 erhöht, nach der zweiten Episode um den Faktor 1,8 und nach der dritten Episode um den Faktor 1,94 (17). Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Prävalenz erniedrigter Testosteronwerte und von klinisch apparentem Hypogonadismus bei männlichen Patienten mit Typ-2-Diabetes deutlich erhöht ist und ein Risikopotenzial darstellt, das möglicherweise fachübergreifend bisher so nicht wahrgenommen wurde (Abbildung 1). Testosteronmangel als potenzieller Trigger für Typ-2-Diabetes und erhöhte Mortalität Über den bekannten Zusammenhang von Testosteronmangel und erektiler Dysfunktion hinaus gibt es zunehmend auch Hinweise dafür, dass Testosteronmangel eine wichtige Rolle bei der Entstehung des metabolischen Syndroms einschliesslich Typ-2-Diabetes, Insulinresistenz und Adipositas (Abbildung 2) spielt (21). Auch in der deutschen, bevölkerungsbasierten Study of Health in Pomerania (SHIP) mit mehr als 1300 Teilnehmern zeigte sich, dass Männer mit niedrigen Testosteronspiegeln ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes tragen (22). Bei Teilnehmern mit einem Gesamttestosteron < 12 nmol/l (3,46 ng/ml) war das Diabetesrisiko 1,9-fach und bei Werten < 8 nmol/l (2,31 ng/ml) sogar 4,5-fach erhöht (Abbildung 3) (22). Eine Follow-up-Studie über einen Zeitraum von 6 Jahren verglich die Mortalitätsraten bei Diabetespatienten mit einem Gesamttestosteronwert > 10,4 nmol/l (n = 343) und denjenigen mit Werten ≤ 10,4 nmol/l (n = 238) (23). Diese Grenzwerte orientieren sich an der Clinical Practice Guideline der Endocrine Society von 2010 (11). In der Gruppe von
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Hypothalamus-HypophysenGonaden-Achse
endokrine Folgen des Testosteronmangels
Hoden
Hypothalamus –
Hypophyse
–
Leptin B
–
Östradiaol B
–
proinflammatori-
sche Zytokine B
Aromatase B
Testosteron ?
viszerales Fettgewebe B
Insulinresistenz B
Hypogonadismus
• Veränderung der Körperzusammensetzung
• Rückbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale
• Asthenie • Abnahme der Libido • erektile Dysfunktion
metabolisches Syndrom
• erhöhter Bauchumfang • erhöhteTriglyzeride/Therapie • vermindertes HDL-Cholesterin/
Therapie • erhöhter Blutdruck/Therapie • erhöhter Nüchternblutzucker
oderTyp-2-Diabetes/Therapie
Spätfolgen
• kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität
Abbildung 2: Testosteronmangel ist mit Insulinresistenz und Typ-2Diabetes assoziiert (12, 25). Die Abbildung wurde erstellt auf Basis der Abbildung 1 in Rao PM et al. 2013 (12) und der Abbildung 1 in Zitzmann M 2009 (25).
Männern mit Konzentrationen ≤ 10,4 nmol/l war die Mortalitätsrate mit 17,2 Prozent signifikant höher als bei den Teilnehmern mit höheren Testosteronwerten (9%; p = 0,003) (23). Damit war das Testosterondefizit mit einer Verdoppelung der Gesamtmortalität assoziiert (23). Von den 238 Patienten mit Testosteronwerten ≤ 10,4 nmol/l (3,0 ng/ml) erhielten 64 über einen Zeitraum von 41,6 ± 20,7 Monaten eine Testosteronsubstitutionstherapie, 174 Patienten blieben unbehandelt. Hinsichtlich Raucherstatus, Alter, HbA1c und weiterer Variablen mit Einfluss auf das Mortalitätsrisiko waren die beiden Gruppen gleichwertig zusammengesetzt. Von den behandelten Patienten mit erniedrigten Testosteronspiegeln verstarben 6 (9,38%) gegenüber 35 (20,11%; p = 0,002) in der Gruppe der Nichtsubstituierten. Die Mortalitätsrate der substituierten Patienten mit niedrigen Testosteronspiegeln entsprach also derjenigen der Patienten mit normalen Testosteronwerten (9,12%; Abbildung 4) (23). Adjustiert nach Kovariablen – Alter, vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankung, Gewicht, Grösse, Body-Mass-Index (BMI), HbA1c, Raucherstatus, Therapie mit Statinen und Angiotensinrezeptorblockern/ACE-(angiotensin-converting enzyme-)Hemmern – verblieb bei den Patienten mit niedrigem Testosteron eine verdoppelte Wahrscheinlichkeit, früher zu versterben.
