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Kongressbericht
ESMO 2016 – Annual Meeting of the European Society for Medical Oncology, Kopenhagen, 7. bis 11. 10. 2016
«To the immun effects – that’s where we’re going!»
Das Pharmaunternehmen MSD Merck Sharp & Dohme, in den USA von dem Unternehmen Merck geführt, entwickelte im Bereich Onkologie den PD-1-Hemmer Pembrolizumab (Keytruda®) und führte zahlreiche klinische Studien (KEYNOTE-Studien) bei verschiedenen Malignomen durch. GYNÄKOLOGIE befragte Dr. med. Roger Dansey, Leiter Oncology Late-Stage Development im amerikanischen Mutterhaus, zur aktuellen Forschungspipeline im Rahmen einer Medienveranstaltung von MSD.
Dr. med. Roger Dansey, Senior Vice President, Oncology Late-Stage Development, MSD Research Laboratories in New Jersey (Merck in den USA und Kanada).
GYNÄKOLOGIE: Herr Dr. Dansey, wo liegt derzeit der onkologische Schwerpunkt des Unternehmens in der Medikamentenentwicklung? Dr. med. Roger Dansey: MSD fokussiert in der Onkologie im Bereich Immuntherapien und Biomarker. Im Bereich der Immuntherapie haben wir mit Pembrolizumab sehr beachtliche Therapieerfolge mit nie erreichten Überlebensraten erzielt – sowohl beim metastasierten Melanom als auch beim fortgeschrittenen NSCLC von median bis zu 2 Jahren. Es handelt sich hier ja um Malignome mit sehr schlechter Prognose, bei denen die Patienten unter Chemotherapien nur wenige Wochen bis Monate überleben, wenn sie sich im Spätstadium der Krankheit befinden. Die Langzeitüberlebenszeiten wurden zudem bei guter Verträglichkeit erreicht, verglichen mit der Chemotherapie. Dabei setzen wir sowohl auf die Monoals auch auf die Kombinationstherapie. Neue Biomarker-basierte Studien für Kombinationstherapien mit Pembrolizumab stehen bei uns im Vordergrund und sind sehr vielversprechend, unter anderem mit Tyrosinkinasehemmer, BRAFund MEK-Inhibitoren sowie weiteren aktuellen Entwicklungen. Es handelt sich um klinische Studien mit hohem Qualitätsanspruch.
In der Schweiz ist Keytruda® seit 2015 bei metastasiertem Melanom zugelassen und seit Kurzem nun auch beim fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) mit PD-L1-Expression in der Zweitlinie nach Chemotherapie. Worauf begründet sich die aktuelle Zulassung? Roger Dansey: Die Zulassung in der Schweiz bei NSCLC basiert auf der multi-
zentrischen, offenen, kontrollierten KEYNOTE-010-Stunde nach vorangegangener Chemotherapie und Krankheitsprogression. Wir haben mittlere Gesamtüberlebensraten von 14,9 versus 8,2 Monaten mit einer Hazard Ratio von 0,53. Von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA ist Keytruda® für diese Indikation schon seit 2015 und von der europäischen EMA und der Swissmedic seit 2016 zugelassen.
Welche Studien sind beim ESMO 2016 für Sie interessant? Roger Dansey: Am diesjährigen ESMOJahreskongress haben wir zwei wirklich bahnbrechende Studien, und zwar in der First-Line-Therapie mit Pembrolizumab bei fortgeschrittenem NSCLC. Es handelt sich zum einen um die randomisierte KEYNOTE-024-Studie mit Resultaten, die «groundbreaking» sind. Die Studie verglich die Immuntherapie mit
«In der First-Line-Therapie bei NSCLC kam es zu einem
hochsignifikant verlängerten PFS. Das mediane Gesamt-
überleben betrug bei Patienten mit einer PD-L1Expression von ≥ 50% 14,9 (vs. 8,2) Monate, war also
quasi verdoppelt.»
der Chemotherapie bei 305 Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC und hoher PD-L1-Expression. Dabei kam es zu einem hochsignifikant verlängerten progressionsfreien Überleben von 10,3 gegenüber 6,3 Monaten; die Hazard Ratio beträgt 0,50, also war das PFS quasi verdoppelt. Auch das mediane Gesamt-
überleben war signifikant verlängert mit 10,4 Monaten unter Pembrolizumab im Vergleich zu 8,5 Monaten. Bei Patienten, die eine PD-L1-Expression von ≥ 50% aufwiesen, betrug das mediane Gesamtüberleben sogar 14,9 Monate (vs. 8,2 Mo. unter Docetaxel), war also fast verdoppelt. Ferner war die Immuntherapie hinsichtlich Ansprechrate und -dauer sowie der Verträglichkeit der Kontrollgruppe deutlich überlegen. Die Studie wurde jetzt zeitgleich im «New England Journal of Medicine» veröffentlicht. Die Studienleiter erwarten, dass Pembrolizumab bei NSCLC-Patienten mit hoher PD-L1-Expression zur neuen Erstlinientherapie wird.
