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OFFIZIELLES ORGAN
Optimale Organisation einer Praxisapotheke
Aus Anlass der gewonnenen Zürcher Volksabstimmung, dank der die direkte ärztliche Medikamentenabgabe zukünftig auch in den Städten Winterthur und Zürich erlaubt sein wird, wurde an der diesjährigen Generalversammlung der APA eine Fortbildung über die optimale Organisation einer Praxisapotheke durchgeführt. Neben den gesetzlichen Grundlagen wurden verschiedene Massnahmen aufgezeigt, welche den Ärztinnen und Ärzten zu einem regelkonformen und effizienten Betrieb ihrer Praxisapotheke verhelfen.
SIMON OTTH
Im Anschluss an die diesjährige Generalversammlung der APA, die am 19. März 2009 im Hotel Krone Unterstrass in Zürich abgehalten wurde, fand eine Fortbildungsveranstaltung zur optimalen Führung einer Praxisapotheke statt. In seiner Einleitung freute sich Dr. med. Hans-Ulrich Kull, Präsident der APA, über das Ergebnis der Abstimmung zur Wahlfreiheit beim Medikamentenbezug im Kanton Zürich vom vergangenen November, wonach die direkte Abgabe von Medikamenten ab dem 1. Januar 2010 auch den Ärzten in den Städten Zürich und Winterthur erlaubt sein wird. Das Führen einer Praxisapotheke bringt aber neben den verschiedenen Vorteilen auch zahlreiche Pflichten mit sich, da der selbstdispensierende Arzt für eine gesetzes-
konforme, kostensparende und für den Patienten überzeugende Organisation der Praxisapotheke zu sorgen hat. In Anbetracht all dieser Erfordernisse unterstützt die APA ihre Mitglieder mit verschiedenen Empfehlungen und Ratschlägen, die zu einer qualitativ hochstehenden direkten Medikamentenabgabe beitragen sollen.
Rechtliche Grundlagen Dr. Sven Bradke, Geschäftsführer der APA, ging in seinem Referat auf die für die direkte Abgabe von Medikamenten massgeblichen Rechtsnormen ein, die sich im Heilmittelgesetz (HMG), Betäubungsmittelgesetz (BetmG), Krankenversicherungsgesetz (KVG), Medizinalberufegesetz (MedBG) sowie in den kantonalen Gesundheitsgesetzen und in den Vorschriften der Kantonsapotheker finden.
Für den Arzt mit Patientenapotheke ist in erster Linie das HMG bedeutsam, das für alle Arzneimittel gilt und zum Schutz der Gesundheit des Menschen die Versorgung mit qualitativ hochwertigen, sicheren und wirksamen Medikamenten gewährleisten soll. Nach Art. 24 HMG dürfen verschreibungspflichtige Arzneimittel einerseits von Apothekerinnen und Apothekern auf ärztliche Verschreibung und andererseits von weiteren Medizinalpersonen gemäss den Bestimmungen über die Selbstdispensation abgegeben werden, wobei unter der Kontrolle dieser Personen auch entsprechend ausgebildete Fachpersonen zur Medikamentenabgabe berechtigt sind. Bezüglich der Selbstdispensation ist zudem in Art. 37 KVG festgehalten, dass die Voraussetzungen zur Führung einer ärztlichen Praxisapotheke durch die Kantone definiert werden. Nach den in Art. 26 HMG festgelegten Grundsätzen haben Ärztinnen und Ärzte bei der Medikamentenabgabe die anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften zu beachten, wobei insbesondere der Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten bekannt sein muss. In analoger Weise schreibt Art. 11 BetmG vor, dass Betäubungsmittel nur in dem Umfang abgegeben und verordnet werden dürfen, wie dies nach den anerkannten Regeln der medizinischen Wissenschaften notwendig ist. Um jegliche Beeinflussung des Verschreibungs- und Abgabeverhaltens zu verhindern, verbietet Art. 33 HMG, für
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die Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln geldwerte Vorteile zu fordern oder anzunehmen. Zulässig sind jedoch handelsübliche und betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Rabatte, die sich direkt auf den Preis auswirken. Dabei müssen gemäss Art. 56 KVG alle direkten oder indirekten Vergünstigungen, die einem Leistungserbringer gewährt werden, zwingend weitergegeben werden. Bei einer allfälligen Verletzung der Sorgfaltspflicht im Umgang mit Medikamenten oder bei nicht erfolgter Weitergabe von Vergünstigungen sind im HMG und im KVG strenge strafrechtliche Sanktionen vorgesehen, die von erheblichen Bussen bis zu Gefängnisstrafen reichen. Neben den grundlegenden gesetzlichen Bestimmungen ist beim Betrieb einer Praxisapotheke der Leitfaden des zuständigen Kantonsapothekers zu beachten, wonach pharmazeutische Tätigkeiten nur durch Fachpersonal und unter Aufsicht des Bewilligungsinhabers ausgeführt werden dürfen. Ausserdem müssen die Arztpraxen mit Privatapotheke über geeignete Räume beziehungsweise Einrichtungen zur korrekten Lagerung von Arznei- und Betäubungsmitteln verfügen, wobei überdies die Pflicht zur Qualitätssicherung einschliesslich einer entsprechenden Dokumentation besteht.