Testosteron und Insulinsensitivität
Zentrale Adipositas und Insulinresistenz spielen eine wichtige Rolle in der Pathogenese des metabolischen Syndroms, was mit einer Vielzahl von Folgeerkrankungen assoziiert ist. Testosteronmangel ist mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Insulinresistenz assoziiert (Abbildung 3). Eine finnische Kohortenstudie begleitete 702 stoffwechselgesunde Männer über einen Zeitraum von 11 Jahren (24). Während der Studie trat bei 147 Teilnehmern ein metabolisches Syndrom auf. Das Risiko für die Entwicklung von metabolischem Syndrom und Typ-2-Diabetes war bei den Männern
mit den niedrigsten Gesamttestosteronkonzentrationen 2- bis 3-mal so hoch wie bei den Männern mit den höchsten Werten – auch nach Adjustierung für Faktoren wie Alkoholund Tabakkonsum oder kardiovaskuläre Erkrankungen. Bei über 70-jährigen Männern korrelieren niedrige Testosteronspiegel mit Insulinresistenz, und zwar unabhängig von zentraler Adipositas. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Testosteron an der Glukoseutilisation beteiligt ist, indem es Glukoseaufnahme, Glykolyse und mitochondriale oxidative Phosphorylierung stimuliert (12). Ebenso konnte gezeigt werden, dass Testosteron an der Lipidhomöostase in insulinsensitiven Geweben wie Leber, Fett und Skelettmuskulatur beteiligt ist. Ferner nimmt Testosteron Einfluss auf die Körperzusammensetzung, indem es die Bildung fettfreier Körpermasse stimuliert. Zwischen der Testosteronkonzentration im Plasma und der Ausprägung von Insulinresistenz und viszeraler Fettmasse besteht wiederum eine inverse Korrelation (24–26). Wird bei hypogonadalen Männern Testosteron substituiert, kann die Leptinsekretion in den Adipozyten gehemmt und damit der Circulus vitiosus zwischen Leptinresistenz und Adipositas unterbrochen werden (25). Vor dem Hintergrund dieser regulatorischen Zusammenhänge ist es nachvollziehbar, dass die Substitution von Testosteron in Interventionsstudien mit günstigen Effekten auf metabolisches Syndrom, Typ-2-Diabetes und weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren inklusive Insulinresistenz und Cholesterinspiegel assoziiert war, denn diese positiven Effekte auf die Insulinsensitivität sind mutmasslich komplexen regulatorischen Einflüssen auf Insulinsignale und Glukosehomöostase in insulinsensitiven Geweben zuzuschreiben (12). Bei der Behandlung des Hypogonadismus gibt es insgesamt deutliche Hinweise, dass die Testosteronsubstitution die Insulinsensitivität und andere Komponenten eines metabolischen Syndroms positiv beeinflussen könnte (27). Hinsichtlich der Substitutionstherapie bei Patienten mit manifestem Typ-2Diabetes gibt es ebenfalls Hinweise auf positive Effekte (8), hier ist die Datenlage aber weniger konsistent (27).
Vorläufiges Fazit
O Zwischen Testosteronmangel und metabolischem Syndrom sowie Typ-2-Diabetes besteht eine bidirektionale Assoziation: Testosteronmangel geht ebenso mit einem erhöhten Risiko für metabolisches Syndrom/Typ-2-Diabetes einher wie Letztere mit einem erhöhten Risiko für Testosteronmangel und Hypogonadismus.
5 Abbildung 3: Männer
4,5-fach
4 erhöhtes
Risiko*
3
mit niedrigen Testosteronspiegeln tragen ein erhöhtes Risiko, ein metabolisches Syndrom
2
1,9-fach erhöhtes
1 Risiko*
95 %-KI:
95 %-KI:
1,6–12,4
1,1–3,4
0
8 nmol/l** 12 nmol/l**
Gesamttestosteron
* Odds Ratios im Modell adjustiert für Alter (kontinuierlich), Bauchumfang (kontinuierlich) und Raucherstatus (Nichtraucher [Referenz], Exraucher, 1–14 Zigaretten/Tag, * 15 Zigaretten/Tag).
