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EDITORIAL
Im Fokus: Hämatologische Malignome
D as Schwerpunktthema dieser Ausgabe der Schweizerischen Zeitschrift für Onkologie (SZO) sind hämatologische Neoplasien – seltene Erkrankungen im Sinne von «orphan diseases». Der Anteil aller hämatologischen Malignome zusammen entspricht nur etwa 7% aller Tumoren.
Im Kindesalter allerdings machen akute Leukämien, davon 80% akute lymphatische Leukämien (ALL), etwa ein Drittel aller bösartigen Erkrankungen aus. Die Gesamtüberlebensrate bei kindlicher ALL stieg in den letzten 50 Jahren von unter 10% auf heute über 90%. Diese enorme Verbesserung wurde im Rahmen von grossen internationalen Studien nahezu ausschliesslich durch Optimierung der Dosierung und der Zeitpläne für die Anwendung von klassischen Zytostatika und den risikoadaptierten Einsatz der allogenen Stammzelltransplantation erreicht
Hämatologische Neoplasien
(Beitrag von Bernhard Eisenreich und Johannes Rischewski). Die chronische lymphatische Leukämie (CLL) ist die häufigste Leukämieform bei Erwachsenen. Bei Patienten mit CLL ist die Kombination einer Chemotherapie mit einem monoklonalen Anti-CD20-Antikörper die Standard-Erstlinientherapie für die Mehrzahl der Patienten ohne Hochrisikogenetik. Bei Patienten mit prognostisch günstigen mutierten Immunglobulin-Schwerketten-Genen führt eine solche Therapie oft zu Langzeitremissionen von teilweise über 10 Jahren mit einem Plateau in der Überlebenskurve. Bei einem Teil dieser Patienten kann keinerlei Krankheitsaktivität mehr festgestellt werden. Dies wirft die Frage auf, ob die CLL mit Chemoimmuntherapie geheilt werden kann.
Beim multiplen Myelom konnte das Ansprechen, das progressionsfreie Überleben und auch das Gesamtüberleben durch den Einsatz von Thalidomid, Lenalidomid und Bortezomib wesentlich verbessert werden. Diese Medikamente bilden heute zusammen mit Steroiden und Alkylanzien die Basis der Myelomtherapie. Zweitgenerations-Proteosom-Inhibitoren (Carfilzomib, Ixazomib), monoklonale Antikörper
(Elotuzumab, Daratumumab) und Histon-Deacetylase-Inhibitoren (Panobinostat) wurden kürzlich in den USA und der EU zugelassen und stehen in der Schweiz zur Rezidivbehandlung zur Verfügung. Im Artikel von Christoph Driessen wird die Anwendung dieser neuen Substanzen beim multiplen Myelom diskutiert.
Myelodysplastische Syndrome (MDS) sind meist ältere Patienten betreffende, heterogene, klonale Erkrankungen der hämatopoietischen Stammzellen. Wegen der demografischen Entwicklung wird erwartet, dass Inzidenz und Prävalenz der MDS in Zukunft deutlich zunehmen. Diagnostik und Patientenmanagement bei MDS sind anspruchsvoll, da die klinische Präsentation (Zytopenien mit Dysplasie oder Vorstufen im Blut) und der Verlauf (zytopeniebedingte Symptome oder Progression in akute Leukämie) sehr unterschiedlich sein können. Die Übersichtsarbeit von Nicolas Bonadies und Axel Rüfer fasst Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der MDS zusammen.
Ergänzt wird diese Ausgabe mit der Zusammenfassung des 3. Luzerner Symposiums für Gynäkologische Onkologie zum Thema «gynäkologische Malignome bei jungen Frauen».
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre dieser Ausgabe der SZO.
Michael Gregor
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 4/2016
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