Transkript
CPAP hat keinen Einfluss auf kardiovaskuläre Endpunkte
Symptome werden jedoch sehr gut beeinflusst
Viele Vorträge und Poster beim ERS beschäftigten sich mit der Schlafapnoe und ihrem Einfluss auf kardiovaskuläre Risikofaktoren: Ebenso enttäuschend wie unerwartet waren die Ergebnisse der SAVE-Studie, die als Late Breaking Abstract auf dem Kongress vorgestellt wurde.
ERS
Bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und obstruktiver Schlafapnoe (OSA) kann eine Therapie mit CPAP (continuous positive airway pressure) das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse nicht senken: so das Ergebnis der SAVE-Studie. «In Anbetracht des deutlichen Risikos für kardiovaskuläre Erkrankungen, das laut früheren Beobachtungsstudien mit einer Schlafapnoe verbunden ist, haben wir erwartet, dass CPAP auch hinsichtlich kardiovaskulärer Endpunkte von Vorteil ist», erklärte Erstautor Dr. Douglas McEvoy aus Adelaide/Australien bei der Vorstellung der Studienergebnisse, die vor Kurzem auch publiziert wurden (1). In Beobachtungsstudien hatte sich nämlich sehr wohl eine positive Auswirkung von CPAP besonders auf Schlaganfälle und die Entwicklung einer Herzinsuffizienz gezeigt. Zudem haben frühere Studien gezeigt, dass eine CPAPTherapie die Herzkammerleistung verbessern, die sympathische Nervenaktivität und den Blutdruck senken und die Lebensqualität erhöhen kann. Bis anhin wurde noch nicht untersucht, ob CPAP längerfristig auch eine Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen zur Folge hat.
endpunkt (kardiovaskulär bedingter Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall, instabile Angina pectoris, Herzinsuffizienz und transiente ischämische Attacken) nicht senken konnte: Diesen Endpunkt erreichten 17 Prozent der Patienten in der CPAP-Gruppe im Vergleich zu 15,4 Prozent der Kontrollgruppe – ein Unterschied, der die statistische Signifikanz verfehlte (p = 0,34). Dieses negative Studienergebnis bestand trotz der Tatsache, dass 42 Prozent der Patienten in der CPAP-Gruppe diese durchschnittlich mindestens vier Stunden pro Nacht eingesetzt hatten. Der mittlere Apnoe-/Hypopnoe-Index (AHI) nahm auch von 29,0 auf 3,7 Ereignisse pro Stunde ab, was auf eine gute Kontrolle der Schlafapnoe schliessen lässt.
Gute symptomatische Wirksamkeit als Argument für CPAP
Auf alle Fälle wirkte sich die CPAP-Therapie sehr positiv auf das Wohlbefinden der Patienten aus: Sie fühlten sich subjektiv besser, hatten eine höhere Lebensqualität, und auch das Schnarchen und die Tagesschläfrigkeit wurden verringert. «Wir müssen jetzt unbedingt weitere Unter-
SAVE: Prüfung von CPAP bei kardiovaskulären Risikopatienten
In die Studie SAVE (Sleep Apnea Cardiovascular Endpoints) wurden Patienten mit mittelschwerer bis schwerer OSA und zusätzlich bestehenden kardio- oder zerebrovaskulären Erkrankungen aus 89 Zentren in sieben Ländern eingeschlossen. Aufgeteilt auf zwei Gruppen, erhielten sie entweder nur die übliche Standardtherapie (Kontrollgruppe) oder ergänzend eine CPAP-Therapie (CPAP-Gruppe). Die Follow-up-Dauer betrug im Schnitt 3,7 Jahre. Um an der Studie teilnehmen zu können, mussten die Patienten in einem der Studie vorgeschalteten Zeitraum von einer Woche mindestens 3 Stunden pro Nacht eine Pseudo-CPAP durchführen. Die reguläre Versorgung beinhaltete auch Lifestyleveränderungen und Ratschläge zum Schlafverhalten, um eine OSA zu minimieren. Am Studienende konnten 1341 Patienten, die eine übliche Standardtherapie erhalten hatten, mit 1346 CPAP-Patienten verglichen werden. Die Studienteilnehmer waren vorwiegend älter (ca. 61 Jahre), übergewichtig, männlich und sie schnarchten. Es zeigte sich, dass die CPAP-Therapie in dieser Zeit das Risiko für den zusammengesetzten primären Studien-
SCHLAFAPNOIKER: EINE GEFAHR IM STRASSENVERKEHR?
Viele OSA-Patienten haben ein hohes Risiko, als Autofahrer in einen Unfall verwickelt zu sein: Dies zeigt eine Fahrsimulatoruntersuchung, die beim ERS-Kongress vorgestellt wurde (4). 129 unbehandelte OSA-Patienten wurden mit 79 gesunden Kontrollpersonen im selben Alter und mit etwa der gleichen Fahrpraxis hinsichtlich ihres Fahrvermögens mit einem Fahrsimulator getestet. Dabei wurde unter anderem beurteilt, wie gut die Probanden die Spur hielten. Vor der Testfahrt mussten die Probanden zusätzlich einen Fragebogen ausfüllen und sich einem standardisierten Test zur Bestimmung der Tagesmüdigkeit unterziehen. Den OSA-Patienten fiel es deutlich schwerer, die Spur zu halten: Die Abweichung von der Fahrspur war signifikant grösser als in der Kontrollgruppe. Beim Simulatortest wurden drei Ergebnisse unterschieden: bestanden, mittelmässig und durchgefallen. Ein Fünftel der OSA-Patienten fiel beim Fahrtest durch, in der Vergleichsgruppe jedoch kein Einziger. In den Fragebögen gaben die OSA-Patienten auch zu, tagsüber öfter einzunicken und beim Fahren schläfrig zu werden. Laut dieser Studie hatten die OSA-Patienten ein zweibis sechsfach erhöhtes Unfallrisiko im Strassenverkehr. Nach Ansicht der Studienautoren könnte ein solcher Fahrsimulatortest ein objektives Testverfahren sein, um die Fahrtüchtigkeit von OSA-Patienten zu beurteilen.