** Gesamttestosteronspiegel 8,0 vs. *8,0 nmol/l bzw.12 vs.*12 nmol/l.
oder einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln (22). Die Abbildung wurde auf Basis der Tab. 3 in Schipf S et al. 2011 (22) erstellt und stellt einen Teil der publizierten Angaben dar.
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O Testosteronmangel und metabolisches Syndrom/Typ-2-Diabetes stehen mit ähnlichen Komplikationen und Begleiterkrankungen in Verbindung. So ist beispielsweise für beide Entitäten ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Dyslipidämien, Demenz und Mortalität bekannt.
O Es existieren Hinweise, dass sich die Hormonersatztherapie mit Testosteron bei hypogonadalen Männern als Nebeneffekt günstig auf die unterschiedlichen Komponenten des metabolischen Syndroms auswirken kann.
O Es konnte gezeigt werden, dass niedrige Testosteronkonzentrationen bei Männern mit Typ-2-Diabetes mit einem Anstieg der Gesamt- und der kardiovaskulären Mortalität assoziiert sind. Langfristige Hormonersatzbehandlung hingegen korreliert bei diesen Patienten mit verbesserten Überlebensraten (23).
kumulative Überlebensrate
1,00 0,95 0,90
erniedrigtes Gesamttestosteron; behandelt
normales Gesamttestosteron
0,85
erniedrigtes Gesamttestosteron; unbehandelt
p = 0,004 HR = 2,3 (95%-KI: 1,3–3,9)
0,80 0
20 40 60
Überlebensdauer (Monate)
80
Q mit Testosteron behandelt; Gesamttestosteron zu Studienbeginn ≤ 10,4 nmol/l*; 64–58** Q unbehandelt; Gesamttestosteron zu Studienbeginn > 10,4 nmol/l*; 340–309** Q unbehandelt; Gesamttestosteron zu Studienbeginn ≤ 10,4 nmol/l*; 174–139**
Weitere Studien zur Bestätigung der Ergebnisse werden benötigt. * Die Studie von Muraleedharan V et al. 2013 (23) legt als Grenzwert für einen erniedrigten Testosteronspiegel zu Studienbeginn 10,4 nmol/l entsprechend der Endocrine-Society-Guideline (11) zugrunde. Gemäss der Endocrine Society’s Clinical Guideline gilt: Für die meisten Symptome des Testosteronmangels stimmte der Testosteronschwellenwert mit der unteren Grenze des Normbereichs für junge Männer, nämlich ~ 300 ng/dl (10,4 nmol/l), überein. Die Wahrscheinlichkeit für Symptome war unterhalb dieses Schwellenwerts grösser als oberhalb (11). **Zahl der lebenden Patienten bei Studienbeginn und Studienende.
Abbildung 4: Erniedrigte Gesamttestosteronspiegel bei Typ-2-Diabetikern zu Studienbeginn waren mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko verknüpft (23).
körperliche Anzeichen
Insulinresistenz und Typ-2Diabetes
verminderte Körper-
behaarung
Hitzewallungen
Rückgang Muskelmasse und
-kraft
Gynäkomastie
metabolisches Syndrom
viszerale Fett-
leibigkeit
kleine Hoden
geringe Knochen-
masse
sexuelle Anzeichen
• Libidoverlust • erektile Dysfunktion • Abnahme nächtlicher Erektionen
psychische Anzeichen
• Erschöpfung, Energieverlust • depressive Gedanken • Stimmungsschwankungen
Abbildung 5: Klinische Hinweise auf Hypogonadismus beziehungsweise Testosteronmangel (4, 46)
Symptomatik und Empfehlungen für die Diagnostik
Im Rahmen der Betreuung von Patienten mit metabolischem Syndrom beziehungsweise Typ-2-Diabetes ist es wichtig, um das erhöhte Risiko für Testosteronmangel/Hypogonadismus zu wissen und etwaige klinische Hinweise rechtzeitig und richtig zu bewerten. Zu den möglichen klinischen Symptomen des Hypogonadismus zählen (Abbildung 5): O Rückgang von Muskelmasse und -kraft O Zunahme des viszeralen Fetts O Abnahme der Knochendichte O verminderte Körperbehaarung O Hitzewallungen O Gynäkomastie O kleine Hoden O Libidoverlust O erektile Dysfunktion O Abnahme nächtlicher Erektionen O Erschöpfung O Energieverlust O depressive Gedanken O Stimmungsschwankungen (11).
