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BERICHT
Neue Schweizer Mosaiksteine zur CED-Forschung
Eidgenössische Präsentationen am ECCO 2016
Auch Universitäten und Institute in der Schweiz leisten zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) bemerkenswerte Forschungsbeiträge. Dabei reicht das Forschungsspektrum von den molekularen Grundlagen von Morbus Crohn (MD) und Colitis ulcerosa (CU) bis zu verschiedenen psychosozialen Aspekten.
Klaus Duffner
Nichtraucher zum Diagnosezeitpunkt (9-faches Risiko) und frühere Appendektomie (4-faches Risiko). Die Überlebensrate der Betroffenen war im sechsjährigen Untersuchungszeitraum signifikant geringer als bei Patienten ohne PSC. Insgesamt knapp 5 Prozent der untersuchten Patienten, unter ihnen deutlich mehr Kolitispatienten, litten an der Gallenwegerkrankung.
In der Swiss IBD Cohort Study führen die wichtigsten CED-Zentren der Schweiz die Daten vieler CED-Patienten zusammen. Sie ist damit eine unerschöpfliche Quelle der Informationen zu sehr unterschiedlichen Aspekten chronisch entzündlicher Darmerkrankungen. Auch einige der am ECCO vorgestellten Studien bezogen sich auf diese Kohorte.
Anti-TNF-α gegen extraintestinale Manifestationen
So wollten Dr. Thomas Greuter vom Universitätsspital Zürich und seine Kollegen aus Zürich, Bern und Lausanne aus den Listen der Swiss IBD Cohort den Einfluss von drei TNF-␣-Inhibitoren (Infliximab, Adalimumab, Certolizumab) auf extraintestinale Manifestationen (EIM) bei chronisch entzündlichen Darmkrankheiten evaluieren (1). Ausgewertet wurden die Daten von 366 CED-Patienten mit extraintestinalen Beschwerden der Jahre 2006 bis 2010. Von ihnen waren 213 mit TNF-␣-Hemmern behandelt worden, die meisten (69%) nur mit einem. Die häufigsten EIM waren periphere Arthritis (75,6%), aphthöse Stomatitis (23,5%), axiale Arthropathie/ankylosierende Spondylitis (21,6%) und Uveitis (15,5%). Diese Manifestationen zeigten bei mehr als der Hälfte der Patienten ein klinisches Ansprechen auf die Anti-TNF-Therapie (54,5%). Unter Infliximab besserten sich die periphere Arthritis bei 77,6 Prozent, die aphthöse Stomatitis bei 77,8 Prozent und die ankylosierende Spondylitis bei 59,1 Pro-
Höhe triggert Entzündung
zent der Betroffenen. Auch die Verbesse- Die Häufigkeit von chronisch entzünd-
rungen unter Adalimumab- beziehungs- lichen Darmerkrankungen nimmt in den
weise Certolizumabbehandlungen waren industrialisierten Ländern seit mehreren
vergleichbar. Dagegen kam es nur bei Dekaden stark zu. Man geht heute davon
11 Patienten unter Anti-TNF-Gabe zu aus, dass für die Erkrankung nur zu rund
einem Neuauftreten von solchen Sympto- 30 Prozent eine gewisse genetische Anfäl-
men. Aufgrund dieser Ergebnisse seien ligkeit verantwortlich ist, bis zu 70 Prozent
Biologika als eine «wertvolle Behandlung sollen dagegen Lifestyle- oder Umweltfak-
für extraintestinale Manifestationen» zu toren sein. Einem Zusammenhang zwi-
betrachten, so die Experten von der schen Aufenthalten in grosser Höhe und
Schweizer CED-Kohorten-Studie.