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suchungen durchführen, um herauszufinden, wie wir das signifikante Risiko von kardiovaskulären Ereignissen von Menschen, die an Schlafapnoe leiden, reduzieren können», erklärte McEvoy. Seines Erachtens lohnt sich CPAP allein schon deswegen, weil die Betroffenen tagsüber weniger schläfrig und depressiv sind und damit sowohl ihre Produktivität als auch ihre Lebensqualität viel besser sind.
Eine Frage der Adhärenz?
Dass die CPAP-Therapie keinen Einfluss auf kardiovaskuläre Ereignisse hat, bezweifeln auch die Autoren eines Kommentars, der im «New England Journal of Medicine« erschienen ist (2). Sie stellen die Hypothese auf, dass die mittlere Dauer von CPAP sowie der Zeitpunkt, zu dem diese Therapie durchgeführt wurde, nicht optimal waren: Von den Teilnehmern wurde die Atemmaske im Mittel nur 3,3 Stunden in der Nacht getragen. Nicht auszuschliessen ist, dass bei besserer Therapieadhärenz auch die klinischen Ergebnisse besser wären. Ob eine länger durchgeführte CPAP-Therapie Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe wirkungsvoller vor kardiovaskulären Endpunkten schützen kann, müssen künftige Studien klären, so der Schluss der Kommentatoren.
Take Home Messa es
® Patienten mit stark ausgeprägter Schlafapnoe haben ein hohes Risiko, Athero-
sklerose zu entwickeln.
® Durch die Stimulation des Sympathikus weisen sie auch häufig einen hohen Blut-
druck auf.
® Frühere Studien zeigten, dass eine Therapie mit CPAP (continuous positive airway
pressure) den Blutdruck senken kann.
® In der SAVE-Studie hatte die CPAP-Behandlung allerdings keine signifikante Aus-
wirkung auf kardiovaskuläre Endpunkte.
® Die Behandlung wirkte sich aber günstig auf Symptome der OSA auf: Patienten
waren besser gelaunt und weniger schläfrig.
® Derzeit kann CPAP nur zur Behandlung der OSA-Symptome, nicht jedoch zur
kardiovaskulären Prävention empfohlen werden.
Dennoch kann derzeit allein zum Schutz vor kardiovaskulären Ereignissen keine CPAP-Therapie empfohlen werden.
Schwere OSA fördert Gefässablagerungen
Eine Reihe von Postern, die beim ERS vorgestellt wurden, zeigen, dass zumindest eine stark ausgeprägte Schlafapnoe das Risiko für Atherosklerose erhöht. So wurden in der Kohortenstudie «Sleep and Health in women» (SHE) 400 Frauen eine Nacht lang im Schlaflabor untersucht (3). Zudem wurde der Blutdruck gemessen und ein Fragebogen zur Gesundheit ausgefüllt. Zehn Jahre später unterzog man 238 der ursprünglichen Teilnehmerinnen einer Ultraschalluntersuchung der Arteria carotis communis und bestimmte hier die Intima-Media-Dicke. Patientinnen, die an einer schweren OSA im REM-Schlaf litten, wiesen eine dickere Intima auf – ein frühes Zeichen für eine Atherosklerose. Dieser Zusammenhang blieb auch dann bestehen, wenn bekannte Risikofaktoren für Atherosklerose wie Alter, BMI, Rauchgewohnheiten und Alkoholkonsum einbezogen wurden. «Unsere Untersuchung zeigt, dass Patienten mit schwerer Schlafapnoe besonders in den REM-Phasen gefährdet sind, eine Atherosklerose zu entwickeln, sagte Miriam Ljunggren aus Uppsala/Schweden bei der Vorstellung der Studie.
Susanne Kammerer
Referenzen: 1. McEvoy RD et al.: CPAP for prevention of cardiovascular events in obstructive sleep apnea. New Engl J Med 2016; 375: 919–931. 2. Mokhlesi B, Ayas NT: Cardiovascular Events in Obstructive Sleep Apnea – Can CPAP Therapy SAVE Lives? New Engl J Med 2016; 375: 994–996. 3. Ljunggren M et al.: Sleep apnea during REM-sleep is associated with early signs of atherosclerosis. ERS 2016, Poster 2076. 4. Dwarakanath A et al.: Establishing a normal range model using real time events, driving simulator (MiniUoLDS) outcome and performance based on standard deviation of lane position (SDLP) in untreated OSAS patients and controls. ERS 2016, Abstract 4793.
Quelle: Session «Novel tools and approaches to diagnosing obstructive sleep apnea», anlässlich des 26. Jahreskongresses der European Respiratory Society (ERS), 6. September 2016 in London.
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