Legt die Gesamtkonstellation die Möglichkeit hypogonadaler Testosteronwerte nahe, ist eine Abklärung ratsam – gegebenenfalls in interdisziplinärer Zusammenarbeit. Hierzu führt die kürzlich publizierte Leitlinie der EAU (European Association of Urology) zum männlichen Hypogonadismus wie auch schon die Leitlinie der Endocrine Society aus dem Jahr 2010 das metabolische Syndrom und einen Typ-2-Diabetes bei Männern unter denjenigen Erkrankungen auf, bei denen eine Testosteronbestimmung auch ohne das Vorliegen verdächtiger Symptome empfehlenswert ist (4, 11). Die Diagnose eines Testosteronmangels stützt sich auf die oben aufgeführten klinischen Zeichen und Symptome des Testosteronmangels in Verbindung mit dem gesicherten Nachweis erniedrigter Testosteronspiegel (4). Hierzu ist die Bestätigung durch mindestens zwei voneinander unabhängige Bestimmungen des Serumtestosterons gefordert, die idealerweise im selben Labor erfolgen sollten. Eine Blutabnahme zur Testosteronbestimmung sollte morgens bis spätestens 11 Uhr durchgeführt werden – der Patient sollte nüchtern sein (4). Die zur Gewährleistung einer sicheren Therapie erforderlichen diagnostischen Massnahmen sind unter «Kontraindikationen, Sicherheit» aufgeführt.
Testosteronersatztherapie bei hypogonadalen Männern
Angesichts der insgesamt zunehmenden Lebenserwartung und der mit dem Alter steigenden Inzidenz des Hypogonadismus ist davon auszugehen, dass mehr und mehr Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen auf fundierte Kenntnisse bezüglich Hypogonadismus und Testosteronersatztherapie sowie Monitoring unter Therapie angewiesen sein werden (27). Wie defizitär der Kenntnisstand und die Versorgung sein können, wird durch eine aktuelle Erhebung unterstrichen, wonach in den USA zwischen 2001 und 2011 bei jedem vierten Mann unter Testosteronersatztherapie kein Testosteronserumwert aus den zurückliegenden 12 Monaten bekannt war (28). Befragungen von Ärzten in Deutschland, Spanien, Grossbritannien, Brasilien und Saudiarabien in den Jahren
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2006 und 2010 ermittelten, wie sich die Einstellung zur Testosteronverordnung und weiteren Aspekten des Testosteronmangels im Lauf der Jahre verändert hat (29, 30): Erektile Dysfunktion und Libidoverlust wurden von den Teilnehmern in beiden Befragungen am häufigsten mit Testosteronmangel assoziiert. Erfreulicherweise wurden vier Jahre später – anders als 2006 – auch Adipositas und Depression als mögliche Begleiterscheinungen eines Testonsteronmangels genannt (29). 70 Prozent der Ärzte gaben in der zweiten Befragung an, sich bei der Entscheidung über eine Testosteronverordnung mehr von der Symptomatik als von Laborwerten leiten zu lassen – dies galt im Besonderen für die deutschen Mediziner (29). Unterstützt wird dieses Vorgehen durch die Tatsache, dass es im Einzelfall keine zuverlässige Korrelation zwischen Laborwert und subjektiver Symptomatik gibt (4). Daraus leitet sich auch die klare Empfehlung ab, die Diagnose auf die Kombination von Symptomatik und Laborwert zu stützen. Der verbesserte Kenntnisstand hat im Vergleich von 2010 gegenüber 2006 auch die Bereitschaft der Ärzte zum Einsatz der Testosteronsubstitution erhöht (29). Wird bei Patienten mit gestörtem Glukosemetabolismus eine Hormonersatztherapie mit Testosteron eingeleitet, ist zu bedenken, dass diese als Nebeneffekt über eine Verbesserung der Insulinsensitivität die glykämische Einstellung beeinflussen könnte.