dem Ausbruch chronischer Darmentzün-
Sklerosierende Cholangitis – häufiges Begleitsymptom
dungen ist das Team um Stephan Vavricka vom Stadtspital Triemli in Zürich auf der Spur. So wurde festgestellt, dass nicht nur
Auch die primär sklerosierende Cholangitis Aufenthalte in den Bergen in einer Höhe
(PSC) ist ein typisches extraintestinales von über 2000 Metern, sondern auch
Symptom bei chronisch entzündlichen längere Flugreisen das Risiko für Schübe
Darmkrankheiten. Sie ist eine
chronisch entzündlicher Darm-
Foto: KD
chronische Entzündung der
erkrankungen erhöhen. Die
Gallenwege und macht im
zuerst rein empirisch erhobe-
Endstadium eine Lebertrans-
nen Daten wurden in einer
plantation nötig. Mediziner
prospektiven Studie über-
um Montserrat Fraga vom
prüft. Nun wurde am ECCO
CHUV in Lausanne sowie
eine neue Untersuchung vorge-
Kollegen aus Lausanne, Zü-
legt (3). So mussten 10 gesunde
rich und Bern wollten mehr
Freiwillige, 11 Patienten mit
über diese Erkrankung in der
Morbus Crohn und 9 Patien-
Schweiz wissen (2). Dazu werteten sie die Daten von
Stephan Vavricka
ten mit Colitis ulcerosa jeweils drei Stunden in einer Druck-
2744 Patienten der Schweizer CED-Kohorte kammer verbringen. In der Kammer wur-
aus. 57 von ihnen litten an PSC, davon hat- den Bedingungen wie auf 4000 Metern
ten 48 Colitis ulcerosa und 9 Morbus Höhe simuliert, das heisst, der Körper wurde
Crohn als Grunderkrankung. Als unabhän- beispielsweise mit Sauerstoff unterversorgt.
gige Risikofaktoren detektierten die For- Eine Woche nach diesem Experiment konnte
scher männliches Geschlecht (fast 3-faches sowohl bei MC- als auch CU-Patienten ein
Risiko), Pankolitis (fast 3-faches Risiko), beginnender Entzündungsprozess beobachtet
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BERICHT
PERSPEKTIVEN
Prof. Dr. med. Dr. phil. Gerhard Rogler, Leitender Arzt, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital Zürich
Gastroenterologie 2017
Insgesamt finde ich, dass sich nun langsam, aber stetig die DRG auf das Gesundheitswesen in der Schweiz auswirken. Es wird immer mehr von Kostendruck gesprochen. Zudem scheinen die Preise für Medikamente zunehmend anhand der Gewinnmaximierung festgelegt zu werden. Das ist teilweise unverantwortlich, zum Beispiel dann, wenn sich Patienten Generika in Indien besorgen müssen. Was mir im letzten Jahr auch zunehmend aufgefallen ist, sind übertriebene Transparenzgebote in der Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie. Der Wunsch nach Transparenz ist schon gut, aber dass uns nicht einmal mehr ein Kugelschreiber geschenkt werden darf, ist eher ein schlechter Witz. Gefreut hat mich, dass der Schweizerische Nationalfonds zum ersten Mal unabhängige klinische Studien fördert. So haben auch Medikamente, an denen die Industrie kein Interesse hat, eine Chance, getestet zu werden. Es gab im letzten Jahr einige Studien, auf die ich besonders gespannt war. Dazu gehören die Bestätigungsstudie für die Wirksamkeit des Antisense-Moleküls Mongersen bei Morbus Crohn sowie die Lecithinstudie bei Kolitis, die leider negativ ausgegangen ist. Auch zu erwähnen ist die Curcumastudie von Shomron BenHorin. Eine tolle Studie, die die Erwartungen übertroffen hat! Die Kombination von Mesalazin mit Curcumin verbesserte hier deutlich die Remissionsrate bei Colitis ulcerosa. Auch die Zulassung neuer Medikamente ist ein positiver Aspekt des vergangenen Jahres. Hier möchte ich Vedolizumab (Entyvio®) und eine Depotform von Budesonid (Cortiment® MMX®) erwähnen. Beide Substanzen bringen erhebliche Verbesserungen in der Therapie.
Wir erwarten 2017 mit besonderer Spannung die Ergebnisse unserer vom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen der industrieunabhängigen Unterstützung geförderten Studie «Anthocyanextrakt bei Colitis ulcerosa» sowie der Phase-3-Studie für Mongersen. Auch im nächsten Jahr sind neue Zulassungen in der Gastroenterologie zu erwarten, und zwar von Ustekinumab (Stelara®) bei Morbus Crohn sowie von Tofacitinib (Xeljanz®) bei Colitis ulcerosa. Stelara® ist für Morbus Crohn seit einigen Wochen von der FDA zugelassen und wurde vor Kurzem auch von der EMA zugelassen. In der Schweiz kommt es vielleicht im Sommer zur Zulassung. Da fragt sich auch: Müssen Schweizer Patienten wegen Swissmedic immer benachteiligt sein? Warum bekommen wir solche wichtigen Medikamente immer mit Verzögerung?
