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Aktuelle Studien – kurz gefasst
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Wie funktioniert das Gehirn bei Schizophrenie?
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Die Gehirne von Patienten mit Schizophrenie funktionieren anders als die von Menschen ohne Erkrankung – aber wie? Forscher des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) und der Universität von Philadelphia untersuchten mit Bildgebungsverfahren die Gehirnfunktionen.
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KURZ & BÜNDIG
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30380
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&K U R Z B Ü N D I G

Aktuelle Studien – kurz gefasst

Wie funktioniert das Gehirn bei Schizophrenie?

Die Gehirne von Patienten mit Schizophrenie funktionieren anders als die von Menschen ohne Erkrankung – aber wie? Forscher des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) und der Universität von Philadelphia untersuchten mit Bildgebungsverfahren die Gehirnfunktionen.
Schizophrenie ist eine schwere und oft chronische Erkrankung, die das gesamte Gehirn zu betreffen scheint. Neuere Studien deuten darauf hin, dass der Botenstoff Glutamat bei Krankheitsentstehung und -verlauf eine zentrale Rolle spielt. Allerdings sind die neurobiologischen Mechanismen, die der veränderten glutamatergen Signalübertragung im Gehirn zugrunde liegen und so zu Veränderungen von Gedanken, Stimmung und Wahrnehmung führen, erst teilweise entschlüsselt. Wissenschaftler am ZI und von der Universität von Philadelphia haben nun einen möglichen Mechanismus gefunden, der erklären könnte,

wie die beeinträchtigte Signalübertragung zwischen einzelnen Nervenzellen die Informationsverarbeitung und die Zuverlässigkeit des gesamten Hirns beeinflusst. Mittels funktioneller Magnetresonanztomografie untersuchten sie bei Schizophrenen im Vergleich zu Gesunden, wie die Hirnregionen während einer Arbeitsgedächtnisaufgabe miteinander «sprechen» und so ein Netzwerk bildeten. Dabei zeigte sich, dass die Gehirne von Schizophrenen weniger stabile Netzwerke ausbildeten. Interessanterweise zeigten die Gehirne von den ebenfalls untersuchten Angehörigen von Schizophrenen, die nicht von der Krankheit betroffen waren, aber im Schnitt die Hälfte der Risikogene für die Erkrankung geerbt hatten, eine mittlere Stabilität zwischen den Gruppen von Gesunden und Erkrankten, was einen wichtigen Hinweis für den Einfluss von Genen auf die Netzwerkstabilität zeigt. Um ihren Verdacht bezüglich der molekularen Grundlagen der Stabilität von Hirnnetzwerken

zu erhärten, benutzten die Forscher in einem weiteren Experiment die funktionelle Bildgebung unter Einfluss eines Wirkstoffes. Gesunde Probanden bearbeiteten dieselbe Arbeitsgedächtnisaufgabe und erhielten einen geprüften und wirksamen Hemmstoff der glutamatergen Signalübertragung namens Dextrometorphan. Im Vergleich zur Plazebobedingung zeigten auch gesunde Probanden nach der Gabe von Dextrometorphan weniger stabile Netzwerke, was den Hinweis auf einen begründeten Zusammenhang zwischen veränderter Glutamatsignalübertragung und instabilen Netzwerken liefert.
Referenz: Urs Braun et al.: Dynamic brain network reconfiguration as a potential schizophrenia genetic risk mechanism modulated by NMDA receptor function – Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) doi:10.1073/ pnas.1608819113.
Quelle: idw-online.de vom 24.10.2016

Kalzium stellt Weiche für chronische Lungenentzündung

Der Erreger Pseudomonas aeruginosa gilt in Krankenhäusern als ausgesprochener Problemkeim. Etwa 10 Prozent aller Krankenhausinfektionen, vor allem Lungenentzündungen, gehen auf sein Konto. Forscher vom Biozentrum der Universität Basel haben nun herausgefunden, dass Kalzium den Schalter von der akuten zur chronischen Infektion umlegt.
Im frühen, akuten Stadium der Lungenentzündung nutzt der Keim Virulenzfaktoren, um sich im Wirt festzusetzen und dem Immunsystem zu entkommen. Beim Fortschreiten der Infektion ändert das Bakterium seine Strategie und schaltet von akuter zu chronischer Virulenz um: Es stoppt die Produktion von Virulenzfaktoren, wie bakterielle Injektionsnadeln und Toxine, dafür bildet es eine schützende Schleimhülle –