Leitlinien auf dem Prüfstand Seit Publikation der Clinical Practice Guideline der Endocrine Society von 2010 (11) wurde eine Reihe von Studien publiziert, die Anlass zu einer systematischen Analyse und einem Abgleich mit den Empfehlungen dieser Leitlinie gaben (27). Im Mittelpunkt der Analysen standen vor allem die Effekte der Hormontherapie bei Patienten mit metabolischem Syndrom und ausgesuchte Kontraindikationen zur Substitution.
Kasten:
Wechselspiel in zwei Richtungen (12)
O Hypogonadismus und Testosteronmangel sind häufige begleitende Befunde bei Männern mit einem metabolischen Syndrom oder Typ-2-Diabetes.
O Hypogonadismus und Testosteronmangel sind unabhängige Risikofaktoren für die Entwicklung von Stoffwechselerkrankungen wie metabolisches Syndrom und Typ-2-Diabetes.
O Niedrige Testosteronspiegel sind mit einer erhöhten Inzidenz von Adipositas, metabolischem Syndrom, Typ-2-Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen assoziiert.
O Testosteronmangel und Hypogonadismus sind mit einer erhöhten Gesamt- und kardiovaskulären Mortalität assoziiert.
O Interventionsstudien zur Testosteronsubstitution haben Verbesserungen von Insulinresistenz, Körperzusammensetzung, glykämischer Kontrolle, Lipidstoffwechsel und weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren gezeigt.
O Der positive Einfluss von Testosteron auf die Insulinsensitivität könnte auf komplexe Wirkungen auf Insulinsignale und Glukosehomöostase zurückzuführen sein.
Effekte bei Patienten
mit metabolischem Syndrom und Typ-2-Diabetes
An der doppelblinden, plazebokontrollierten Studie BLAST (Birmingham, Lichfield, Atherstone, Sutton Coldfield, and Tamworth) nahmen 190 symptomatische hypogonadale Männer mit Typ-2-Diabetes teil. Die Therapie mit injizierbarem Testosteronundecanoat war mit einer signifikanten HbA1cReduktion assoziiert: Nach 82 Wochen war bei Patienten mit einem Ausgangs-HbA1c > 7,5 Prozent ein Rückgang um 0,87 Prozentpunkte zu verzeichnen (31–33). Darüber hinaus war eine signifikante Reduktion von Hüftumfang, Körpergewicht und BMI zu verzeichnen (32). Bei Männern, die zu Studienbeginn eine Major Depression aufwiesen, waren diese Effekte nicht nachweisbar (32). Die Prävalenz depressiver Störungen ist bei Menschen mit Diabetes und Folgeerkrankungen erhöht – Betroffene weisen eine schlechtere Prognose auf, und die Therapie gestaltet sich schwieriger (34, 35). Die Autoren der Studie TIMES2 (Testosterone Replacement in Hypogonadal Men With Type 2 Diabetes and/or Metabolic Syndrome) mit 220 symptomatischen hypogonadalen Männern, die einen Typ-2-Diabetes oder ein metabolisches Syndrom aufwiesen, berichteten über eine signifikante Verbesserung der glykämischen Kontrolle unter 9-monatiger transdermaler Testosteronapplikation (36). Andere Autoren kamen zum Schluss, dass sich aus den TIMES2-Daten keine Veränderungen von HbA1c und Nüchternblutglukose ableiten lassen (27, 37). An einer weiteren multizentrischen Studie nahmen 184 hypogonadale Männer mit metabolischem Syndrom teil. Nach 30-wöchiger Therapie mit injizierbarem Testosteronundecanoat waren signifikante Verbesserungen von Körpergewicht, BMI, Hüftumfang und Entzündungsmarkern zu erkennen, nicht aber der Insulinsensitivität, der glykämischen Kontrolle und des Lipidprofils (38). Mögliche positive Effekte von Testosteron auf metabolisches Syndrom und kardiovaskuläres Risiko wurden auch in einer 24-monatigen Studie mit 50 Patienten im Alter zwischen 45 und 65 Jahren evaluiert, die hypogonadale Testosteronwerte < 3,0 ng/ml (10,4 nmol/l) und ein metabolisches Syndrom und/oder Typ-2-Diabetes aufwiesen (39). Unter der Medikation mit Testosteronundecanoat war nach 24 Monaten ein signifikanter Rückgang von Nüchternblutglukose, Hüftumfang und viszeraler Fettmasse zu verzeichnen (39). Ebenso waren Veränderungen der Körperzusammensetzung und eine signifikante Reduktion von hochsensitivem C-reaktiven Protein und der Intima-media-Dicke zu beobachten – was von den Autoren der Studie als positiver Effekt auf die endotheliale Funktion und die Progression atherogener Prozesse eingeschätzt wurde (39). Die systematische Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass der Testosteronersatz bei Patienten mit metabolischem Syndrom zentrale biometrische Parameter verbessern könnte. Vergleichbare Endpunktdaten bezüglich Typ-2-Diabetes liegen zwar ebenfalls vor, die Ergebnisse der verfügbaren Studien sind aber nicht konsistent (27). Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt eine 2011 publizierte Metaanalyse über vier Studien zur Testosteronsubstitution bei hypogonadalen Männern mit Typ-2-Diabetes. Hinweise auf günstige Effekte auf die glykämische Kontrolle und Insulinresistenz waren erkennbar, aber letztlich nicht zweifelsfrei und vollständig belegt (8).