Eine moderne und effiziente Praxisorganisation Wie Dr. med. Mathias Wenger, FMH Innere Medizin und Geschäftsführer der Schlossberg Ärztezentrum AG, einführend bemerkte, erfordert ein Betrieb wie die Schlossberg Ärztezentrum AG, welche acht Grundversorger, einen Pädiater, sechs Spezialisten, eine Wundmanagerin, eine Pflegefachfrau, 26 Angestellte und sieben Lehrlinge beschäftigt und eine Tagesklinik umfasst, allein schon aufgrund seiner Grösse eine gut durchdachte Struktur und eine effi-
ziente Organisation. In diesem ärzteeigenen Zentrum sind jeweils zwei Arztpraxen zusammengeschlossen, die gewisse Räumlichkeiten wie den Empfang und das Wartezimmer gemeinsam nutzen und zwei Praxisassistentinnen sowie einen Lehrling beschäftigen. Das Aktionariat besteht aus den Seniorpartnern, die auch den Verwaltungsrat bilden, sowie aus den Partnern und Juniorpartnern. Der Verwaltungsrat wird durch verschiedene Kommissionen mit bestimmten Zuständigkeiten unterstützt und hat einen als Geschäftsführer tätigen Delegierten, dem die vier Abteilungen «Corporate Administration Service (CAS)», «Legal», «Technik» und «Hauswirtschaft» unterstellt sind. Dabei ist die CAS-Abteilung für Personalwesen, Informations- und Kommunikationstechnologie, Finanzen und Buchhaltung, Werbung und Marketing sowie Liegenschafts- und Risikomanagement verantwortlich, während die Abteilung «Legal» für die Wirtschaftlichkeitskontrolle und den Datenschutz zuständig ist. Zur Abteilung «Technik» gehören Notfalldienst, Korrespondenz, Röntgen, Labor, Funktionsdiagnostik, Sterilisation, Entsorgung und Archivierung sowie das Ressort «Medikamente und Materialien» mit Interaktionskontrolle, Preisanschrift, Bewirtschaftung, Etikettierung, Preise der OTC-Medikamente und Einkauf, während sich die Abteilung «Hauswirtschaft» mit Reinigung, Wäsche, Einkauf, Entsorgung und Archivierung befasst. Die Schlossberg Ärztezentrum AG gibt ihre Medikamente direkt an die Patienten ab, wobei zu diesem Zweck neben einer zentralen Praxisapotheke zusätzlich auf jedem Stockwerk eine Satellitenapotheke vorhanden ist. Die Erstabgabe eines Medikaments erfolgt unter der Aufsicht des behandelnden Arztes, der in Anwesenheit des Patienten den Strichcode auf der Packung einliest und
die Dosierung eingibt, wobei anschliessend das Etikett mit dem Preis ausgedruckt und die Verrechnung vorgenommen wird. Die Zweitabgabe von Medikamenten erfolgt durch die Praxisassistentin gemäss dem Eintrag in der Krankenakte und muss nachher vom Arzt visiert werden. Im Hinblick auf eine noch effizientere Gestaltung dieses Prozesses soll die Medikamentenabgabe in Zukunft elektronisch abgewickelt werden, wobei auch eine automatisierte Interaktionskontrolle vorgesehen ist. Nach diesem Konzept verschreibt und dosiert der Arzt das Medikament im Sprechzimmer und übermittelt seine Bestellung via Auftragsmanager an die medizinische Praxisassistentin, die aufgrund der Bestelldaten auf dem Bildschirm die erforderliche Packung aus der Apotheke holt. Anschliessend wird die Medikamentenpackung mit einem Scanner erfasst, wobei im Falle einer Übereinstimmung mit den Bestelldaten die entsprechende Etikette ausgedruckt und damit das Medikament zur Abgabe freigegeben wird.