Unterstützung für unabhängige klini-
sche Studien durch den Schweizerischen
Nationalfonds
Das Programm «Investigator Initiated
Clinical Trials (IICT)» soll Forschenden
Unterstützung für industrieunabhängige,
von Forschern selbst initiierte klinische
Studien ermöglichen. Darin werden ins-
besondere Themen berücksichtigt, wel-
che nicht im Fokus der Industrie stehen
und deshalb nur unzureichend erforscht
werden.
Für die beiden Ausschreibungen 2015
sowie 2016 standen maximal je 10 Millio-
nen Franken zur Verfügung. Die Förder-
entscheide der zweiten Ausschreibung
sollen im Mai 2017 kommuniziert werden,
die Vorankündigung für die dritte Aus-
schreibung ist für den Juli 2017 geplant
(s. auch: www.snf.ch).
red
werden. Der Sauerstoffentzug, so Vavricka zu ARS MEDICI, scheine sogar bei Gesunden Anzeichen einer Darmentzündung auszulösen.
Exraucher mit höherem CU-Risiko
Ein Risikofaktor für die Entwicklung einer CED scheint, so merkwürdig das klingen mag, auch die Beendigung des
Rauchens zu sein. So konnte in einer von Maude Grueber vom Inselspital Bern und Forschern aus Zürich, Lausanne und Paris vorgelegten retrospektiven Untersuchung, in der die Daten von 2361 CED-Patienten analysiert wurden, jetzt gezeigt werden, dass unter den CU-Betroffenen im Vergleich zu den MC-Patienten zum Diagnosezeitpunkt überdurchschnittlich viele Exraucher vertreten waren (4). Mit zunehmendem Lebensalter sei ein «dramatischer» Anstieg in dieser Population zu verzeichnen, der bei den 50- bis 60-Jährigen ihren Höhepunkt erreiche, so die Autoren. Ein indirekter Einfluss des Rauchstopps auf den Ausbruch von CU sei damit in Betracht zu ziehen.
Höhere Erwartungen
bei Frauen und Westschweizern
Die Erwartungen hinsichtlich des Umgangs mit Medikamenten, mit Nebenwirkungen, mit dem Informationsfluss, der Koordination, dem Gesundheitssystem und der Patientenbetreuung sind bei CED-Betroffenen unterschiedlich. So fand Valerie Pittet vom CHUV in Lausanne mit Unterstützung aus Lausanne und Basel heraus, dass Frauen und Personen aus der Romandie grundsätzlich höhere Erwartungen an diese Faktoren haben als Männer und Patienten aus der Deutschschweiz (5). Insgesamt, so die Autoren, scheinen die Patienten allgemein eine aktivere Teilnahme am Krankheitsmanagement zu wünschen. Für die Studie wurde ein Fragebogen an rund 2300 CED-Patienten in der Schweiz verschickt. Immerhin 1094 Patienten haben ihn beantwortet. Die gleiche Studiengruppe ging zudem der Frage nach, inwiefern chronische Darmentzündungen bei den Betroffenen Ängste auslösen (6).Tatsächlich ist die Lebensqualität von CED-Patienten häufig stark eingeschränkt, viele fürchten um ihre Beziehungen oder bangen um ihren Job. So berichteten mehr als zwei Drittel der rund 1000 Teilnehmer von regelmässigen Ängsten rund um ihre Krankheit. Dabei waren der Verlust der Darmkontrolle, die Entwicklung eines Karzinoms, die Auswirkung von Stress auf die CED, eine Chronifizierung der Symptome, eine krankheitsbedingte Abgeschlagenheit und eine möglicherweise lebenslange Medikamenteneinnahme die am häufigsten genannten Ängste.