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FORTBILDUNG
Tabelle:
Testosteronpräparate zur Therapie des männlichen Hypogonadismus
Applikations- Darreichungs- Substanz weg form
Dosierung
Anwendungsintervall
oral transdermal
intramuskulär
Kapsel
40 mg Testosteronundecanoat mit 25,3 mg Testosteron/Kapsel
Anfangsdosierung: 120–160 mg Testosteronundecanoat (3–4 Kapseln) pro Tag für 2–3 Wochen; Erhaltungsdosis: 40–120 mg (1–3 Kapseln) pro Tag
tägliche Einnahme zusammen mit einer Mahlzeit
Gel 1%
25 mg/50 mg Testosteron in 2,5 g/5 g Gel
Anfangsdosierung: 5 g Gel (50 mg Testosteron) pro Tag; Dosisanpassung: 2,5 g Gel (25 mg Testosteron) bis maximal 10 g Gel (100 mg Testosteron) pro Tag
tägliche Applikation
Gel 2%
10 mg Testosteron pro Hub in 0,5 g Gel
Anfangsdosierung: 3 g Gel (60 mg Testosteron) pro Tag; Dosisanpassung: 2 g Gel (40 mg Testosteron) bis maximal 4 g Gel (80 mg Testosteron) pro Tag
tägliche Applikation
Gel 2,5%
62,5 mg/125 mg Testosteron in 2,5 g/5 g Gel
Anfangsdosierung: 5 g Gel (125 mg Testosteron) pro Tag; Dosisanpassung: 2,5 g Gel (62,5 mg Testosteron) bis maximal 10 g Gel (250 mg Testosteron) pro Tag
tägliche Applikation
Lösung
30 mg Testosteron pro Hub in 1,5 ml Lösung
Anfangsdosierung: 60 mg pro Tag (2 Hübe, je 1 Hub unter jede Achsel); Dosisanpassung: 30 mg (1 Hub) bis maximal 120 mg Testosteron (4 Hübe) pro Tag
tägliche Applikation
Pflaster
30 cm2/45 cm2/60 cm2 enthalten 15 mg/ 22,5 mg/30 mg Testosteron und setzen 1,2 mg/1,8 mg/2,4 mg pro 24 h frei.
Anfangsdosierung: 2 Pflaster 2,4 mg/24 h, die alle 48 Stunden erneuert werden; Dosisanpassung: Reduktion auf 2 Pflaster 1,2 mg/24 h oder 2 Pflaster 1,8 mg/24 h alle 2 Tage
Applikation von 2 Pflastern alle 2 Tage
Injektionslösung 1 ml enthält 250 mg Testosteron- 1 Ampulle alle 2–3 Wochen (Testosteronenantat) enantat mit 180 mg Testosteron.
Injektion alle 2–3 Wochen
Injektionslösung (Testosteronundecanoat)
4 ml enthalten 1000 mg Testosteronundecanoat mit 631,6 mg Testosteron
Inhalt einer Durchstechflasche (4 ml) alle 10–14 Wochen; das erste Injektionsintervall kann bis auf minimal 6 Wochen reduziert werden (Aufsättigungsdosis).
Injektion alle 10–14 Wochen
Quelle: www.fachinfo.de (letzter Zugriff: 18.11.2015) und Fachinformation Testotop Gel (Stand: Januar 2015). Hinweis: Bitte beachten Sie die ausführlichen Informationen zu den Produkten in den entsprechenden Fachinformationen.
