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ESH
Vaskuläre Biomarker zur kardialen Risikobewertung
Was sie können und wann sie nützlich sind
Zur Einschätzung des kardiovaskulären Risikos von Hypertonikern wurden Risikoscores entwickelt. Doch besteht oft eine deutliche Lücke zwischen den vorhergesagten und tatsächlich auftretenden Ereignissen. Können arterielle Biomarker als Ausdruck früher funktioneller oder morphologischer Veränderungen diese Lücke füllen?
«Als Goldstandard zur Bestimmung der arteriellen Steifigkeit und damit als Biomarker für eine Arteriosklerose gilt die Karotis-Femoralis-Pulswellengeschwindigkeit (pulse wave velocity: cfPWV)», sagte Prof. Charalambos Vlachopoulos aus Athen/Griechenland. Die arterielle Steifigkeit ist ein robuster Vorhersagewert für die Gesamt- und die kardiovaskuläre (CV) Mortalität, nicht tödliche und tödliche kardiale Ereignisse sowie Schlaganfälle. Aus diesem Grund kann die cfPWV als Parameter zur Risikostratifizierung für CV-Ereignisse mit dem Empfehlungsgrad/Evidenzlevel IIa/A erwogen werden (1). Die Messung der cfPWV erfasst auch die durch Risikofaktoren an der Aortenwand langfristig verursachten Schäden. Allerdings wird sie vor allem durch das Alter und die Höhe des Blutdrucks beeinflusst. Jedoch erfüllt die Messung die meisten Kriterien für einen CV-Surrogatendpunkt. Randomisierte, kontrollierte Studien zur Bewertung der Methode als Kriterium für eine Therapieentscheidung existieren nicht. Wie Vlachopoulos weiter sagte, kann die Messung auch zur Risikostratifizierung von Diabetikern beitragen. Als nützlich für die kardiovaskuläre Primär- und Sekundärprävention mit dem Empfehlungsgrad IIa und dem Evidenzlevel A wird auch die Bestimmung der IntimaMedia-Dicke in den Karotiden mittels Ultraschall (cIMT) eingeschätzt. Studien haben eine grössere cIMT bei Patienten mit ausgeprägten Risikofaktoren oder manifester Atherosklerose nachgewiesen. Dies gilt ebenso für Karotis-Plaques. Ob eine durch cIMT-Bestimmung gesteuerte Therapie die Prognose verbessern kann, ist unklar. Wie eine Meta-
analyse von 41 Studien mit 18 307 Patienten zeigte, bestand trotz einer therapiebedingten signifikanten Verringerung von CV-Risikofaktoren keine signifikante Beziehung zwischen einer IMT-Regression und den Ereignissen (2). In der Praxis dienen hohe cIMT-Werte sowie der Plaquenachweis der Einleitung einer intensiven therapeutischen Modifikation von Risikofaktoren. Die Methode hat allerdings nur einen geringen unabhängigen Vorhersagewert für zukünftige CV-Ereignisse. Der Knöchel-Arm-Index (ankle-brachial index: ABI) kann ebenfalls zur primären und sekundären CVD-Prävention herangezogen werden. Der Empfehlungsgrad/Evidenzlevel beträgt ebenfalls IIa/A. Querschnittsstudien in der Allgemeinbevölkerung konnten den prädiktiven Wert des ABI zur Einschätzung der Gesamt- und der CV-Mortalität zeigen. Laut einer Metaanalyse wurden 19 Prozent der untersuchten Männer und 36 Prozent der untersuchten Frauen durch den ABI in der Risikobewertung neu klassifiziert. Der ABI hat eine diagnostische Bedeutung bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit sowie eine prognostische bei der CVD, so Vlachopoulos weiter. Ob der Einsatz der Methode letztlich zu einer verbesserten Prognose nach einer therapeutischen Intervention führt, ist nicht geklärt. Eine Kalzinose kann zu falschnegativen Resultaten führen, da steife Arterien fälschlicherweise erhöhte Knöcheldrucke vortäuschen.
Ralph Hausmann
WERTIGKEIT VON VASKULÄREN BIOMARKERN
Karotis-FemoralisPulswellengeschwindigkeit Karotis-Ultraschall
Knöchel-Arm-Index
Empfehlungsgrad/ Evidenzlevel IIa/A
Einstufung nützlich zur Risikostratifizierung
IIa/A IIa/A
mittelmässig nützlich zur Risikostratifizierung gleichzeitige Identifizierung von Plaques nützlich zur Risikostratifizierung, speziell bei Frauen
Quelle: modifiziert nach (1)
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ESH
Referenzen: 1. Vlachopoulos C et al.: The role of vascular biomarkers for primary and secondary prevention. A position paper from the European Society of Cardiology Working Group on peripheral circulation. Atherosclerosis 2015; 241: 507–532. 2. Costanzo P et al.: Does carotid intima-media thickness regression predict reduction of cardiovascular events? J Am Coll Cardiol 2010; 56: 2006–2020.
Quelle: Teaching Seminar «Management of Hypertension 2“: Arterial damage in hypertension: which parameters should be investigated in all patients?» beim ESH-Kongress, 12. Juni 2016 in Paris.
Take Home Messa es
® Vaskuläre Biomarker sollten nicht routinemässig zur Risikostratifizierung genutzt
werden.
® Sie können jedoch vor allem bei Patienten mit mittlerem Risiko zusätzliche Hin-
weise auf kardiovaskuläre Risiken bieten.
® Eine Reklassifizierung in eine höhere oder niedrigere Risikoklasse scheint beim
Einsatz der Biomarker möglich.
® Bis heute ist allerdings nicht geklärt, ob ein spezieller Marker den anderen überle-
gen ist.
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