Es gibt eine weitere bemerkenswerte Studie in der Erstlinientherapie des NSCLC mit Pembrolizumab am ESMO 2016. Roger Dansey: Das ist die KEYNOTE021-Studie in Phase II, die den Checkpoint-Inhibitor in Zugabe zur Standardchemo- versus Chemotherapie allein untersuchte. Die Studienärzte randomisierten 123 NSCLC-Patienten im Stadium IIIB/IV und fanden nach medianem Follow-up von fast 11 Monaten eine signifikant grössere objektive Ansprechrate und ein deutlich verbessertes PFS. Obwohl die Patienten nicht nach der Höhe der PD-L1-Expression selektiert worden waren, bemerkten die Studienärzte eine höhere Ansprechrate unter der Pembrolizumab-Kombination bei hoher PD-L1Expression. Eine Phase-III-Studie wird den Effekt der Kombination weiter untersuchen.
Welche Studienergebnisse wurden zum metastasierten Melanom präsentiert?
38 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 5/2016
Kongressbericht
ESMO 2016 – Annual Meeting of the European Society for Medical Oncology, Kopenhagen, 7. bis 11. 10. 2016
Roger Dansey: Das waren die finalen Ergebnisse der KEYNOTE-002-Studie, die im multizentrischen, randomisierten, kontrollierten Design geführt wurde: Bei den 540 Ipilimumab-refraktären Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Melanom ergab sich unter der Pembrolizumab-Monotherapie ein mittleres Gesamtüberleben von 13,4 Monaten unter dem 2,4-mg-Regime und von 14,7 Monaten unter dem 10-mg-Regime – verglichen mit 11,0 Monaten unter Chemotherapie. Das 2-Jahres-OS betrug 35,9 respektive 38,9 Monate (versus 29,7). Auch im längeren Follow-up blieben die Nebenwirkungen im bekannten niedrigen Rahmen. Damit bestätigt sich der Einsatz von Pembrolizumab als Standardtherapie.
Die Höhe der PD-L1-Expression im Tumorgewebe wird immer mehr zu einem wichtigen prädiktiven Faktor. Roger Dansey: In der Tat, das ist ein Schlüssel. Wir sind dabei, mit unseren Partnern Biomarkertests für PD-l-1-Expression zu entwickeln, denn die Höhen der PD-L1-Expression sind von «Key Value». Hohe Werte, das bedeutet 30 bis 50% PD-L1-Expression im Tumorgewebe, sind prädiktiv für hohes Ansprechen und hohe Überlebensraten. Mit unserem Fokus in der Onkologie auf
die Immuntherapie prüfen wir verschiedene Effekte und Kombinationen – ein breites Feld, zu dem beispielsweise auch Impfstoffe gehören. Unter anderem untersuchen wir Immunwirkungen der Chemotherapie, neue Signalwege und Kombinationen. Den Immuneffekt, den möchten wir erkunden.
Neben Melanomen und Bronchialkarzinomen wird Pembrolizumab auch bei weiteren Tumoren untersucht. Am diesjährigen ESMO wurde eine Studie bei Blasenkrebs vorgestellt. Was wurde hier erreicht? Roger Dansey: Dies betrifft die Phase-IIStudie KEYNOTE-052, welche die Wirksamkeit und Verträglichkeit der PD-1Blockade mit Pembrolizumab als Erstlinientherapie bei Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem Blasenkrebs prüft, wenn die Standardtherapie mit Cisplatin nicht möglich ist. Erste Ergebnisse der laufenden Studie zeigen gute Ansprechraten und eine erhöhte Ansprechdauer bei Patienten mit erhöhter PD-L1-Expression. Die Ärzte erwarten, dass die Immuntherapie auch bei Blasenkarzinomen Einzug in die Therapielandschaft halten wird.
Gibt es weitere Indikationen für die Pembrolizumab-Therapie in der Onkologie?
Roger Dansey: In den USA ist Keytruda®
in diesem Jahr bei metastasierten Kopf-
Hals-Tumoren in der Zweitlinie zugelas-
sen worden, ein Tumor, für den es sehr
wenige Therapieoptionen im fortge-
schrittenen Stadium gibt. Ausschlagge-
bend für die Zulassung war die Studie
KEYNOTE-012 an 174 Patienten mit gu-
ten Ansprechraten, danach folgten erste
Ergebnisse der KEYNOTE-055-Studie,
einer offenen Phase-II-Studie nach Resis-
tenz auf Chemotherapie und Cetuximab,
welche auf dem ASCO 2016 vorgestellt
wurde.
Schliesslich laufen noch Studien mit
Pembrolizumab vor allem bei Brust- und
Magenkrebs sowie bei multiplem Mye-
lom, auch in Kooperation mit anderen
Pharmaunternehmen, und wir sind sehr
gespannt auf erste Ergebnisse. Auf die
Immuntherapie richten wir unseren
ganzen Fokus.
L
Herr Dr. Dansey, herzlichen Dank für das Interview!
Das Interview entstand anlässlich einer Medienveranstaltung von MSD Merck Sharp & Dohme AG am ESMO 2016. Interview: Bärbel Hirrle Interessenkonflikte: MSD Schweiz.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 5/2016
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