Indikation und positive Effekte
Eine Testosteronersatztherapie ist bei Männern mit Hypogonadismus indiziert, wenn der Testosteronmangel klinisch und labormedizinisch bestätigt wurde. Die klinischen Symptome eines Hypogonadismus unterliegen starken individuellen Schwankungen. Sofern der klinische Verdacht auf Hypogonadismus besteht, sollte sich das weitere Vorgehen am Laborbefund orientieren. Es wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass Patienten mit Werten < 8 nmol/l (2,31 ng/ml) von einer Therapie profitieren, während eine Substitution bei Werten > 12 nmol/l (3,46 ng/ml) nicht erforderlich zu sein scheint. Bei Gesamttestosteronspiegeln zwischen 8 und 12 nmol/l sollte das freie Testosteron bestimmt werden (10, 11). Auch die aktuelle EAU-Leitlinie nennt ein «Cut-off»-Level von 12,1 nmol/l (Gesamttestosteron im Serum) beziehungs-
weise 243 pmol/l (freies Testosteron) für die Unterscheidung zwischen normalen und verdächtigen Werten (4). Ziel der Behandlung bei klinisch und laborchemisch bestätigtem Hypogonadismus sollte die Verbesserung der Symptomatik innerhalb eines Zeitraums von 3 bis 6 Monaten sein. Insbesondere sollten Libido und Sexualfunktionen verbessert werden. Darüber hinaus sollte es über eine Verminderung der Fettmasse und die Zunahme der fettfreien Körpermasse zu einer Verbesserung der Körperzusammensetzung kommen. Bei Patienten mit metabolischem Syndrom und Typ-2-Diabetes können positive Effekte auf den Glukosestoffwechsel, im Besonderen eine Verbesserung der Insulinsensitivität, hinzukommen. Die diesbezügliche Datenlage ist aber nicht ganz konsistent (4, 10, 11).
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Anwendungsformen
Zur Substitutionstherapie werden Präparate mit natürlichem Testosteron empfohlen; verfügbar sind Zubereitungen zur intramuskulären, subdermalen, transdermalen, oralen und bukkalen Anwendung (4, 10, 11). In der Initialphase einer Substitutionstherapie wird kurz wirksamen Zubereitungen im Vergleich mit lang wirksamen Präparaten der Vorteil zugeschrieben, dass die Behandlung bei Bedarf kurzfristig beendet werden kann. Eine Übersicht über die derzeit verfügbaren Anwendungsformen gibt die Tabelle.
Kontraindikationen, Sicherheit
Als wichtige Kontraindikationen führen die aktuellen EAULeitlinien Prostatakarzinom, Karzinom der männlichen Brustdrüse, schwere Schlafapnoe, Infertilität bei bestehendem Kinderwunsch (Testosteron könnte die Spermatogenese hemmen), Veränderungen des Hämatokriten (> 54%), schwere Symptomatik von LUTS (lower urinary tract symptoms) aufgrund einer benignen Prostatahyperplasie und schwere chronische Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium IV) auf (4). Allerdings lassen neuere Forschungsergebnisse eine Neubewertung von LUTS und Schlafapnoe sinnvoll erscheinen (siehe «Leitlinien auf dem Prüfstand») (27). Im Einzelfall ist die Fachinformation des jeweils verwendeten Präparats ausschlaggebend, sodass unter anderem auch frühere oder bestehende Lebertumoren ausgeschlossen werden müssen. Das Vorliegen eines Prostatakarzinoms soll vor Beginn einer Therapie mit Testosteron durch eine gründliche Untersuchung der Prostata (digital-rektale Untersuchung [DRU] plus Bestimmung des Serum-PSA [prostataspezifisches Antigen]) möglichst ausgeschlossen werden (40). Bei hypogonadalen Patienten ohne klinisch erkennbares Prostatakarzinom kann Testosteron substitutiert werden. Bisher wurde ein erhöhtes Risiko für ein Prostatakarzinom nicht nachgewiesen (41). Nach Beginn der Testosterontherapie sollte ein sorgfältiges und regelmässiges Monitoring der Prostata (DRU und Serum-PSA) nach 3, 6 und 12 Monaten und danach mindestens 1-mal, bei älteren Patienten und Risikopatienten 2-mal jährlich, in Übereinstimmung mit den empfohlenen Standardverfahren erfolgen (40). Die Expression von PSA wird stark durch Androgene beeinflusst. Hypogonadale Männer haben ein niedrigeres PSA und eine kleinere Prostata als eugonadale Männer. Unter Testosteronersatztherapie gleichen sich Serum-PSA-Wert und Prostatavolumen an die Werte eugonadaler Männer an (42). Auch Hämatokrit und Hämoglobin sollten vor und während einer Testosterontherapie kontrolliert werden, weil eine hormonelle Stimulation der Erythropoese – beispielsweise unter Therapie mit Androgenen – eine sekundäre Erythrozytose (alte Bezeichnung: Polyglobulie) verursachen kann (43). Vor Beginn der Therapie, nach 3 und 6 sowie nach 12 Monaten im ersten Jahr, danach 1-mal jährlich, ist eine Blutbildkontrolle indiziert (4). Bei erhöhten Hämatokrit- und/oder Hämoglobinwerten können Dosisanpassungen der Testosterontherapie erforderlich sein (40).