einen Biofilm. Das Team um Prof. Urs Jenal, Infektionsbiologe am Biozentrum der Universität Basel, hat nun mit Kalzium zum ersten Mal ein Signal entdeckt, das den Schalter zu chronischer Virulenz umstellt. Wie die Forscher nun herausgefunden haben, misst ein Enzym in der Bakterienmembran die Menge an Kalzium in der Umgebung und leitet das Signal ins Zellinnere weiter. Bei einer hohen Kalziumkonzentration wechselt Pseudomonas ins chronische Programm: Die Bakterien im Biofilm drosseln ihr Wachstum und können dadurch Antibiotika besser tolerieren und dem Immunsystem Paroli bieten.
Zystische-Fibrose-Patienten tragen kalziumsensitive Bakterien Dass dies auch klinisch relevant ist, konnten die Infektionsbiologen bei Patienten mit Zystischer

Fibrose nachweisen. Die Betroffenen leiden ihr Leben lang an chronischen Infektionen mit P. aeruginosa, die zur Zerstörung des Lungengewebes führen. Da diese Patienten oft erhöhte Kalziumspiegel aufweisen, gehen die Forscher davon aus, dass dies den Übergang vom akuten zum chronischen Stadium begünstigt. Das ist für die Keime von Vorteil; die Behandlung der Betroffenen wird dadurch jedoch erschwert.
Referenz: Ursula N. Broder, Tina Jaeger, Urs Jenal: LadS is a calciumresponsive kinase that induces acute-to-chronic virulence switch in Pseudomonas aeruginosa, Nature Microbiology 2016, doi: 10.1038/nmicrobiol.2016.184
Quelle: www.idw-online.de, 24.10.2016

PSYCHIATRIE & NEUROLOGIE

5/2016

&K U R Z B Ü N D I G

Aktuelle Studien – kurz gefasst

Toxoplasmose: Parasit beeinflusst Gedächtnisleistung

Der weltweit vorkommende Einzeller Toxoplasma gondii verursacht eine der häufigsten Infektionskrankheiten. Studien am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) zeigen, dass eine Infektion auch das Arbeitsgedächtnis im Alter beeinträchtigen kann.
Menschen infizieren sich häufig durch Kontakt mit kontaminiertem Wasser, Gemüse oder nicht durchgegartem Fleisch von infizierten Nutztieren. Gefährlich kann Toxoplasmose für Schwangere und den Fötus sowie für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem werden. Im Grossteil der Fälle bleibt die Infektion aber unbemerkt. Die magensäureresistenten Erreger können jedoch die Blut-HirnSchranke passieren und sich lebenslang in Nervenzellen einnisten (latente Infektion). Ob dadurch kognitive Fähigkeiten beeinträchtigt werden, erforschten erstmals Wissenschaftler am IfADo. Sie konnten in einer Doppelblindstudie mit Senioren zeigen, dass eine latente Infektion Gedächtnisleistungen und die subjektive Lebensqualität verschlechtern kann.

Aus einer Kohorte von gesunden Probanden ab 65 Jahren wurden zwei Gruppen mit je 42 Personen ausgewählt: Senioren, bei denen im Blut entsprechende T.-gondii-Antikörper gefunden wurden, kamen in die erste Gruppe. Senioren mit negativem Nachweis bildeten die Kontrollgruppe. Alle Probanden beantworteten Fragen zu Lebenssituation und Lebensqualität. Danach folgten verschiedene PC-Tests zu Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Konzentrationsfähigkeit und Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung. Die Probanden sollten zum Beispiel in einer schnellen Abfolge von einzelnen Buchstaben immer dann eine Taste drücken, wenn der vorletzte Buchstabe mit dem aktuell gezeigten übereinstimmte. Auf diese Art müssen Buchstaben im Kurzzeitgedächtnis gespeichert und kontinuierlich mit den neuankommenden Buchstaben verglichen werden. Dazu ist ein intaktes Arbeitsgedächtnis notwendig, das für die vorübergehende Informationsspeicherung und gleichzeitige Verarbeitung zuständig ist. Das Ergebnis: Die Leistungen des Arbeitsgedächtnisses waren bei den toxoplasmosepositiven Probanden um 35 Prozent geringer als bei