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BERICHT
Treue steigt mit dem Alter –
auch bei Medikamenten
Wie es um die Therapietreue in bestimmten Altersgruppen bestellt ist, wollten Pierre Michetti vom IBD-Zentrum Lausanne und Wissenschaftler aus Nancy, Toronto, Lüttich, London und München wissen (7). So zeigten unter den über 1000 CU- und MC-Patienten die jüngeren Teilnehmer (< 35 Jahre) eine höhere Neigung, ihre Medikamente nicht ordnungsgemäss zu nehmen, als die älteren (> 35 Jahre). Letztere glaubten stärker an die Wirksamkeit solcher Therapien. Diese stärkere Adhärenz, so die Studienautoren, dürfte bei älteren Menschen allgemein mit einer mangelnden Bereitschaft verbunden sein, ein gesundheitliches Risiko einzugehen.
Weniger Medikamente
bei bestimmten Genotypen
Bestimmte Polymorphismen innerhalb eines bestimmten Gens (PTPN22) sind mit einer ganzen Reihe von Autoimmunerkrankungen, wie etwa der rheumatoiden Arthritis oder systemischem Lupus erythematodes, verbunden. Diese Genveränderungen reduzieren jedoch gleichzeitig das Risiko für Morbus Crohn. Jonas Zeitz vom Universitätsspital Zürich und Forscher aus Zürich, Lausanne und St. Gallen haben in der Schweizer CED-Kohorte nach Verbindungen zwischen bestimmten Genotypen und CED gesucht (8). Er-
gebnis: Von rund 2000 gescannten Patienten hatten 0,6 Prozent den AAGenotyp des polymorphen PTPN22Gens, 13,3 Prozent den heterozygoten GA-Typ und 86,1 Prozent die homozygote GG-Form. Bei Morbus Crohn war die Gegenwart des A-Allels (AA oder GA-Genotyp) mit signifikant weniger Steroid- und Antibiotikaeinsatz assoziiert. Auch das Risiko, einen Vitamin-D- oder Kalziummangel zu entwickeln, erwies sich bei diesen Patienten als niedriger. Bei Colitis ulcerosa war die Gegenwart dieser A-Allele mit geringerem Gebrauch von Azathioprin und TNF-Inhibitoren verbunden. Insgesamt, so die Autoren, besässen A-Allele nicht nur einen protektiven Effekt hinsichtlich des Ausbruchs der CED, sondern zeigten auch einen milderen Krankheitsverlauf. Bestimmten Genen ist man aber auch bei der Fistelbildung auf der Spur. So konnten Ramona S. Bruckner vom Universitätsspital Zürich und ihr dortiges Team zeigen, dass T-Zellen bei der Pathogenese von Fisteln bei MC-Patienten eine entscheidende Rolle spielen (9). So wird angenommen, dass solche Lymphozyten die Bildung bestimmter Effektormoleküle und Zytokine (IFN-Y und IL-17A) triggern, die von den Zürcher Forschern um die Fistelgänge nachgewiesen werden konnten. O
Klaus Duffner
Referenzen: 1. Greuter T et al.: Anti-TNF treatment for extraintestinal
manifestations of inflammatory bowel disease in the Swiss IBD Cohort Study. 2016; P400. 2. Fraga M et al.: Primary sclerosing cholangitis in the Swiss Inflammatory Bowel Disease Cohort: prevalence, risk factors, and long-term follow-up. 2016; P224. 3. Vavricka S et al.: Influence of hypoxia on healthy volunteers and patients with inflammatory bowel disease. 2016; P676. 4. Grueber M et al.: Is smoking cessation linked to new ulcerative colitis cases? – A retrospective cohort based hypothesis 2016; P688. 5. Pittet V et al.: Healthcare expectations of patients with inflammatory bowel disease: a survey amongst 1089 participants in a European bilingual clinical cohort. 2016; P707. 6. Pittet V et al.: Worries of patients with inflammatory bowel disease: an indicator of well-being? – results of survey amongst 1096 participants in a European bilingual clinical cohort. 2016; P690. 7. Michetti P et al.: Effect of age on beliefs about and adherence to medications in patients with inflammatory bowel disease: results from the ALIGN study. 2016; P315. 8. Zeitz J et al.: The clinical relevance of the CD-associated SNP within the gene locus encoding protein tyrosine phosphatase non-receptor type 22 in patients of the Swiss IBD Cohort. 2016; P729. 9. Bruckner RS et al.: The role for T-cells in the pathogenesis of Crohn’s disease–associated fistulae. 2016; P076.
Quelle: Jahrestagung European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO), 16. bis 19. April 2016 in Amsterdam.
Die Swiss IBD Cohort Study online: www.ibdcohort.ch
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