Bei Patienten mit vorbestehender kardiovaskulärer Erkrankung, venöser Thrombembolie oder chronischer Herzinsuffizienz sollte – die entsprechende Indikation vorausgesetzt – behutsam therapiert werden, begleitet von einem sorgsamen Monitoring (klinische Untersuchung, Hämatokrit ≤ 54%, Testosteron im mittleren Normalbereich) (4).
Worauf ist bei der Therapie zu achten?
Bei einem erst im Erwachsenenalter auftretenden, klinisch
und laborchemisch nachgewiesenen Hypogonadismus sollte
eine Testosteronersatztherapie nur dann in Betracht gezogen
werden, wenn ausgeprägte Symptome vorliegen und ein Ver-
such mit Gewichtsreduktion, Lebensstilmodifikation und
ausgewogener Therapie der Begleiterkrankungen erfolglos
geblieben ist. Die Auswahl der Anwendungsform sollte im
Einzelfall gemeinsam von Arzt und Patient getroffen werden,
was eine umfassende Aufklärung über den zu erwartenden
Nutzen und mögliche Nebenwirkungen voraussetzt. Zur
optimalen Testosteronkonzentration unter Therapie gibt es
keine einheitlichen Empfehlungen (4). Daten von 3690 älte-
ren Männern haben gezeigt, dass endogene Testosteronspie-
gel im mittleren Normalbereich mit dem niedrigsten Morta-
litätsrisiko assoziiert sind (44). Die Testosteronserumspiegel
sind vor Beginn und während der Therapie regelmässig zu be-
stimmen. Der Arzt sollte die Dosis an den einzelnen Patienten
individuell anpassen, um die Aufrechterhaltung physiologi-
scher, eugonadaler Testosteronserumspiegel sicherzustellen.
Im Einzelfall gibt die jeweilige Fachinformation Auskunft.
Das Therapieergebnis sollte nach 3, 6 und 12 Monaten über-
prüft werden, anschliessend 1-mal jährlich. Eine Wirkung
auf die Sexualparameter ist meist schon wenige Wochen nach
Beginn der Behandlung spürbar, während die Mehrzahl der
körperlichen Testosteroneffekte frühestens nach 3 Monaten
einsetzt. Die maximale Wirkung wird hier erst nach 1 bis
3 Jahren erreicht (45).
O
Korrespondenzadresse: PD Dr. med. Peter J. Goebell Urologische Klinik Friedrich-Alexander-Universität Rathsberger Strasse 57 D-91054 Erlangen E-Mail: peter.goebell@uk-erlangen.de
Interessenkonflikte: Peter J. Goebell gibt an, dass er Honorare für Referententätigkeit von den Unternehmen BMS, Bayer, Novartis, GSK, Pfizer und Janssen Cilag erhalten hat. Oliver Schnell gibt an, dass er Honorare für Referententätigkeit vom Unternehmen Jenapharm erhalten hat.
Literatur unter www.arsmedici.ch
Diese Arbeit erschien zuerst in «Diabetes, Stoffwechsel und Herz», Band 25, 1/2016 (www.diabetologie-online.de). Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autoren. Anpassungen an Schweizer Verhältnisse erfolgten durch die Redaktion von ARS MEDICI.
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