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BERICHT
Wenn die Leber im Alkohol ertrinkt
Schlechte Prognose für Patienten mit alkoholtoxischer Hepatitis
Die Prognose der Patienten mit alkoholischer Leberkrankheit ist schlecht. Betroffene versterben zu 30 bis 40 Prozent innerhalb des nächsten halben Jahres. Eine Kortikoidtherapie kann vor allem in der Frühphase helfen. Gleichzeitig seien eine gute Ernährung und die Bekämpfung möglicher Infektionen essenziell, erklärte an der Jahrestagung der Schweizer Gastroenterologen in Interlaken Prof. Christophe Moreno.
Klaus Duffner
Bei 40 bis 50 Prozent der Personen mit Alkoholfettleber und fortgesetztem Alkoholmissbrauch entwickelt sich innerhalb weniger Jahre eine alkoholtoxische Steatohepatitis. Als Zeichen der chronischen Entzündung sind die Transaminasen erhöht. Histologisch charakterisiert sind ballonförmig aufgetriebene Hepatozyten, verursacht durch Störungen des Lipid- und Proteinstoffwechsels. Die Erkrankung kann schleichend verlaufen, aber auch mit schweren Krankheitszeichen wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust, Bauchschmerzen, Aszites, Leukozytose, Gelbsucht, Fieber und Nierenversagen einhergehen.
rapie waren Alter und Serumkreatinin unabhängige prognostische Variablen. Das gleiche Ergebniss zeigte sich in einer neueren Metaanalyse mit über 400 Patienten. Hier lag die 28-Tage-Überlebensrate bei Kortikoidbehandlung (Prednisolon 40 mg/Tag) bei rund 80 Prozent, während nur zwei Drittel der Nichtbehandelten
Kortikosteroide helfen akut, steigern langfristig aber das Infektionsrisiko.
Zweischneidige Kortikoidtherapie
Die Schwere einer alkoholtoxischen Hepatitis wird definiert durch die sogenannte «Maddrey’s discriminant function», in die sowohl die Prothrombinzeit (in s) als auch der Bilirubinspiegel (mg/dl) mit einfliessen. Bei Werten von 32 oder darüber liegt eine schwere alkoholtoxische Hepatitis vor. 20 bis 30 Prozent der Betroffenen versterben innerhalb des folgenden Monats, 30 bis 40 Prozent innerhalb des nächsten halben Jahres. Neben einer absoluten Alkoholkarenz könne die Behandlung mit Kortikosteroiden die Prognose verbessern, erklärte Prof. Dr. med. Christophe Moreno, Hôpital Erasme, Brüssel. So zeigte sich bei 215 Patienten mit schwerer alkoholischer Leberkrankheit, dass Teilnehmer, die mit Kortikosteroiden behandelt worden waren, nach 28 Tagen signifikant höhere Überlebenschancen hatten (85%) als Plazebobehandelte (65%). Neben der Kortikoidthe-
(66%) überlebten. Eindeutig im Vorteil waren die Kortikoid-Responder (91%) im Vergleich zu den Kortikoid-Non-Respondern (53%). Über einen längeren Zeitraum scheint eine Kortikoidtherapie jedoch weniger wirksam zu sein. So waren in einer neueren Studie mit 1053 Patienten nach 1 Jahr weder unter Prednisolon noch Pentoxifyllin signifikante Überlebensvorteile gegenüber Plazebo zu verzeichnen (3). In allen Behandlungsgruppen lag die Überlebensrate bei rund 60 Prozent. Mehr noch: In dieser Untersuchung zeigte sich auch kurzfristig (28 Tage) weder unter Prednisolon noch Pentoxifyllin ein signifikanter Überlebensvorteil. Auch die Kombination beider Medikamente bringt im Vergleich mit Prednisolon plus Plazebo keinen Vorteil, so Moreno (4). Allerdings scheint die Kombination aus Prednisolon und N-Acetylcystein die Überlebenswahrscheinlichkeit zu erhöhen.
Einer der Gründe für die langfristigen Schwierigkeiten der Prednisolontherapie sei das erhöhte Infektionsrisiko unter Kortikoiden, sagte Moreno. So entwickelten 24 Prozent der Patienten mit Alkoholhepatitis nach Beginn der Kortikosteroidtherapie Infektionen, darunter am häufigsten bakterielle Entzündungen der Atemwege (5). Was zunächst ein Überlebensvorteil war, nämlich das gute Ansprechen auf Kortikosteroide, erwies sich später als Nachteil: Während 43 Prozent der Responder unter Infektionen litten, waren dies bei den NonRespondern lediglich 11 Prozent. Vor allem invasive Aspergillosen (bei insgesamt 16% der Patienten mit schwerer Alkoholhepatitis) verschlechterten die Überlebenschancen der Betroffenen drastisch.
Risikofaktor Malnutrition Die meisten Patienten mit schwerer alkoholtoxischer Hepatitis sind schlecht ernährt, und Malnutrition ist einer der am stärksten mit Komplikationen assoziierte Faktor. In einer Studie hatten intensiv enteral ernährte Patienten (> 21,5 kcal/kg/Tag) mit alkoholtoxischer Hepatitis nach einem halben Jahr bessere Überlebenschancen als konventionell ernährte (< 21,5 kcal/kg/ Tag) (6).
Letzte Rettung Lebertransplantation? Für bestimmte Patienten, zum Beispiel für Steroid-Non-Responder, kann eine Lebertransplantation infrage kommen. Allerdings muss dafür mindestens ein halbes Jahr glaubhaft Abstinenz nachgewiesen werden. Werden die ärztlichen Empfehlungen ernst genommen, sind die Überlebenschancen für Patienten nach einer Lebertransplantation deutlich erhöht. Nach 2 Jahren lebten noch 71 Prozent der Patienten mit schwerer alkoholischer Hepatitis, die rasch nach der Diagnosestellung eine neue Leber erhielten, gegenüber nur 23 Prozent der Patienten in der nicht operierten Kontrollgruppe (7). O
Klaus Duffner
Quelle: Moreno C: Management of alcoholic hepatitis. Symposium: SASL Hot Topics in Hepatology: Viral autoimmune and toxic hepatopathies (symposium sponsored by AbbVie). Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Gastroenterologie (SGG), 22.–23. September 2016 Interlaken.
Literatur unter www.arsmedici.ch
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BERICHT
Literatur: 1. Mathurin P et al.: Corticosteroids improve short-term
survival in patients with severe alcoholic hepatitis (AH): individual data analysis of the last three randomized placebo controlled double blind trials of corticosteroids in severe AH. J Hepatol 2002; 36(4): 480–487. 2. Mathurin P et al.: Corticosteroids improve short-term survival in patients with severe alcoholic hepatitis: meta-analysis of individual patient data. Gut 2011; 60(2): 255–260. 3. Thursz MR et al.: Prednisolone or pentoxifylline for alcoholic hepatitis. N Engl J Med 2015; 372: 1619–1628. 4. Mathurin P et al: Prednisolone with vs without pentoxifylline and survival of patients with severe alcoholic hepatitis: a randomized clinical trial. JAMA 2013; 310(10): 1033–1041. 5. Louvet A et al.: Infection in patients with severe alcoholic hepatitis treated with steroids: early response to therapy is the key factor. Gastroenterology 2009: 137(2): 541–548. 6. Moreno C: Intensive enteral nutrition is ineffective for patients with severe alcoholic hepatitis treated with corticosteroids. Gastroenterology 2016; 150(4): 903–910. 7. Mathurin P et al: Early liver transplantation for severe alcoholic hepatitis. N Engl J Med 2011; 365: 1790–1800.
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