den Nichtinfizierten. Zudem schätzen die betroffenen Personen ihre körperliche, psychische und soziale Lebensqualität signifikant schlechter ein. Objektiviert wurden die gefundenen Defizite in der Gedächtnisleistung mit EEG-gestützten Untersuchungen. Während die Probanden die Aufgaben bearbeiteten, wurde die Hirnaktivität gemessen. Dabei zeigte sich unter anderem ein deutlich geringerer Ausschlag der Hirnpotenziale, die mit Arbeitsgedächtnisfunktionen wie Aktualisierung von Gedächtnisinhalten assoziiert werden. Für die Effekte wird ein durch die Toxoplasmoseinfektion verursachtes Ungleichgewicht des neuronalen Botenstoffhaushaltes von Dopamin und Norepinephrin verantwortlich gemacht. In Folgestudien sollte daher ein Zusammenhang von Toxoplasmose und Demenz untersucht werden, da in beiden Fällen die Gedächtnisfunktion als Erstes in Mitleidenschaft gezogen wird.
Referenz: http://Doi: 10.1016/j.biopsycho.2016.08.002
Quelle: www.idw-online.ch, 24.10.2016

Missbrauch und Misshandlung verändern Immunprozesse

Wenn Kinder misshandelt, missbraucht oder vernachlässigt werden, finden sich noch viele Jahre danach erhöhte Entzündungswerte im Blut. Die Folgen sind nicht nur ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen, sondern auch für bestimmte altersassoziierte körperliche Erkrankungen. Bislang war unklar, welche molekularen Mechanismen diesem chronischen Entzündungszustand zugrunde liegen. Nun ist es Wissenschaftlern der Ulmer Universität und Uniklinik gelungen, veränderte Prozesse in den Immunzellen sowie oxidativen Stress als möglichen Mitverursacher zu enttarnen.
Entzündliche Prozesse im Körper sind eine natürliche Antwort des Immunsystems auf beispielsweise Krankheitserreger oder Verletzungen des Gewebes. Im Normalfall klingen sie nach kurzer Zeit ab, weil der Körper sie – mit medikamentöser Unterstützung oder ohne – erfolgreich bekämpft hat. Langfristig bestehende Entzündungen können jedoch auf

Dauer die Struktur sowie die Funktion von Zellen schädigen und das Immunsystem schwächen. Eine erhöhte Anfälligkeit für körperliche und psychische Erkrankungen kann die Folge sein. Die Mitochondrien spielen dabei eine Schlüsselrolle. Bei der Initiierung von Entzündungsreaktionen treten womöglich mitochondriale Veränderungen auf, die sich langfristig negativ auf die Gesundheit auswirken können. Im Rahmen einer Voruntersuchung zur Ulmer Studie «Meine Kindheit – Deine Kindheit» haben Wissenschaftler 30 Frauen im Alter von 22 bis 44 Jahren Blut entnommen, die bis zum Alter von 18 Jahren in unterschiedlichem Ausmass emotionale und körperliche Misshandlung und Vernachlässigung oder sexuellen Missbrauch erlebt haben. Ihr Blut wurde auf pro-entzündliche Biomarker (Zytokine, C-reaktives Protein), Hinweise auf oxidativen Stress und die Aktivität der Mitochondrien untersucht. Die Analyse der Blutproben zeigte, dass diese Frauen mehr Entzündungsmarker im Blut

aufwiesen und dass dies mit einer gesteigerten Aktivität der Mitochondrien einherging. Zudem offenbarte sich ein erhöhtes Mass an oxidativem Stress, sichtbar an der Zunahme der reaktiven Sauerstoffspezies und an einer Verringerung antioxidativer Substanzen. Die Analyse machte zudem deutlich, dass die Veränderungen auf Zellebene umso ausgeprägter waren, je schwerwiegender die Vernachlässigungs- und Misshandlungserfahrungen waren. In den ersten Lebensjahren entwickelt sich die sogenannte Stressantwort des Körpers als ein Zusammenspiel von Hormon-, Nerven- und Immunsystem.
Quelle: www.idw-online.de 20.10.16
Referenz: Boeck C, et al.: Inflammation in adult women with a history of child maltreatment: The involvement of mitochondrial alterations and oxidative stress, Mitochondrion 2016. http://dx.doi.org/10.1016/j.mito.2016.08.006

5/2016

PSYCHIATRIE & NEUROLOGIE

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