Qualitätssicherung in der Praxisapotheke Nach dem HMG haben die Kantone den gesetzlichen Auftrag, mit periodischen Inspektionen der Praxisapotheken zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die direkte Medikamentenabgabe erfüllt sind. Wie Dr. med. Simon Otth, FMH Allgemeine Medizin und Vizepräsident der APA, versicherte, kann sich jede Ärztin und jeder Arzt mit einem geeigneten Konzept bestens auf eine allfällige Praxiskontrolle vorbereiten. Eine Kontrolle der Praxisapotheke kann durch die zuständige Behörde jederzeit und ohne Voranmeldung erfolgen und kann vom Arzt nicht verschoben werden. Nach einem ungefähr zehnminütigen Einführungsgespräch mit dem Inspektor der Heilmittelkontrolle, in wel-
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chem der Arzt über den Ablauf und den Umfang der Inspektion orientiert wird, werden unter Rücksichtnahme auf den Praxisbetrieb sämtliche Räume wie auch der Notfallkoffer inspiziert. Im Verlauf der Praxiskontrolle werden in der Regel zunächst die Temperaturen im Kühlschrank, welche bekanntlich im gesamten Kühlschrankbereich – einschliesslich des obersten Regals und der Regale im Bereich der Türöffnung – zwischen 2 °C und 8 °C liegen müssen, elektronisch gemessen. Ausserdem muss anhand einer Dokumentation nachgewiesen werden, dass die Temperaturkontrollen und die Reinigung des Kühlschranks regelmässig durchgeführt wurden. Falls diese Vorschriften nicht erfüllt sind, ist dies ein «kritischer», umgehend zu behebender Mangel, das heisst, der Inhalt des Kühlschranks gilt als verdorben und muss entsorgt werden. In der Praxisapotheke muss die Temperatur zwischen 15°C und 25°C liegen, wobei dieser Temperaturbereich unbedingt auch im obersten, beleuchtungsnahen Regal eingehalten werden muss. Auf Grosspackungen muss das Öffnungsdatum auf der Packung vermerkt sein, und Rückgabe- beziehungsweise Rücknahmemedikamente müssen deutlich örtlich getrennt von den neuen Medikamenten aufbewahrt werden. Ausserdem muss die ein- bis zweimal wöchentlich erfolgende Reinigung des Bodens dokumentiert sein, und es darf sich keine WC-Tür in den Medikamentenlagerraum öffnen. Eine fehlende Dokumentation der Temperaturmessung in der Praxisapotheke wird als «wesentlicher» Mangel eingestuft und muss prioritär behoben werden, wogegen angebrochene, nicht datierte Grosspackungen sowie örtlich nicht getrennte Retouren als «anderer» Mangel gelten und gelegentlich in Ordnung gebracht werden müssen. Der Notfallkoffer darf keine abgelaufe-
nen Medikamente enthalten und muss regelmässig inspiziert werden, wobei diese Kontrollen mit Namen und Datum festgehalten werden müssen. Abgelaufene Medikamente im Notfallkoffer werden als «kritischer» Mangel beurteilt und müssen umgehend kostenpflichtig entsorgt werden, während eine fehlende Dokumentation der Kontrollen als «anderer», gelegentlich zu behebender Mangel angesehen wird. Falls betäubungsmittelabhängige Patienten mit entsprechenden Substanzen wie Methadon behandelt werden, müssen die Betäubungsmittel in einem verschraubten Tresor aufbewahrt werden, wobei sämtliche Ein- und Ausgänge mit Angabe von Menge, Datum, Patientennamen und Präparatenamen fortlaufend im Protokollheft einzutragen sind. Ausserdem muss am Ende des Jahres unaufgefordert ein Inventar der Betäubungsmittel an die Heilmittelkontrolle geschickt werden. Ein fehlender Tresor gilt als «wesentlicher» Mangel, dessen Behebung prioritär zu erfolgen hat. In der Praxisapotheke muss ein Dokument zur Qualitätskontrolle vorliegen, das allen Mitarbeitern bekannt ist. In diesem Qualitätssicherungsdokument müssen der Personalbestand mit Qualifikationen, Zuständigkeiten und Anstellungsverhältnis sowie der Ablauf beim Eingang von Medikamenten, die Durchführung von Temperaturkontrollen und Reinigungen, der Rückruf von Medikamenten, der Umgang mit Betäubungsmitteln sowie die Selbstkontrolle des Praxisteams festgehalten sein. Das Fehlen dieses Qualitätssicherungsdokuments wird als «wesentlicher» Mangel angesehen, der prioritär zu beheben ist. Am Ende der Praxisinspektion findet ein rund zehnminütiges Abschlussgespräch statt, in welchem dem Arzt allfällige Beanstandungen mitgeteilt werden. Nach der Inspektion muss der zuständigen Behörde in der Regel innerhalb von ein
bis zwei Monaten ein schriftliches Kon-
zept unterbreitet werden, in welchem
die bereits getroffenen beziehungsweise
die noch anstehenden Massnahmen zur
Behebung der beanstandeten Mängel
festgehalten sind. Die durchschnitt-
lichen Kosten für eine Praxisinspektion
mit entsprechendem Bericht belaufen
sich auf 800 bis 1000 Franken, wobei
aber sämtliche festgestellten Mängel
und die allfällige Nachkontrolle zu
einem erheblichen Anstieg der Kosten
führen.
Zur Sicherstellung eines korrekten und
effizienten Betriebs der Praxisapotheke
sollte in jeder Praxis ein sinnvolles Qua-
litätssicherungssystem mit Vorgabe- und
Nachweisdokumenten über regelmässig
durchgeführte Tätigkeiten implemen-
tiert sein, wofür die APA ihren Mitglie-
dern mit dem Logbuch ein hilfreiches In-
strument zur Verfügung stellt.
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Dr. med. Simon Otth, Horgen Vizepräsident der APA
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